Bottrop.
„Wir wissen mehr als der Pastor im Beichtstuhl. Wir sind aber noch verschwiegener.“ Franz-Ludwig Conrady sitzt in seiner Lotto-Annahmestelle an der Gladbecker Straße auf dem Eigen, die er seit 30 Jahren betreibt. Er erzählt und raucht dabei eine Zigarette ohne Filter. Hier hat er schon viele Spieler und große Gewinner gesehen.
„Wenn einer richtig viel gewonnen hat, nehmen wir ihn zur Seite.“ Mancher sei zunächst verunsichert. „Hab‘ ich was falsch gemacht, fragen die dann. Nee, sagen wir, ganz im Gegenteil.“ Conrady kennt die Verhaltenstipps, die auch die Berater der Lottogesellschaft nach dem großen Gewinn geben: Deren drei goldene Regeln lauteten übersetzt: „Erstens: Schnauze halten. Zweitens: Schnauze halten. Drittens: Schnauze halten.“ Sonst kämen schnell die Schnorrer und Neider. „Am besten, man behält den gewohnten Lebensstil bei“.
Neid kennt er genauso wenig wie seine Angestellten. „Wir freuen uns für jeden, der gewinnt“, sagt er. Wer viel gewinnt, könne aber auch viel verlieren. Conrady weiß von einem Fall zu berichten. Damals, zu D-Mark-Zeiten. „Der Mann hat zweimal große Summen gewonnen. Leider hat er alles verprasst. Wenn seine Möbel staubig waren, wurde nicht geputzt, sondern entsorgt.“ Das Geld ging für Autos und ein Haus weg. „Heute lebt der wahrscheinlich von Hartz IV oder vom Flaschensammeln.“
Bis 500 Euro in bar
Bis zu 500 Euro Gewinn werden in allen Lotto-Annahmestellen bar ausgezahlt. Ab 501 Euro komme es darauf an, bei welcher Bank der Gewinner sein Konto hat. „Es dauert zwischen 24 und 48 Stunden, bis das Geld auf dem Konto gutgeschrieben ist.“
Gern denkt Conrady an die Zeiten zurück, als es auf der Gladbecker Straße noch viele Autohändler gab. „Damals wurden regelmäßig Sonderauslosungen mit Autos als Hauptgewinn gemacht. Die konnten wir hier dann prima präsentieren.“ Das passende Auto wurde vor der Annahmestelle geparkt, und große Plakate bewarben den Preis. „Als die Glücksspielgesetze verschärft wurden, schränkte man auch die Werbung ein. So wie damals können wir das heute nicht mehr machen.“ Überhaupt spielten heute weniger Menschen Lotto. Viele stiegen erst bei einem zweistelligen Jackpot ein.
Conrady macht selber gerne Kreuzchen. „Aber außer drei Richtigen habe ich noch nichts gewonnen.“ Conrady ist 62 Jahre alt. Vom Ruhestand will er aber noch nichts wissen. „Unser Vermieter möchte mir den Vertrag für das Geschäft um wenigstens 25 Jahre verlängern, sagte er mir neulich. Ich habe nichts dagegen.“
Demnächst steht eine Renovierung der „Lottobude“ an, wie er sein Geschäft selber nennt. „Wir sind hier im Ruhrgebiet und hier wird alles gerade heraus benannt. Lottobude ist Lottobude. Fertig.“ Conrady wird also weiter Tipp-Scheine verkaufen. „Außerdem will ich mit 100 Jahren aufhören zu rauchen. Da muss ich noch 38 Jahre durchhalten.“