Bottrop.
Von Armut im Alter kann Irmgard Bobrzik ein Lied singen. Sie ist ehrenamtliche Rentenberaterin und kennt die Situation genau: „Es ist längst nicht mehr so, als könnte man nach 30 oder 40 Jahren mit der Gewissheit in Rente gehen , dass die Existenz gesichert ist.“
Die Ursachen sieht Bobrzik in erster Linie auf dem Arbeitsmarkt. Die typische Erwerbssituation gebe es nicht mehr, nach der im Anschluss an die Ausbildung ein durchgehendes Beschäftigungsverhältnis bis zur Rente besteht. Viele landen in Teilzeit- oder Minijobs, volle Stellen werden seltener. „Da ist der Arbeitsmarkt knallhart.“
Viele Rentner müssen weiter arbeiten
Arbeitnehmer geraten dabei in eine Zwickmühle: Durch geringen Verdienst sinkt ihr Rentenanspruch, gleichzeitig bleibt kaum Geld, um sich privat abzusichern. Besonders prekär ist die Lage im Baugewerbe. Gewerkschafter Ali Kosan von der IG BAU: „Ich kenne Angestellte mit einem Stundenlohn von 5,90 Euro. Die können noch so lang arbeiten, 850 Euro Rente erreichen die niemals.“ Im Baugewerbe gebe es ohnehin die Schwierigkeit der unterbrochenen Beschäftigung. Bedingt durch Witterung und abhängig von den Jahreszeiten sinken die Beitragszeiten und damit die Rentenansprüche. Keine rosigen Aussichten also. Noch pessimistischer klingt ein anderes Rechenbeispiel Kosans: „Wer 40 Jahre in Teilzeit als Gebäudereiniger arbeitet, kann mit einer Rente von rund 450 Euro rechnen.“
Weil davon niemand leben kann, müssen sich viele Menschen im Alter etwas dazu verdienen. „Ganz viele Rentner gehen putzen oder arbeiten als Security oder so“, sagt der Gewerkschafter. Auch Irmgard Bobrzik kennt solche Fälle: „Manche tragen Prospekte aus. Bei einigen reicht es dann trotzdem noch nicht. Die kaufen nur noch abgelaufene Lebensmittel, weil die günstiger sind.“
Frust und Scham machen sich breit
Für Friedhelm van Oepen ist diese Situation nicht überraschend. Er leitet den Bottroper Tisch, der Bedürftige mit Essen versorgt: „Die Renten sind längst nicht mehr sicher. Zu uns kommen sehr viele Menschen, die jahrelang gearbeitet haben. Arbeitsmarkt und Rentensystem können so nicht funktionieren.“ Das Problem sieht er sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch im Rentensystem. „Die Leute, die zu uns kommen, sind oft gar nicht richtig informiert worden. Vieles verstehen sie einfach nicht.“
Neben Frust empfingen die Betroffenen oft Scham. Ihre Lebenslage ist ihnen peinlich, viele wollen nicht darüber reden. Einige flunkern ihr Einkommen in die Höhe. Irmgard Bobrzik kennt das nur zu gut: „Die Allerwenigsten geben ihre finanzielle Situation überhaupt zu. Dann kommt jemand zu mir und sagt, dass sein Kumpel in der gleichen Ausgangslage 500 Euro mehr bekommt. Wenn man das überprüft, merkt man, dass das nicht stimmen kann.“