Der Kampfmittelräumdienst entschärft eine Fünf-Zentner-Bombe in der Boy. Die Erleichterung bei allen Beteiligten war groß, als die gesamte Aktion am Morgen erfolgreich beendet werden konnte. Bei dem ein oder anderen Anwohner wurden Erinnerungen an die Kriegszeit wach.
Morgens um 10.29 Uhr war die Welt in der Boy wieder Ordnung. Die Anwohner konnten wieder in ihre Häuser zurück kehren, die Autos wieder die B 224 entlang rauschen, die Kleingärtner wieder ihre Scholle betreten und die Einkäufer im Discounter rund um die Kleingartenanlage An der Boye wieder Preise vergleichen: Die Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg war entschärft.
Auch 67 Jahre nach Kriegsende sind diese Hinterlassenschaften des Krieges noch immer in Bottrop zu finden. „Wir sind bei der Überprüfung im Zuge der Renaturierung der Boye auf den Blindgänger gestoßen“, erläutert Jennifer Gruban vom Ordnungsamt der Stadt. Bei Baumaßnahmen würden zuvor immer Luftbildaufnahmen sehr genau auf Blindgänger untersucht. An der Kleingartenanlage Boy sind die Prüfer dann auf die englische Fünf-Zentner-Fliegerbombe gestoßen.
Für Bottroper, die sich mit der Stadtgeschichte auskennen, ist der Fundort keine ganz große Überraschung. Schließlich standen hier früher die Hydrierwerke, etwas weiter entfernt der Bergbau. Angriffsziele. „Deshalb gibt es in diesem Areal häufiger Bombenfunde“, weiß Stadtsprecher Ulrich Schulze. Vier Verdachtsfälle gebe es noch im größeren Umkreis, heißt es hier.
Scheinbar Routine also, aber auch nur scheinbar. Denn gefährlich ist die Entschärfung einer Fliegerbombe auch noch 67 Jahre nach dem Krieg. Daher sieht man Feuerwerker Uwe Pawlowski vom Kampfmittelräumdienst die Erleichterung später, als alles vorbei ist, auch deutlich an. „Gefährlich war es, aber nicht hochbrisant“, erläutert er hinterher. Hochbrisant – damit meint er Bomben mit Säurezünder. Diesmal war es aber kein Säurezünder. Er war im Heck der Bombe angebracht. Dennoch: „Die Anspannung ist vorher immer extrem.“
Der Zünder mit Messing-Gewinde ist gut erhalten, deutlich zeigt der Fachmann auf das Herstellungsdatum 1944, das noch gut zu lesen ist. Den Zünder bekommt diesmal Jennifer Gruban vom Ordnungsamt überreicht – weil es ihr erster Einsatz bei einer Bomben-Entschärfung war. Der Sprengkörper, erklärt Pawlowski, werde nun nach Senden transportiert, ins Zwischenlager. Anschließend werde er fachmännisch zerlegt.
Erleichterung auch bei den Anwohnern, als sie wieder in ihre Wohnungen zurück durften. Eine ältere Dame im Rollstuhl aus der Kraneburgstraße nahm das alles jedoch ziemlich gelassen. „Aufgeregt?“, fragt sie, „nein, wieso auch.“ Sie war zeitweise im Gemeindehaus der Paul-Gerhardt-Gemeinde untergekommen. Presbyter Ralf Escher und Presbyterin Christa Müller hatten eigentlich 50, 60 Leute erwartet, gekommen sind 15, 20. „Wahrscheinlich sind viele Anwohner arbeiten oder im Urlaub“, vermutet Escher. Wer jedoch kam, wurde mit Kaffee und Mineralwasser begrüßt. „Wir sind spontan gefragt worden“, sagt Christa Müller, „und haben spontan zugesagt.“
Bei dem ein oder anderen Gast seien während der Bomben-Entschärfung Erinnerungen an den Krieg wach geworden, weiß Ralf Escher. Einzelne hätten an Breslau gedacht oder an den Flüchtlingstreck. Auch er dachte zurück. „Ich sah mich als Dreijährigen mit meinem Koffer in der Hand in den Bunker Horster Straße gehen“, erzählt er. „Aber“, winkt er entspannt ab, „das ist längst verarbeitet. Das ist kein Trauma.“ Doch die Erinnerungen, die kommen an so einem Tag dann doch wieder.