Das Kölner Urteil zur Beschneidung verunsichert viele Muslime in Bottrop. Der Chefarzt der Urologie im Knappschaftskrankenhaus, Professor Martin Meyer-Schwickerath, befürchtet, dass viele Eltern den Eingriff in der Heimat vornehmen lassen. Er warnt vor möglichen Gefahren.
Muslime in Bottrop sind nach dem Kölner Urteil zur rituellen Beschneidung verunsichert. Aysun A. , Mutter von zwei kleinen Söhnen, ist etwas ratlos. „Ich weiß noch nicht genau, was ich mache, wenn das bei meinem jüngsten Sohn ansteht“, sagt sie. Vielleicht werde sie das in der Türkei machen lassen. Kaan ist knapp zwei Jahre alt, eine Beschneidung wird im Alter zwischen etwa drei und sieben Jahren vorgenommen. Ob das für Kaan dann aber in Bottrop möglich sein wird, ist nun völlig offen.
Das Kölner Landgericht hatte kürzlich Beschneidungen aus religiösem Grund als strafbare Körperverletzung bewertet. Muslimische Verbände, der Zentralrat der Juden in Deutschland und die christlichen Kirchen hatten vehement gegen den Beschluss protestiert. Für Juden ist die Beschneidung fester Bestandteil der Religion, wie bei Muslimen auch.
Murat Akdag, Muslim und Mitglied des Integrationsrates in Bottrop, fürchtet nun weitreichende Konsequenzen. „Ich glaube, dass jetzt viele Eltern die Beschneidung im Ausland vornehmen lassen werden.“
Eine Gefahr, die auch Professor Martin Meyer-Schwickerath, Leiter der Urologie im Knappschaftskrankenhaus Bottrop, sieht. Denn: „Im Knappschaftskrankenhaus dürfen aufgrund des Urteils keine rituellen Beschneidungen mehr durchgeführt werden“, erklärt er. „Leider“, fügt er hinzu. „Denn jetzt besteht die Gefahr, dass das unprofessionell durchgeführt wird, etwa zu Hause oder im Urlaub.“ Vor allem auf dem Land könnte das dann von Laien vielleicht gar in einem Hinterhof vorgenommen werden.
Gerade um dies zu vermeiden habe die Urologie diese Operation in den vergangenen Jahren häufiger gemacht, schätzungsweise seien 150 Jungen pro Jahr in die Klinik gebracht worden. Weil die Lage nach dem Urteil jedoch noch unklar ist, setzt der Chefarzt darauf, dass sich auch die Politik einschaltet. Denn es sei nicht sicher, ob das Kölner Urteil auch vor einem Bundesgericht Bestand haben wird. Doch aus Sicht des Arztes sei das nicht nur eine juristische Frage, sondern auch eine religiös-ethisch-politische. „Ich denke, hier sind auch Glaubensverbände und die Politik gefragt.“
Sahin Aydin, der für die Linke im Rathaus sitzt, sieht das alles hingegen gelassen. Jeder Muslim oder Alevit solle als Erwachsener darüber selbst entscheiden, sagt er, nicht Eltern für Minderjährige. Ibrahim Sakarya, Vorsitzender des Integrationsrates, wurde als Kind ebenfalls beschnitten. „Als Körperverletzung habe ich das aber nicht empfunden.“ Der Eingriff werde schließlich mit örtlicher Betäubung vorgenommen. Und die Kinder, sagt er, freuten sich auf die Feier, die anschließend stattfinde.
Auch der ältere Sohn von Aysun A., Kerim, freue sich darauf, sagt die junge Mutter. Er soll im Herbst beschnitten werden. Und sie ist zuversichtlich, dass das auch in Deutschland geht. Denn bei Kerim lägen auch medizinische Gründe vor.