Bottrop. . Der eine entlarvt Leute wie Thilo Sarrazin als Nadelstreifen-Extremisten, der andere provoziert die SPD. Die Volkshochschule hat beide eingeladen: Prof. Klaus Ahlheim und der Journalist Götz Aly sind zu Gast beim VHS-Forum. Ihr Thema: Rechtsradikalismus.

Rechtsextreme Terroristen ermordeten Zuwanderer überall in Deutschland. Die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise verunsichert auch die Mitte der Gesellschaft. Nadelstreifen-Extremisten wie Thilo Sarrazin erhielten für ihre fremdenfeindlichen Vorurteile in Buchform lautstark Applaus. Das veranlasst die Volkshochschule ihr Forum zu eröffnen für die Grundsatzfrage: Kann man aus Geschichte lernen?

„Natürlich leben wir heute in einer ganz anderen Gesellschaft“, hält Uwe Dorow, stellvertretender Leiter der Volkshochschule ein Wieder-Erstarken des Faschismus für abwendbar. „Doch es gibt Gefahrenmomente. Wir müssen deshalb im Vorfeld gegensteuern, am besten durch Aufklärung“, rät er.

Als Diskussionspartner bieten sich Wissenschaftler und auch Journalisten an. Der Historiker und Journalist Götz Aly wird sich am Donnerstag, 1. März ab 19.30 Uhr im Quadrat mit der Vorgeschichte des Holocaust befassen und beim VHS-Forum der Frage nachgehen: Warum die Deutschen? Warum die Juden? Und der Pädagoge Klaus Ahlheim, der lange Jahre als Professor für Erwachsenenbildung an der Universität Duisburg/Essen lehrte, stellt keine zwei Wochen darauf am Dienstag, 13. März an gleicher Stelle sozusagen sein Anti-Sarrazin-Buch zur Diskussion.

Der Extremismus der Mitte

Das Schlagwort „Anti-Sarrazin“ ziele nicht so sehr auf die Person des umstrittenen Ex-Bundesbankvorstandsmitgliedes, sondern auf das in dessen Buch vermittelte Gedankengut. „Thilo Sarrazin drückt ja aus, was viele Menschen denken“, sagte Dorow. „Ich bin auch überrascht, wie sehr rechtsradikale Einstellungen in der Bevölkerung vorhanden sind. Studien zeigen, dass 15 bis 20 Prozent ein geschlossenes rechtes Weltbild haben“, bedauerte der stellvertretende Volkshochschulleiter. Prof. Klaus Ahlheim zeige in seinem Buch „Sarrazin und der Extremismus der Mitte“ empirische Befunde zu neuem Nationalstolz, zu Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft auf. Auch für den Berliner Historiker Dr. Götz Aly reichten die Wurzeln des Antisemitismus mitten in die deutsche Gesellschaft. Eine Art Volkscharakterschwäche beschreibt der Journalist, wenn er Gleichheit, Neid und Rassenhass von 1800 bis 1933 ergründet.

Radikales Freund-Feind-Denken

Weil deutsche Juden oft gebildeter und fortschrittsbegeisterter waren, sie als Kaufleute, Unternehmer, Ärzte, Rechtsanwälte, Bankiers oder Journalisten die neuen Berufe ergriffen und so schneller sozial aufstiegen, weckte das Neid und Judenhass bei der deutschen Bevölkerungsmehrheit.

Aly provoziert mit der These, dass die SPD mit ihrer Forderung nach sozialer Gerechtigkeit unfreiwillig den Boden für das radikale Freund-Feind-Denken bereitet habe. Oder wie es der Frankfurter Erziehungswissenschaftler Micha Brumlik in der Wochenzeitung „Zeit“ Götz Aly kritisierend zuspitzt: SPD und Gewerkschaften wollten das Gute und trugen zum Bösen bei.