Bottrop. .
Wenn nachts der Alarm geht, muss die Feuerwehr sofort hellwach sein. Denn was am Einsatzort wartet, weiß niemand im Voraus. Mal schlägt nur ein Brandmelder an, dann wieder ist Rettung in höchster Not angesagt.
Zentimeter schwebt Thomas Pastors Finger über dem Knopf im Armaturenbrett. Die nächste Kreuzung, die nächste rote Ampel und er drückt – Vorfahrt. Neben dem flackernden Blaulicht heult jetzt auch die Sirene durch die Nacht. Anders darf er mit dem Einsatzleitwagen die Kreuzung von Roonstraße und Kirchhellener Straße nicht überqueren. Was ihn und die anderen Feuerwehrleute im Fuhlenbrock erwartet? Er weiß es nicht – während er den Mercedes Sprinter über Lamperfeld und Sterkrader Straße jagt. Die Polizei hat um Unterstützung gebeten, „Verdacht auf hilflose Person hinter einer Tür“, so die Ankündigung. Das kann vieles bedeuten – und so beeilt sich Pastor mit Zugführer Christoph Lang auf dem Beifahrersitz hinter dem Hilfleistungslöschfahrzeug, kurz HLF, zu bleiben. Auf dem sitzen die Spezialisten, gegen die die keine Tür eine Chance hat. Doch das Öffnen der Tür bekommt Lang gar nicht mit. Denn die Ereignisse überschlagen sich: Über Funk kommt die Nachricht, auf der Gildestraße hat ein Brandmelder ausgelöst. Fehlalarm? Das kann niemand sicher sagen. Außerdem gilt sowieso: Jeder Einsatz muss Ernst genommen werden.
Verstärkung von der Ortswehr Altstadt
Pastor wendet den Einsatzleitwagen in der engen Wohnstraße im Fuhlenbrock, schaltet das Blaulicht ein und rast Richtung Bahnhof. Aber der Löschzug ist nicht vollständig. Das HLF ist noch gebunden, denn das Öffnen der Tür ist mindestens ebenso wichtig wie der andere Einsatz. Also wird die Freiwillige Feuerwehr Altstadt alarmiert – sie sollen die Berufsfeuerwehr verstärken. Doch in der Gildestraße ist es ruhig. Es sieht nicht so aus, als brauche hier irgendjemand Hilfe oder gar Verstärkung. Das Kaufhaus steht auch nicht lichterloh in Flammen. Routiniert verschaffen sich Lang und seine Kollegen Zutritt zur Brandmeldezentrale. Ein außen angebrachter Tresor enthält den Generalschlüssel zum Gebäude. In der Zentrale wird schnell klar: Ein Melder bei den Kühltheken hat ausgelöst. Ein Schwelbrand? Der Trupp geht rein, kehrt aber schon bald zurück. Also doch Fehlalarm. Der Druck fällt ab, Abmarsch, zurück zur Wache.
Dort herrscht inzwischen Ruhe – nach bester Jugendherbergs-Art. Ab 22 Uhr ist Ruhezeit, die Feuerwehrleute ziehen sich in den Schlaftrakt zurück. Wobei: Geschlafen wird hier selten. „Wir ruhen“, erklärt Christoph Lang. „Richtig tief schlafen kann man hier nicht, denn es kann jederzeit der Alarm losgehen.“ Doch danach sieht es heute nicht aus. Es scheint eine ruhige Nacht zu werden. „Der Lohntütenball ist immer hart. Gegen Ende des Monats, wenn die Leute nicht mehr so viel Geld haben, wird es ruhiger.“
Direkte Telefonleitung zur Polizei
Gutes Stichwort, denn jetzt wird es auf der Wache aus ruhiger. Nur Dieter Gamerad darf nicht ruhen. Er übernimmt jetzt die Leitstelle – und damit die Verantwortung für eine ganze Stadt – wenn man so will. Wobei, sobald es stressig wird, kommt Verstärkung aus dem Nebenzimmer. Insgesamt teilen sich vier Mann die 24-Stunden-Schicht in der Leitstelle. Nur nachts sitzt hier jemand alleine. Tatsächlich klingelt das Telefon nur noch selten. Um 2.14 Uhr ist es erst wieder so weit – die Leitung von der Polizei. Verstärkung wird angefordert. Es gab eine Schlägerei, ein Verletzter muss versorgt werden. Gamerad weckt die Besatzung eines Rettungswagens. Der Fahrer des Notarztwagens darf weiter ruhen. Ein Arzt wird nicht gebraucht. Ein Blick auf den Bildschirm der Überwachungskamera, das Garagentor öffnet sich, die Besatzung steigt in den Wagen und Gamerad drückt auf den Knopf. Die Ampeln vor der Wache werden rot, der RTW kann düsen. „Ampel passiert!“, kommt der knappe Funkspruch und Gamerad schaltet erneut, jetzt bekommen die übrigen Autofahrer – sofern überhaupt noch jemand unterwegs ist – grün.
Auf einem anderen Monitor kann Gamerad genau verfolgen, in welchem Einsatzstatus die Kollegen gerade sind. Alle Wagen, die er einsetzen kann, sind mit Nummern hinterlegt. Dazu eine Farbe die den Status anzeigt. Der ändert sich gerade – von blau auf rot. Das heißt, die Männer sind am Einsatzort angekommen. Ein Knopfdruck im Wagen und Gamerad sieht, was Sache ist – manchmal auch wichtig als Beweissicherung. Diesmal können die Kollegen den Patienten vor Ort besorgen.
Entscheidung in Sekunden
Beim nächsten Einsatz ist das anders. Schmerzen im Rücken, die in alle Körperregionen ausstrahlen beklagt die Anruferin. Mittlerweile sitzt Stefan Zens in der Leitstelle und entscheidet blitzschnell: Rettungswagen und Notarzt müssen raus. “Verdacht auf Herzinfarkt“, so seine schnelle Folgerung. Entscheidungen, die in Bruchteilen von Sekunden getroffen werden müssen – auch mitten in der Nacht, wenn mancher vielleicht lieber schlafen würden.