Bottrop. .

Eine blinde Bottroperin war auf der Rückreise von der Ostsee. Weil die direkte Zugverbindung ausfiel, musste sie in Hamburg umsteigen. Die zuvor durch den Schaffner versprochene Hilfe blieb aus. Eine Stunde stand die Frau hilflos am Bahnsteig.

Ein paar erholsame Tage in Haffkrug an der Ostsee, so hatte sich Margita Sikora den Aufenthalt bei ihrer Schwester vorgestellt. Seit Jahren besucht die blinde Rentnerin dort ihre Verwandtschaft, seit Jahren nutzt sie die direkte Zugverbindung zwischen Haffkrug und Dortmund.

Hätte sie gewusst, wie sich der Trip in diesem Jahr entwickelt, wahrscheinlich wäre sie zu Hause geblieben. Die Rückfahrt hat ihr den Urlaub gründlich ruiniert. Schuld daran: die Bahn. Denn die direkte Zugverbindung fiel am vergangenen Sonntag aus. Stattdessen musste sie in einen ICE einsteigen und in Hamburg umsteigen – schwierig für die blinde Frau mit Gepäck.

Schaffner hält Zusage nicht ein

Zum Glück habe sich der Schaffner bereit erklärt, ihr zu helfen. Beim Aussteigen hält er dieses Versprechen auch noch. Die Zusage, er werde auch beim Einsteigen in den anderen Zug wieder helfen, hielt er jedoch nicht ein. „Ich stand eine Stunde am Bahnsteig und habe gewartet“, sagt Margita Sikora im Gespräch mit der WAZ. Irgendwann habe sie Angst bekommen. „Ich konnte mich ja gar nicht orientieren in dem Lärm“.

Zum Glück wird ein Reisender auf die hilflose Bottroperin aufmerksam. „Er hat mich zur Bahnhofsmission gebracht.“ Axel Mangat, Leiter der Hamburger Bahnhofsmission: „Wir haben dann im Rahmen unserer Möglichkeiten geholfen.“ Die Mission organisiert eine Reisemöglichkeit in einem Intercity nach Dortmund. Allerdings war der IC überbucht, im letzten Waggon war ein Notsitz für die blinde Reisende frei. Immerhin sei sie, mit andert­halb Stunden Verspätung, noch in Dortmund angekommen, wo ihr Bruder sie erwartet hat.

Die Bahn will sich entschuldigen

In einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der WAZ bedauert die Bahn den Vorfall mit Margita Sikora. Allerdings habe man inzwischen mit dem Zugpersonal gesprochen. Von dem will sich niemand an eine blinde Kundin erinnern. Und angesprochen worden sei man auch nicht. Zumal der Zugchef, so die Darstellung der Bahn, in dem ICE von Lübeck nach Hamburg eigens Plätze in der Ersten Klasse für ältere oder hilfsbedürftige Fahrgäste freigegeben habe. Dort sei niemandem eine blinde Frau aufgefallen, nur ein blinder Herr.

Auch der Ersatzzug von Hamburg nach Dortmund sei mit 15 Minuten Verspätung um 18.01 Uhr in Hamburg abgefahren – von Gleis Acht. Genau dort, wo Margita Sikora mit dem ICE ankam. Weshalb sie nicht habe einsteigen können, wollte bei der Bahn niemand mehr nachvollziehen, zumal sich auch das Servicepersonal am Bahnhof nicht erinnern könne.

Rentnerin will jetzt lieber Bus fahren

Die Bahn „bedauere den Vorfall außerordentlich“, heißt es in der Stellungnahme. Daher würde das Unternehmen gern Kontakt zu Margita Sikora aufnehmen, „um den Vorfall aufzuarbeiten“.

Margita Sikora sagt, sie sei „gesprächsbereit“. Trotzdem könne sie sich derzeit nicht vorstellen, noch einmal allein mit der Bahn zu verreisen. Über künftige Anreisen zu ihrer Schwester hat sich schon informiert: Von Essen nach Hamburg fährt ein Bus. „Dann müsste ich dort abgeholt werden.“