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Wenn Eltern die Früherkennungsuntersuchung bei ihrem Kind versäumen, sind dafür harmlose Gründe verantwortlich - jedenfalls zumeist. Doch die Ausnahmen wiegen aus Sicht des Jugendamtes schwer.

Zehn Jungen und Mädchen, die 2010 den fälligen Termin beim Kinderarzt verpassten, trafen die Mitarbeiter des Jugendamtes bei ihrem darauf folgenden Hausbesuch in desolaten Verhältnissen an; Abteilungsleiterin Kerstin Stiewe spricht von „akuter Gefährdung des Kindeswohls“. Das Jugendamt brachte die Kinder im Alter zwischen drei Wochen und den Vorschuljahren in Sicherheit. Bei den Hausbesuchen fielen weitere 50 Kinder auf, deren Eltern Hilfe benötigten, um ihre Situation zu stabilisieren.

Auf insgesamt 60 Kinder, die unmittelbar Hilfe brauchten oder zumindest unter problematischen familiären Verhältnisse stark litten, wurde das Jugendamt also durch eine verpasste Routineuntersuchung aufmerksam. Hinter jeder zehnten versäumten Früherkennungs-Untersuchung verbarg sich 2010 ein Kind in einer Notlage, rechnet Kerstin Stiewe hoch. Dies ist aus ihrer Sicht eine Quote, die für das 2009 eingeführte Frühwarnsystem spricht: Wenn ein Kind bei einer der neun Untersuchungen fehlt, bei denen Kinderärzte Krankheiten und Fehlentwicklungen vor dem Schulbeginn feststellen können, dann stellt das Landessinstitut für Gesundheit und Arbeit NRW (Liga) dieses Versäumnis per Datenabgleich fest und informiert das Jugendamt.

Die Eltern erhalten zunächst ein Schreiben mit der Aufforderung, den Termin nachzuholen und dies mitzuteilen - 632 dieser Briefe schickte das Jugendamt 2010 ab. Die große Mehrheit der Eltern hat eine plausible Erklärung - Urlaub, Krankheit, Umzug - , bringt ihr Kind zum Arzt, informiert das Jugendamt und ist damit auf der unverdächtigen Seite. Doch 270 Eltern, berichtet Kerstin Stiewe, reagierten 2010 nicht auf die Nachfrage des Jugendamts. Diesen 270 Familien statteten die Mitarbeiter des Allgemeinen sozialen Dienstes (ASD) des Jugendamtes einen Besuch ab, um nach dem Rechten zu sehen. Wobei in 60 Fällen bei den Kindern Anlass zur Sorge bestand.

Dabei können die ASD-Mitarbeiter nicht auf Einlass in die elterliche Wohnung bestehen, sagt Kerstin Stiewe. Sie können alternativ bitten, das Kind an der Tür sehen zu können. Nur in Einzelfällen musste das Jugendamt bisher das Gericht um Hilfe bitten, um sich vom Zustand eines Kindes ein Bild machen zu können.