Bottrop. .

Erwartungsvoll sitzt Theo Kusenberg vor seiner Garage an der Herzogstraße und schaut in den Himmel. Den 85-Jährigen interessieren nicht etwa Wetter oder Flugverkehr, sein aufmerksamer Blick gilt allein seiner großen Leidenschaft: den Brieftauben. Sie können jeden Moment von großer Reise wiederkehren müssten.

Über 400 Kilometer werden die Tiere auf dem Buckel haben, wenn sie den heimischen Taubenschlag im Kalten Eigen nach rund vierstündiger Reisezeit aus dem fernen Ort Berg erreichen. Hochgerechnet ergibt dies eine durchschnittliche Fluggeschwindigkeit von etwa 100 Kilometern pro Stunde – ohne Pause, ohne Unterbrechung und selbstverständlich ohne Navigationssystem oder Straßenkarte.

Dass Kusenbergs liebste Tierchen dennoch den Weg nach Hause finden, begeistert den langjährigen Taubenzüchter und Ehrenvorsitzenden der Brieftauben-Reisevereinigung Bottrop. „Man weiß nicht, warum es so ist, aber dass es so ist, ist einfach spannend“, bringt Kusenberg die Faszination der unglaublichen Orientierung der Vögel auf den Punkt. In der Tat sind die Tauben die Strecken in der Regel noch nie geflogen, dennoch kann man fast die Uhr danach stellen, wann die Ersten eingeflogen kommen und von Kusenbergs Enkel in den Taubenschlag im Dach des Hauses gelotst werden.

Einmal die Woche, samstags oder sonntags, sitzt Kusenberg so vor seinem Haus, den Blick gen Himmel und nicht ohne Sorge um die Tauben; denn auch Verluste gibt es hin und wieder zu beklagen. „Die Greifvögel sind unser ärgster Feind“, erklärt Kusenberg. Auch am vergangenen Samstag lies eine Taube sein Herrchen lange zittern. Ob das Tier sich verirrt oder schlicht eine Pause einlegt hatte? Jedenfalls trudelte es erst mit mehrstündiger Verspätung ein. Das Hobby, einige Züchter sehen es als Sport, kostet indes wesentlich mehr Zeit, als nur das Wochenende. „Morgens und abends bekommen die Tiere täglich Ausflug, einmal am Tag wird der Schlag gereinigt“, erklärt Kusenberg, dass er am Tag mehrere Stunden aufwenden muss, wobei sowohl Ehefrau Helga als auch Enkel Bastian Kessels fleißig mithelfen.

Spitzentaube „Euro“

Trotz fünf Preisen, die Kusenberg am Samstag gewann, war er nicht wirklich zufrieden. Es gab Zeiten, schwelgt er in Erinnerungen, da war eine Taube überregional bekannt, heute ist diese nicht mehr aktiv und nur noch als Prachtexemplar in seiner Voliere zu bewundern. „Euro“ taufte Kusenberg sie, aufgrund der großen Erfolge, die sie hatte.

Viel wichtiger sei aber immer, alle Tierchen am Ende des Fluges wieder im Schlag zu haben. Erst dann lege sich die Nervosität und Anspannung, die die ganze Familie erfasst, wenn die kleinen Tiere auf große Reise gehen.