Einige Jugendliche lernten jetzt kennen, was es heißt, ein Kind versorgen zu müssen. Puppen mit einem Chip verlangten fast rund um die Uhr für mehrere Tage ihre Fürsorge.

Liebevoll streichelt Paulina „ihrem“ Baby über den Kopf. Die braunen Knopfaugen haben es der 15-Jährigen angetan. Als das Kleine plötzlich zu weinen beginnt, hat die Schülerin das Fläschchen schon parat. „Ein bisschen traurig bin ich doch, wenn ich es heute abgeben muss“, stellt Paulina fest.

Andererseits ist sie ganz schön geschafft von den zwei Tagen Mama-Sein auf Probe. Ihr Baby, eine Puppe mit integriertem Computerchip, hat sie in den vergangenen Tagen so richtig auf Trab gehalten. Mindestens einmal in der Stunde verlangte es nach Milch, trockenen Windeln oder Aufmerksamkeit, auch nachts - eine wichtige Erfahrung für Paulina und ihren 16-jährigen Freund Dennis. Als eines von zwei Paaren und insgesamt zwölf Teilnehmern wagten die beiden Teenager das „Projekt: Baby!“, das aktuell in den Abschlussklassen der Adolf-Kolping-Förderschule im Auftrag von Welle e.V. durchgeführt wurde.

Paulinas Bilanz nach 48 Stunden Muttersein ist eindeutig: „Es hat Spaß gemacht. Aber ein Kind muss jetzt wirklich noch nicht sein. Vielleicht in zehn Jahren.“

Eine von vielen Erkenntnissen, die Projektleiterin Kathrin Schinski sehr begrüßt: „Aber eigentlich geht es hier nicht um das Kinderkriegen an sich“, erklärt die Diplom-Sozialpädagogin, „sondern um eine bewusstere Lebensplanung der jungen Leute.“ Die Teenies sollten keineswegs abgeschreckt aus dem Projekt gehen: „Die Entscheidung für ein Kind soll bewusst und zum richtigen Zeitpunkt zu fallen.“

Radikal verändert

Marvin beim Wickeln
Marvin beim Wickeln © WAZ FotoPool

Schulleiterin Ina Heckmann hat mehrfach erlebt, wie sich das Leben einiger ihrer Schüler durch eine ungewollte Schwangerschaft plötzlich und radikal veränderte. Sie weiß, warum ein solches Projekt gerade für ihre Schüler so wertvoll ist: „Frühe Schwangerschaften entstehen meist aus zwei Gründen: Erstens aus Unwissen, zweitens aus Perspektivlosigkeit.“ Und mit dieser hätten gerade Förderschüler oft zu kämpfen. „Vielen bleibt ein Ausbildungsplatz nach der Schule erst einmal verwehrt, bis sie Fördermaßnahmen oder das Berufskolleg besucht haben.“

Weil gerade solche Aussichten Ratlosigkeit schaffen, stand am Anfang des Projekts für die Jugendlichen erst einmal die Frage: „Wo sehe ich mich in zehn Jahren?“

Konzepte schaffen und Augen öffnen – so könnte man die Ziele des Projekts formulieren. Deshalb wurden im Blockunterricht im Rahmen des Projektes auch die Themen verlässliche Partnerschaft, Verhütung sowie Finanzen und finanzielle Belastungen durch ein Kind ausführlich behandelt. „Außerdem können wir die Daten des Computerchips in den Puppen auswerten und sehen, wie sich die jungen Eltern im Umgang mit ihren Schützlingen geschlagen haben, um das dann gemeinsam zu diskutieren.“