Bottrop / Essen.
Wollen Sie mit uns sprechen“, fragt Richterin Luise Nünning den Angeklagten aus Bottrop. „Nein“, antwortete der 57-Jährige freundlich.
Er steht vor dem Essener Landgericht, weil er seine zur Tatzeit zwölf- bis 14-jährige Stieftochter in der ehelichen Wohnung in Eigen sexuell missbraucht haben soll. Von 16 Vorfällen zwischen 2002 und 2004 spricht Staatsanwältin Kati Nothdurft in der Anklage.
Ein Urteil gibt es noch nicht. In geschlossener Sitzung bleibt die Stieftochter bei ihren Anschuldigungen. Ein psychiatrischer Gutachter wird nun die Schuldfähigkeit des Angeklagten untersuchen, so entscheidet die Kammer.
Wenn die Mutter im Garten arbeitete, soll der 57-Jährige sich häufig dem Mädchen in ihrem Zimmer genähert haben. Die Anklage beschreibt eine Szene, in der er seine sexuellen Übergriffe damit begann, dass er der Stieftochter den Rücken massierte und den Bauch kraulte. Dazu schweigt der Angeklagte. Bereitwillig spricht er dagegen über seinen bisherigen Lebensweg, berichtet, dass er 1999 in zweiter Ehe die Mutter von drei Kindern geheiratet habe. „Ich bin jetzt wieder Junggeselle“, sagt er, inzwischen geschieden, locker.
Eindringlich redet Richterin Nünning ihm ins Gewissen, macht ihm klar, wie wichtig es für die heute 20-Jährige wäre, wenn er zu den Vorwürfen steht, falls sie stimmen. „Es wäre Ihre moralische Pflicht“, erklärt sie und nennt ihm auch Vorteile: Bei einem Geständnis, das dem Opfer die Aussage erspart, gewährt die Kammer oft ein Drittel Abschlag von der zu erwartenden Strafe.
Auch die intensive Beratung mit Verteidiger Pilz bringt den 57-Jährigen nicht zum Reden.
Die Stieftochter hatte sich erst nach sechs Jahren zur Anzeige entschlossen. Im Zusammenhang mit Unterhaltsforderungen der Mutter an den Stiefvater offenbarte sie sich der Anwältin.