Bottrop.

Mit großer Erregung reagiert die Öffentlichkeit auf Berichte über den ungebremsten Alkoholkonsum Jugendlicher. Joachim Jahry vom Jugendhilfe-Verein will das Bild gerade rücken: „Sie trinken nicht mehr als früher, aber sie tun es öffentlich.“

Und fallen daher öfter unangenehm auf. Die Gründe dieses Verhaltens haben Jugendforscher untersucht, die bei einer Fachtagung auf Arenberg Fortsetzung ihre Resultate erläuterten.

Der öffentliche Raum, in dem sich Kinder und Jugendliche ungestört und unbeobachtet bewegen können, ist knapper geworden, sagt Joachim Jahry. Wenn Jugendliche ihre Lebenswelt in einen öffentlichen Raum - eine Grünanlage, einen Platz in der City - hineintragen, sich diesen Raum aneignen, dann sind Konflikte mit erwachsenen Nutzern dieses Ortes programmiert. Die Herausforderung liege darin, so Jahry, diesen Konflikt zu beherrschen.

Für Erwachsene ist von außen nicht erkennbar, was sich abspielt, wenn junge Leute öffentlichen Raum in Besitz nehmen. Dort spielen sich informelle Bildungsprozesse ab, fasst Jahry die Forschungsresultate zusammen: Er nennt es „wildes“ Lernen, in dem auch soziales Verhalten ausprobiert und gelernt wird, und dieser Prozess ist aus Sicht der Pädagogen nichts Ungewöhnliches. Verändert hat sich allerdings im Vergleich zu früher der Ort des Geschehens, denn er ist nun öffentlich. Jahry erkennt auch einen Zusammenhang mit der Entwicklung, Privatleben öffentlich zur Schau zu stellen - sei es bei Facebook, beim Public Viewing oder im Fernsehen.

Jugendlichen stehen heute mehr Erlebnis-Möglichkeiten offen, ihre Welt ist vielfältig und komplex - hinzu kommt der für sie wichtige virtuelle Raum, verkörpert durch Computer und Handy. „Sie haben viele Freiheiten und müssen lernen, damit umzugehen“, sagt Jahry. „Es ist unheimlich wichtig, dass Eltern klare Regeln setzen.“ Aus seiner Sicht ist eine Voraussetzung unabdingbar, damit Regeln akzeptiert werden: „Die Beziehung zwischen Eltern und Kind muss stimmen.“

Exzessiver Alkoholkonsum folgt aus Sicht der Jugendforscher dem Prinzip, dass ein Jugendlicher Grenzen überschreiten muss, um sie kennen zu lernen. Viele der befragten Jugendlichen verfolgten selbst das Ziel, kontrolliert mit Alkohol umzugehen. Festgestellt wurde auch, dass viele Jugendliche den Kontrollverlust unter Kontrolle haben wollen: Ein Freund verspricht, auf den Jugendlichen zu achten, wenn dieser alkoholbedingt ausfällt. Erschwerend kommt in diesem Zusammenhang hinzu: „Junge Männer müssen oft begründen, warum sie in einer Gruppe nicht trinken.“