Bottrop. .
Justus Frantz dirigierte unter dem Tetraeder. Am Himmel zogen schwarze Wolken auf. Das Orchester spielte Richard Wagners Ritt der Walküren. Dann brach mitten im Konzert das Gewitter los.
„Musiker, Zuhörer, alle wurden klatschnass“, erinnert sich Stadtsprecher Andreas Pläsken, „ich werde das im Leben nicht vergessen“.
Der Auftritt der Musiker um Frantz ist Teil der Erfolgsgeschichte, die sich um das Tetraeder auf der Halde an der Beckstraße rankt. Um Weitblick geht es in dieser Story, weil Tausende den Ausblick vom höchsten Bauwerk der Stadt aus genießen - und weil die Erfinder der Pyramide von Bottrop trotz aller Proteststürme an ihr festhielten.
Eine Brücke führt zum Biergarten
„Ich kann mich gut daran erinnern, wie wir das Projekt für die Internationale Bauausstellung in den neunziger Jahren gegen heftige Anwürfe verteidigen mussten“, sagte Pläsken. Das Geld für das Stahlgebilde wäre vergeudet, unkten viele Kritiker, mit einer solchen Kopfgeburt könnten die Menschen nichts anfangen.
„Heute ist das Tetraeder das Wahrzeichen der Stadt und ein Symbol für das Ruhrgebiet“, sagte Pläsken, „es ist der Identifikationspunkt geworden, den wir uns versprochen haben“. So drängten sich nicht erst bei der Schachtzeichenaktion der Kulturhauptstadt am Pfingstwochenende die Besucher dicht an dicht auf dem Aussichtsturm, um die gelben Ballons über alten Bergbauschächten sehen zu können; an jedem Silvester begrüßen unzählige Menschen aus dem Ruhrgebiet auf der Halde das neue Jahr - und auch in den Nächten der Industriekultur ist sie ein Anziehungspunkt. Bei der kommenden Extraschicht erwartet Martina Rudziok, Geschäftsführerin der Gesellschaft für Stadtmarketing, wieder unzählige Besucher. „Der Ort ist charmant, das hat sich vor zwei Jahren gezeigt, als er Drehscheibe in der Nacht der Industriekultur war, und wir hoffen, dass dies nun auch so sein wird, weil die Extraschicht ja in Bottrops Local-Hero-Woche der Kulturhauptstadt fällt“, sagte sie.
Wenige Bänke und viel Ödnis
Bei vielen Touristen sei ein Aha-Effekt zu erleben, wenn sie das Tetraeder sehen. Der Aussichtsturm aus Stahlrohren wirke aus der Ferne leicht und scheine über der Stadt zu schweben. „Vor allem nachts, da entfaltet ja die Lichtinstallation des Düsseldorfer Künstlers Jürgen LIT Fischer seine ganze Wirkung“, meint Stadtsprecher Pläsken.
Etliche Spielfilmsequenzen wurden unter dem Tetraeder aufgenommen, Firmen präsentierten vor der Pyramide ihre Nobelautos, und für viele Reisemagazine sei der Aussichtsturm ein beliebtes Motiv. Dabei sei es für Besucher nicht so leicht, den Gipfel zu erreichen. „Man muss sich das schon erarbeiten“, meint Martina Rudziok, „das Tetraeder steht auf einer Halde. Da muss man erst einmal hinauf“. Und trifft dann unter der Pyramide auf wenige Bänke und viel Ödnis, die der Tetraeder-Erfinder dort genau so haben will. Doch erstens gibt es jetzt ja die Wasserstoffbusse, mit denen Touristen zum Gipfel fahren können, und zweitens eine Brücke zur benachbarten Halde. Darauf finden Wanderer und Radfahrer den höchsten Biergarten des Ruhrgebietes.