Bottrop.

. Die „Route der Wohnkultur“ zeigt im Kulturhauptstadtjahr an 60 ausgewählten Beispielen die Architektur und Alltagskultur der Region. Dabei ist Bottrop mit zwei markanten Bauwerken vertreten.

Die Bottroper Gebäude entlang der „Route der Wohkultur“ repräsentieren jeweils auf eigene Weise den Wohlstand ihrer Bauherrn und die Formensprache ihrer Zeit: Einem mehrstöckigen Backstein-Wohnhaus, das der bekannte Architekt Josef Franke 1926 an der Luise-Hensel-Straße errichtete, und der Villa Dickmann an der Bogenstraße.

Die beiden Häuser bieten keine typischen Wohnbeispiele für die vom Bergbau geprägte Stadt, und die Auswahl, getroffen von den Verantwortlichen der Kulturhauptstadt, hat Thorsten Kastrup auch verwundert: „Ich hätte gern auch andere Häuser gezeigt.“ Der Mitarbeiters der Unteren Denkmalbehörde hatte u. a. die Gartenstadt Welheim und Siedlungen in Ebel vorgeschlagen. Teilbereiche der denkmalgeschützten Bauten werden für Besucher an vier Wochenenden im September geöffnet. Während Architekt Norbert Verführt, Besitzer der Villa Dickmann, die Etagen modernisiert hat, ist im Franke-Bau an der Luise Hensel-Straße trotz baulicher Veränderungen manches erhalten geblieben. Eigentümer Sebastian Stöber bereitet für den September eine Ausstellung vor, die das vielfältige Schaffen des Architekten Josef Franke würdigen soll.

Backstein-Expressionismus im Ruhrgebiet

Hausbesitzer Stöbers Ur- und Großvater waren 1926 die Bauherrn, die sich eine repräsentative Stadtvilla leisten wollten und konnten: Großvater Dr. Josef Nuphaus gehörte als einer von drei Notaren der dünnen Oberschicht der jungen Stadt Bottrop an.

Die Fassade des dreigeschossigen Bauwerks bietet mit den zu mustern gesetzten Steinen ein Beispiel für den im Ruhrgebiet häufigen Backstein-Expressionismus jener Jahre Architekt Franke legte i zwei Eingänge für Privaträume und Kanzlei an. Die Wohnräume sind so großzügig dimensioniert, dass auch beim Tanztee keine Engpässe entstanden; eine Etage umfasst 120 qm. 85 Jahre später bildet dieser Zuschnitt ein echtes Hemmnis für Vermietungen, erklärt Stöber, und daher wurden Zwischenwände eingezogen. „Als Kind habe ich die Schönheit des Hauses für selbstverständlich gehalten“, erklärt er. Heute weiß er um ihren seltenen Wert, wenn ihn auch die Heizkosten für die hohen Räume ärgern. Franke plante große Fenster ein, der Boden im ersten Stock ist mit Parkett ausgelegt, für Treppengeländer, Türen und Rahmen wurde Eichenholz eingesetzt. Ein Klingelsystem verband jeden Raum mit der Küche im Obergeschoss.

Die bekanntere Villa Dickmann wurde von 1901 bis 1903 von der „Frau August Dickmann GmbH“ gebaut, die seit 1868 den für die Stahlproduktion benötigten Formsand aus einer Grube auf eigenem Gelände am Donnerberg gewann. Darüber hinaus liefert die Dickmann GmbH Material für den Straßen- und Bahndammbau. Die Geschäfte in der aufstrebenden Industrieregion hatten sich gut entwickelt, und auf dieser Basis entstand die ausladende Gründerzeit-Villa, die Thorsten Kastrup als „groß, üppig und repräsentativ“ kennzeichnet. Den eigenwilligen Baustil kennzeichnen unterschiedliche Einflüsse: Neugotik und Jugendstil, „Historismus ist auch dabei“, meint Kastrup. Der Stil englischer Landhäuser soll als Vorbild gegolten haben für ein Fabrikanten-Domizil, das heute als Sehenswürdigkeit gilt.