Stell dir vor es ist WM und keiner schaut zu - etwa am heutigen Freitag, 13.30 Uhr. Während die meisten Fans um diese Zeit noch im Büro sitzen, laufen Jogis Jungs zum zweiten Arbeitseinsatz auf.
Wer frühzeitig Urlaub eingereicht hat, braucht sich keine Sorgen zu machen. Alle anderen müssen auf die Kulanz des Chefs hoffen. Und in einigen Berufen wird, Fußball hin oder her, schlicht weitergearbeitet.
„Der Herzinfarkt wartet nicht, ob das Spiel vorbei ist, und auch Brände müssen gelöscht werden“, betont Heinz-Jürgen Banner, Leiter der Feuerwehr in Bottrop. Zwar stehe im Sozialraum der Feuerwache ein Fernsehgerät, er bezweifelt allerdings, dass seine Kollegen Zeit haben, die Spielszenen zu verfolgen.
Auch die Polizei pausiert nicht. Der eine oder andere wird aber beim Public Viewing zum Einsatz kommen - und darf somit auch die Nationalelf observieren. „Es gibt keine Statistik darüber, dass während der Deutschlandspiele weniger Unfälle passieren als sonst. Aber auf den Straßen ist es natürlich ruhiger“, erklärt Michael Pillipp von der Polizeipressestelle. Dass die Deutschen erneut gewinnen, ist für ihn übrigens klare Sache. 3:1 tippt der Ordnungshüter.
Für alle, die die Gunst der Stunde nutzen wollen und keine schwarz-rot-goldenen Hemden brauchen, können ja im Modehaus Mensing vorbeischauen. Doch auch hier geht’s nicht ohne TV. Zwischen Hosen und T-Shirts steht der Flachbildschirm, eingerahmt von Fußballschuhen und Fähnchen. Dass die eher auf Halbmast hängen, hat aber wohl nichts zu bedeuten. Wer nun allerdings glaubt, dass die Mitarbeiter 90 Minuten lang Fußballpause haben, irrt. „Das ist eher etwas für unsere Kunden, die Shoppen gehen und trotzdem den Zwischenstand wissen wollen“, erzählt Ralf Rosenkranz, Teamleiter Herrenbekleidung, lächelnd.
Bei „MC Bauchemie“ müssen die Kollegen aus dem gewerblichen Bereich vorarbeiten - immerhin bekommen sie die Gelegenheit, zwei Stunden früher ihren Dienst zu beginnen, um pünktlich zum Anpfiff zu Hause zu sein.
Ähnlich großzügige Regelungen gibt es auch bei der Stadt. „Geglotzt“ wird in den Amtsstuben nicht, noch nicht mal die Dezernenten werden die Übertragung gucken, dabei hätten die sogar einen Fernseher in ihren Büros stehen. Es dürfen aber Überstunden abgebaut werden. Oder die Mitarbeiter verabschieden sich in die Pause und melden sich via Stempelkarte vom Dienst ab. „Es gilt aber auch bei der Stadt: Dienst ist Dienst“, wie Ulrich Schulze, stellvertretender Pressesprecher der Stadt, sagt.
„Es wäre natürlich eine tolle Teambuilding-Maßnahme, wenn wir mit allen Mitarbeitern das Spiel gucken könnten. Doch das geht bei uns aus produktionstechnischen Gründen nicht“, bedauert Frank Kremer von der RAG. Ein weiterer Grund: Es wäre unfair, wenn die Kollegen unter Tage schuften müssten und die anderen das Match verfolgen könnten. „Wir haben aber schon im Vorfeld bemerkt, dass Dienste getauscht wurden, und einige haben Urlaub genommen.“ Kremer träumt schon ein neues Sommermärchen: Die Regelung gelte bisher. Vielleicht biete sich ja noch eine Gelegenheit zum gemeinsamen Schauen, wenn Deutschland erstmal im Finale steht.