Kurt Küther ist einer der letzten Arbeiterdichter des Ruhrgebiets. Den 80-Jährigen hat die Literatur nicht losgelassen

„Ich hab einige überlebt”, weiß Kurt Küther. Er sagt dies ohne Trauer, es ist eine nüchterne Feststellung, die keinem erspart bleibt, der das 80. Lebensjahr erreicht hat. Überlebt hat er nicht nur Schriftsteller-Kollegen wie Max von der Grün und Josef Büscher, sondern auch die große Zeit der Literatur der Arbeitswelt, deren letzter Repräsentant er wohl ist. „Wer schreibt denn heute noch? Es wächst nichts nach. Die Leute haben auch keine Lust am Lesen mehr.” Auch diese Bemerkung klingt nicht bitter. Sentimentalität liegt ihm fern, dafür ist der ehemalige Bergmann zu pragmatisch.

„Ich bin schon 25 Jahre Rentner. Das kann man gut aushalten”, erklärt Küther zufrieden. Er quillt über von Geschichten und Anekdoten aus seinem reichen Leben, er spricht lebhaft und gern wie einer, der was erlebt und zu sagen hat. „Ich werd immer vergessen”, stellt er fest, was in dieser Absolutheit nicht stimmt. Aber vor kurzem erschien in einer Zeitung ein Bericht über Ruhrgebiets-Literatur, und sein Name fehlte. Macht nichts, meint er, aber wie zum Schutz vor dem Vergessenwerden blättert er gern in Lyrikanthologien, eigenen Bänden, in Zeitschriften, Schulbüchern, er vergewissert sich seiner literarischen Existenz und seines Stellenwerts als sozialkritischer Autor. Auf der linken Seite im Lyrikband ein Küther-Gedicht, rechts Dürrenmatt - das gefällt ihm. Küther zitiert seinen Enkel: „Opa, bist du berühmt?” „Berühmt nicht, aber bekannt”, antwortet der 80-Jährige dann.

Für diese Bekanntheit ist im Wesentlichen der 1973 veröffentlichte Lyrikband „Ein Direktor geht vorbei” verantwortlich, wenige Jahre später folgte „Doppelt zählt jeder Tag - Gedichte und Prosa eines Ruhrkumpels.” Gewerkschaftszeitungen wie „Die Einheit” druckten seine Gedichte ab, Küther sah es gern. „Ohne die Gewerkschaft hätte ich nie geschrieben.”

Aber von der IG Bergbau war 1929 bei seiner Geburt in Stettin noch keine Rede. Küther gehört zu den Männern seiner Generation, die durch den Krieg entwurzelt wurden und im Ruhrgebiet eine neue Heimat fanden - angelockt vom guten Verdienst im Bergbau. Darüber berichtet Küther in „Ich hörte davon: Hier verdient man gut”. 1948 kam er nach Bottrop und fand Arbeit als Hauer auf der Zeche Welheim. Unterhaltsam war die Arbeit nicht, er hatte viel Zeit zum Denken. „Da kam ich mit den fertigen Gedichten im Kopf nach Hause.”

Der schreibende Bergmann erlebte den Alltag auf vier Zechen. Der DGB vermittelte ihm 1968 ein Stipendium für die Dortmunder Sozialakademie. Eine Zeitlang, meint er rücklickend, hätte ihn die IG Bergbau gern als Redakteur ihrer Zeitschrift gesehen, doch daraus wurde nichts.

Der Arbeiterdichter Josef Büscher und der von Küther geschätzte IG Bergbau-Bildungssekretär Walter Köpping vermittelten ihm Kontakt zur Dortmunder Gruppe 61, der er sich von 1963 bis 1969 anschloss. In Gelsenkirchen war er ab 1970 Mitglied der literarischen Werkstatt Hugo Ernst Käufers, seit 1977 Leiter der Stadtbibliothek und maßgeblicher Förderer der Literatur der Arbeitswelt.

Küther wollte nie sein Leben nur auf der Schriftstellerei aufbauen. „Ich habe rechtzeitig erkannt, dass man mit dieser Art Literatur kein Geld verdienen kann.” Aber man wird bekannt – ein bisschen.