Bottrop-Kirchhellen. Die Landwirte in Bottrop-Kirchhellen beteiligen sich an bundesweiten Protestaktionen. Geplant sind Traktor-Demos, aber auch Info-Veranstaltungen.
Die Bilder von protestierenden Bauern, die vor Weihnachten mit ihren Landmaschinen vor dem Brandenburger Tor in Berlin standen, haben die meisten noch vor Augen. Aber die Proteste gegen die Sparpläne der regierenden Ampel-Koalition sollen weitergehen. Diese Pläne sehen im Kern vor, dass künftig der Agrar-Diesel höher besteuert wird und für Landmaschinen Kfz-Steuern gezahlt werden müssen.
Deutschlandweit wollen Bauern und betroffene Berufsgruppen in einer Aktionswoche zwischen dem 8. und 15. Januar dagegen auf die Straßen gehen, aber auch mit der Bevölkerung wie Politikern ins Gespräch kommen. Auch die Landwirte aus Kirchhellen und Umgebung werden sich daran beteiligen.
In welcher Form der Protest in Kirchhellen und Bottrop stattfindet, das sei bislang noch nicht klar, sagt Ansgar Tubes. Der Diplomingenieur ist landwirtschaftlicher Dienstleister aus Kirchhellen, hat früher selbst einen Hof bewirtschaftet und weiß als Vorstandsmitglied im Verein „Land schafft Verbindung“ (LsV) in NRW, wovon er spricht. „Ich bin aber definitiv in Berlin mit dabei“, so Tubes.
Vieles ist drin – von der Trecker-Sternfahrt bis zu Infoveranstaltungen
Aktionen seien aber auch hier geplant. Es könne eine Sternfahrt in die größeren Städte sein, wie im November 2019 schon einmal nach Essen, oder auch Traktorkundgebungen in der Fläche. Am 10. und 12. Januar könnte es Aktionen in den Innenstädten geben, bei denen die Landwirte versuchen, einmal mit den Verbrauchern, sprich den Bürgerinnern und Bürgern, aber auch mit Politikern vor Ort ins Gespräch zu kommen.
Die Stoßrichtung dabei sei klar: Es gehe ja nicht bloß um die Diesel- und Kfz-Steuer, die das Fass jetzt zum Überlaufen brachte. Die derzeit geltende Beihilfe von 21,48 Cent pro Liter soll gestrichen werden. Bislang steuerbefreite Fahrzeuge, auch nicht-motorisierte, sollen besteuert werden. Dazu hänge die Erhöhung des Mindestlohns auf 12,41 Euro deutsche Landwirte im europäischen Kontext erneut weiter ab. In Spanien beispielsweise betrage der Mindestlohn nur etwa die Hälfte.
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Auch die jüngste Erhöhung der Lkw-Maut trifft die Landwirte, die ihre Erzeugnisse ja zum Handel und Verbraucher bringen müssten. Natürlich werde das umgelegt auf die Kunden, aber auch die Landwirte, prognostiziert Tubes. Dass sich also auch Spediteure und deren Beschäftigte an den Protesten beteiligen werden, wie der Deutsche Bauernverband (DBV) jetzt mitteilte, ist für Tubes nur folgerichtig.
Landwirte: Zusätzliche Steuerbelastung ist inakzeptabel
Auch für Hubertus Beringmeier steht fest: „Gemeinsam kämpfen wir für Steuererleichterungen bei Agrardiesel und Kfz-Steuer, die für unsere Betriebe bei der Nahrungsmittelproduktion unerlässlich sind“, so der Präsident des Landwirtschaftsverbandes Westfalen-Lippe. „Die Bundesregierung muss sofort einlenken. Wir fordern die Rücknahme der Pläne der Ampel-Koalition und einen Schutzstatus für unsere heimische Landwirtschaft, die von zentraler Bedeutung für die Lebensmittelsicherung ist“, sagte er.
Die drohende zusätzliche Steuerbelastung von fast einer Milliarde Euro sei inakzeptabel und überproportional. Sie schwäche die hiesige Landwirtschaft im internationalen Wettbewerb erheblich, so Beringmeier.
Ein Prozent der Bevölkerung soll für zehn Prozent der Haushaltseinsparungen sorgen
Ansgar Tubes sagt: Erst schaffe die Ampel durch eigene Unfähigkeit ein riesiges Loch im Bundeshaushalt, dann sollen die Landwirte, die ein Prozent der Bevölkerung ausmachten, rund zehn Prozent der Einsparungslast tragen. Ein schlechter Scherz auf Kosten der Bauern. So formuliert es der LsV auch in einer Pressemitteilung.
Für die beiden gänzlich unterschiedlich aufgestellten Kirchhellener Landwirte Burkhard Sagel und Martin Steinmann sind diese jüngsten Pläne des Bundes nur die Spitze eines Eisbergs einer fehlgeleiteten Landwirtschaftspolitik, wie Sagel es formuliert. Es gebe weder eine Verbesserung für Biohöfe noch für konventionell arbeitende Betriebe. „Das Problem ist ein Landwirtschaftsminister, der nicht mit uns spricht.“ Für ihn als den kleinsten Vollerwerbsbetrieb im Ort bedeuteten die neuen Regelungen, durch die man in Berlin sparen wolle, 3500 Euro weniger im Jahr.
Landwirt aus Bottrop-Kirchhellen: Stehen mit dem Rücken zur Wand
Eine Summe, die auch Landwirt Frederik Steinmann als guten Durchschnitt in der Region bestätigt. Die Sternfahrt oder Traktor-Demos in der Fläche durch die hiesigen Landwirte werde es wohl geben, neben anderen Aktionen. Aber die Planungen liefen noch. Und ja, auch er werde dabei sein. Letztlich seien es nicht nur die aktuell geplanten Kürzungen, sondern die große Summe der „Kleinigkeiten“, die die Landwirtschaft immer mehr zum Verlierer mache, so Frederik Steinmann.
Das reiche von Flächenstilllegungen über neue Düngeverordnungen bis hin zum Bürokratieaufwand, den Kleinbetriebe kaum noch stemmen könnten. „Dabei sind wir alle langfristig am Erhalt unserer Grundlagen, der Umwelt, dem Boden und unseren Betrieben interessiert, die zum Teil schon Jahrhunderte in Familienbesitz sind.“
Martin Steinmann, der den Olympiahof als größten Milchbetrieb im Ort mit rund 1000 Tieren bewirtschaftet, sieht in den immer größeren Lasten, die den Höfen aufgebürdet würden, auch eine fehlende Wertschätzung der Landwirtschaft seitens der Politik.
Wenn einerseits Erleichterungen wegfielen, dann woanders an der Preisschraube gedreht würde, stehe der Bauer am Ende nicht nur mit wegfallenden Subventionen, sondern auch wieder mit geringeren Preisen für seine Produkte da. „Wir auf unserem Hof können nichts anderes als Milch, wenn dann Molkereien und Handel die Preise drücken, weil auch woanders wieder die Abgaben steigen, stehen wir mit dem Rücken zur Wand.“
Lebensmittelproduktion sollte nicht anderen überlassen werden
Steinmann werde auf jeden Fall an Aktionen teilnehmen und unterstützt wie auch Burkhard Sagel den Protest vor Ort. Sagel weiß: „Es gibt insgesamt betrachtet immer die, die ganz vorne aktiv dabei, andere, die resignieren und meinen, Protest macht keinen Sinn. Die dritte Gruppe sind die, die sich kleinere Betriebe, die aufgeben, unter den Nagel reißen.“ In Kirchhellen sei das Gros der Landwirte aber bei den Kämpfern und die Bauernschaft „ticke“ insgesamt ziemlich ähnlich.
Am Ende könne es sein, dass die Politik durch so ein Vorgehen gegen die eigenen Bauern die hiesige Lebensmittelproduktion anderen überlasse, wo oft gar nichts kontrolliert werde, sind sich die Bauern einig. Dann wäre man ernährungsmäßig ähnlich abhängig, wie vor dem Ukraine-Krieg vom russischen Gas. Das könne wohl niemand wollen.