Bottrop. Die Galerie Böckenhoffstraße 7 steht für Kultur, das marode Gebäude unter Denkmalschutz. Die Behörde ist alarmiert. Das plant der Eigentümer.

Die Galerie 7 an der Böckenhoffstraße ist nicht irgendein Kulturort in der Stadt, sondern einer mit Tradition. Trotz der etwas versteckten Lage im Hinterhof der Hausnummer 7 erinnern sich gerade auch etwas ältere Bottroperinnen und Bottroper an Biby Wintjes, den damaligen „Papst“ der Gegenkultur, der dort seine Kultzeitschrift „Ulcus Molle“ produzierte. Aber auch der Autor Artur K. Führer betrieb lange Jahre in dem denkmalgeschützten Gebäudekomplex seine Schreib- und Literaturwerkstatt.

Vor sieben Jahren übernahm Bettina Döblitz die beiden Räume. Seither gibt dort Lesungen, Konzerte und wechselnde Ausstellungen. Die Tage dafür sind allerdings gezählt. Zum 30. Juni muss Döblitz das Domizil verlassen. Es soll saniert werden. Das habe sie per Email erfahren. Und: Im Winterhalbjahr können ohnehin keine Veranstaltungen stattfinden, denn das Gebäude lässt sich kaum heizen.

Zur Grundfeuchtigkeit dieses früheren Handwerkskomplexes mit Wohnhaus an der Straße und dahinter liegenden ehemaligen Wirtschafts- und Werkstattgebäuden kommen seit längerer Zeit Wasserschäden. Nicht alle Gebäudeteile verfügen über Stromanschlüsse, Obergeschoss und hintere Gebäude sind seit einiger Zeit fest verrammelt. „Da kommt nur der Hausmeister rein, wir alle haben daher noch nicht einmal Zugang zu unseren Stromzählern“, sagt Bettina Döblitz.

„Wir“, das sind die Wohnungsmieterin im Vorderhaus sowie eine weitere Künstlerin, die wie Döblitz dort ihr Atelier hat. Noch. Ehemalige Mieter wie Dieter Drewes und Hans-Günter Masa haben sich längst von ihren Ateliers im Obergeschoss verabschiedet und arbeiten anderswo.

Feuchtigkeit und fehlende Sanitäranlagen setzen Gebäude und Mietern zu

„Verständlich“, findet Bettina Döblitz. Denn die Bedingungen seien im Laufe der letzten Jahre immer schwieriger geworden. Erst habe man die Toilette nicht mehr nutzen können, die inzwischen entfernt worden sei. Das „Örtchen“ befindet sich nun im Anbau des Haupthauses auf dem Hof. „Dafür ist dort aber kein Strom, wir behelfen uns mit Batterielampen oder Kerzen“ sagt die Veranstalterin und Autorin, die schon mit Artur K. Führer zusammenarbeitete.

Von der Straße gesehen wirkt der Gebäudekomplex mit dem kleinen Wohnhaus eher unscheinbar. Clou der Galerie 7 ist der malerische Innenhof mit Fachwerkoptik und der hölzerne Balkon im Obergeschoss.
Von der Straße gesehen wirkt der Gebäudekomplex mit dem kleinen Wohnhaus eher unscheinbar. Clou der Galerie 7 ist der malerische Innenhof mit Fachwerkoptik und der hölzerne Balkon im Obergeschoss. © Funke Foto Services | Thomas Gödde

Bilder in der Galerie nimmt sie inzwischen von fast allen Wänden. „Es ist so feucht, da wellt sich alles oder es schimmelt“, so Döblitz. Dass jetzt überhaupt etwas geschehen soll, ist wohl der Unteren Denkmalbehörde zu verdanken. Die ist vor einiger Zeit auf den Zustand des seit 2007 unter Denkmalschutz stehenden Ensembles aufmerksam geworden. Der Komplex fault und schimmelt von hinten weg, seit Jahren. Das bestätigen auch ehemalige Nutzer der Gebäude.

Ein geschütztes Zeugnis Bottroper Wirtschafts- und Sozialgeschichte

Aus Sicht von Denkmalschützer Thorsten Kastrup ein unhaltbarer Zustand für ein Baudenkmal, das zu den inzwischen seltenen seiner Art im Stadtgebiet gehört. Es stehe für die Entwicklung Bottrops auf der Schwelle vom Dorf zur Industriestadt und zeige eine Gebäudegruppe, die einmal die Arbeits- und Produktionsverhältnisse eines Handwerksbetriebs um die vorletzte Jahrhundertwende sowie Gewerbe- und Wohnverhältnisse im Innenstadtbereich dokumentiere.

„Es handelt sich also um ein Stück Bottroper Sozial- und Wirtschaftsgeschichte der Zeit unmittelbar vor der Stadtwerdung, das es in dieser Geschlossenheit hier wohl nicht mehr gibt.“

Den schlechten Zustand habe zwar der aktuelle Eigentümer nicht in Gänze zu verantworten. Allerdings seien in den letzten Jahren wohl auch keine Maßnahmen zum Erhalt oder Schutz der Bausubstanz getroffen worden. Vor allem das Flachdach der ehemaligen Werkstatt- und Lagergebäude sei marode, die Dachhaut löse sich auf, Fenster und Rohre seien kaputt, Wasser dringe ein. „Viele Details der Gebäude sind durch jahrelange Feuchtigkeit zerstört“, so Kastrup.

Daher habe die Untere Denkmalbehörde bereits im Frühjahr eine Erhaltungsanordnung nach dem NRW-Denkmalschutzgesetz erlassen. „Denn ein Besitzer ist verpflichtet, Schaden von einem Denkmal abzuhalten. Für das Ensemble an der Böckenhoffstraße 7 wäre ein weiterer ungeschützter Leerstand das Schlimmste, was passieren könnte“, sagt Thorsten Kastrup.

Eigentümer Markus Laaks betont auf Anfrage der WAZ, dass er den Komplex auf jeden Fall auch im Sinne des Denkmalschutzes erhalten möchte und gerade die Planung für eine Komplettsanierung vorantreibt. Die Idee: Die Büros seines Unternehmens in den sanierten rückwärtigen Gebäuden unterzubringen, den vorderen Bereich mit dem kleinen Hof weiter als Galerie oder Ateliers ebenso zu vermieten wie das Wohnhaus, das zum Denkmalpaket gehört.

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Warum seit Erwerb der Immobilie Stillstand herrschte? „Die letzten beiden Jahre waren nicht mehr planbar, kaum Kapazitäten bei Handwerksbetrieben, dann kam die Zinsexplosion, zum Glück dreht sich die Situation gerade wieder“, so der Unternehmer. Von einem absichtlich herbeigeführten Verfall, der einen Erhalt unmöglich mache, wie einige schon befürchteten, will der 37-Jährige nichts wissen. Ihm sei klar, dass die jetzt bebauten Flächen dieses langgestreckten Grundstücks im gleichen Umfang nie mehr mit Neubauten bestückt werden könnten.

Das langgestreckte Grundstück an der Böckenhoffstraße 7 aus der Luft (rot umrandet). Lediglich das höhere Giebelhaus rechts gehört nicht zum Gebäudekomplex.
Das langgestreckte Grundstück an der Böckenhoffstraße 7 aus der Luft (rot umrandet). Lediglich das höhere Giebelhaus rechts gehört nicht zum Gebäudekomplex. © Hans Blossey | FUNKEGRAFIK NRW Denise Ohms

Das hat aus Sicht der Mieter und Denkmalschützer zuletzt nicht so ausgesehen. Markus Laaks räumt ein: „Ich habe meine Anliegen und Pläne vielleicht auch nicht immer proaktiv kommuniziert.“ Die Arbeiten zum Erhalt und Sanierung des Objekts sollen auf jeden Fall noch 2024 beginnen.

Ein ganz persönliches Interesse habe er auch an der Böckenhoffstraße: Laaks errichtet gerade sein Wohnhaus an der Parkstraße unmittelbar neben dem Stadtgarten. „Dann könnte ich von dort in wenigen Fußminuten mein Büro erreichen, absolut familienfreundlich“, so der Vater zweier Kinder.

Vermieter bietet Zwischenlösung und Rückkehroption für die Galerie 7 an

Für die Galerie 7 scheint sich zunächst eine Zwischenlösung anzubahnen. Der Vermieter habe ihr ein Ausweichquartier an der Gladbecker Straße angeboten. „Zu den gleichen Bedingungen“, betont Bettina Döblitz. Das sei wichtig, da sie durch eine jährliche Förderung der Egon-Bremer-Stiftung und freiwillige Spenden der Gäste bei Veranstaltungen sonst kaum Einnahmen habe.

Und: Der Eigentümer habe ihr angeboten, nach der Sanierung wieder an die Böckenhoffstraße zurückzukehren, um die Galerie-7-Tradition dort fortzusetzen.