Bottrop-Kirchhellen. Der Landwirtschaftsverband fordert schon lange, den Schutz der Schermbecker Wölfe zu lockern. Genau das prüft jetzt die EU-Kommission.
Die Luft wird dünner für die Wölfe im Wolfsgebiet Schermbeck, das seit Mittwoch nach Norden ausgeweitet ist und jetzt „Westmünsterland“ heißt. Nachdem ein Gutachter den Abschuss von auffälligen Wölfen wie der lernfähigen Wölfin Gloria als „grundsätzlich zulässig“ bezeichnet hat, fordert Landesumweltminister Krischer „praxisgerechtere Regelungen im Umgang mit problematischen Wölfen“.
Und genau die will die EU-Kommission liefern: Sie will jetzt „über einen Vorschlag entscheiden, gegebenenfalls den Status des Wolfsschutzes in der EU zu ändern und den Rechtsrahmen zu aktualisieren“ Das fordert auch der Landwirtschaftsverband Westfalen-Lippe: Die EU soll den Schutzstatus für Wölfe lockern und eine „Entnahmequote“ festsetzen. Landesumweltamt und Naturschutzbund halten dagegen: Dass Wölfe Nutztiere reißen, könne kein Anlass sein, sie zum Abschuss freizugeben.
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„Gefahr für Nutztiere und potenziell auch für den Menschen“
„Dass auf EU-Ebene die Stimmung zum Nachteil der Wölfe kippt, hat Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen so formuliert: „Die Konzentration von Wolfsrudeln in einigen europäischen Regionen ist zu einer echten Gefahr für Nutztiere und potenziell auch für den Menschen geworden. Ich fordere die lokalen und nationalen Behörden nachdrücklich auf, Maßnahmen zu ergreifen. Die heute geltenden EU-Regeln sehen solche Befugnisse ausdrücklich vor.“ Zusätzlich hat die Kommission bis Freitag Daten gesammelt, die ihr womöglich Argumente liefern, den Schutzstatus der Wölfe zu senken, sagt die EU-Kommission: „Dies könnte, sofern sich das als notwendig erweist, zu weiterer Flexibilität im Zusammenhang mit dem Umgang mit wachsenden Populationen dieser Spezies führen.“
„Zahl der Nutztierrisse erreicht einen traurigen Höchststand“
Das würde auch höchste Zeit, sagt Hubertus Beringmeier, Präsident des westfälisch-lippischen Landschaftsverbandes. Er rechnet vor: „Im laufenden Kalenderjahr erreicht die Zahl der Nutztierrisse einen traurigen Höchststand.“ In NRW seien in diesem Jahr schon 153 Schafe und Ziegen sowie ein Rind gerissen worden. Und gerade im Wolfsgebiet Schermbeck hat es „nachweislich bereits mehrere Fälle gegeben, in denen der Wolf intakten, der Förderrichtlinie Wolf entsprechenden Herdenschutz überwunden und Weidetiere gerissen hat.“
Herdenschutz sei eben doch keine Problemlösung, sagt der WLV-Präsident: „Wölfe überwinden Herdenschutzmaßnahmen sehr geschickt. Trotz aller ergriffenen Maßnahmen sind unsere Weidetierhalter in großer Sorge um ihre Tiere, da ein sicherer Schutz vor Wölfen nicht sichergestellt werden kann.“ Die weitere Ausbreitung des Wolfs müsse jetzt gestoppt werden: „Der WLV blickt mit großer Sorge auf die Not der Tierhalterinnen und Tierhalter, die sich mit der alleinigen Verantwortung für den Schutz ihrer Tiere, den Folgen von Nutztierrissen sowie bürokratischen Hürden von der Politik allein gelassen sehen. Beim Wolf sind alle Kriterien zur Anerkennung des günstigen Erhaltungszustands als erfüllt anzusehen und die Grundlage für ein aktives Bestandsmanagement gegeben.“ Bestandsmanagement meint: Bei Bedarf Entnahme. Beringmeier: „Nur mit einer Kontrolle der Wolfsbestände und deren Regulierung ist nach unserer Einschätzung künftig ein Nebeneinander von Weidetierhaltung und Wolf möglich.“
Ein möglicher Stimmungsumschwung gegen die Wölf ist auch das Argument von Landesumweltminister Oliver Krischer. „Wir müssen zu praxisgerechteren Regelungen im Umgang mit problematischen Wölfen kommen. Wir haben es mit einzelnen Tieren zu tun, die sehr geschickt Herdenschutzmaßnahmen überwinden. Dagegen müssen wir etwas tun, um die Akzeptanz für den Wolf insgesamt zu erhalten“, sagte Krischer bei der Ausweitung des Wolfsgebiets Schermbeck zum „Fördergebiet Westmünsterland“, zu dem jetzt auch Coesfeld und Dülmen gehören (siehe Grafik): Mit bis zu zwei Millionen Euro will das Land Tierhaltern helfen, Weidetierhaltungen wolfssicher zu gestalten.
Nabu: „Das Hauptproblem mit den Schermbecker Wölfen ist menschengemacht“
Auch nach dem Gutachten im Auftrag des Landes, ein Abschuss etwa der Problemwölfin Gloria zu zulässig, bleibt der Bottroper Naturschutzbund Nabu bei seiner Position, die der Vorsitzender Rolf Fricke so formuliert: „Eine Wolfstötung ist gesetzlich nicht zwingend und bleibt eine Ermessensfrage. Das Hauptproblem mit den Schermbecker Wölfen ist menschengemacht, deswegen würde eine Wolfstötung uns Naturschützer außerordentlich schmerzen. Wie das Gutachten deutlich zeigt, werden Wolfsschäden auch bei uns in den meisten Fällen von ungenügenden Zäunen verursacht. Warum verweigern sich manche Tierhaltende auch im fünften Jahr mit Wölfen vor Ort noch vom Steuerzahler finanzierten und nachweislich wirkungsvollen Maßnahmen? Eine Wolfstötung kann vor dem Hintergrund in unseren Augen nicht richtig sein.“
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Das Landesumweltamt Lanuv hat seine Auffassung bekräftigt, Nutztierrisse könnten kein Kriterium sein für den Abschuss eines Wolfes. Mit dem Töten von Nutztieren zeige der Wolf aus Sicht des Menschen ein „unerwünschtes“ Verhalten. „Dies ist jedoch kein unnatürliches oder auffälliges Verhalten von Wölfen. Das Töten von Beutetieren dient dem Nahrungserwerb.“