Bottrop. Christa G. ist 77 Jahre alt und blind. Ein Anruf von Trickbetrügern hat sie völlig schockiert. Was die Polizei rät, um nicht zum Opfer zu werden.

Der Schreck saß Christa G. auch am Tag darauf noch in den Gliedern. Bei einem Telefonanruf war der Bottroperin, als hörte sie die Stimme ihrer Tochter. „Mutti, ich hatte einen schweren Autounfall“, rief sie. Die Stimme hörte sich auch noch so an, als sei der Anruferin zum Weinen zumute und außerdem so, als ob sie Schmerzen erlitte. „Ich war völlig geschockt. Das klang wirklich so wie die Stimme meiner Tochter“, sagte die 77-Jährige zur WAZ.

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Die Bottroperin fühlte sich von der Schreckensnachricht völlig überrumpelt und hatte kaum Zeit, sich auf die schlimme Lage einzustellen. Denn Sekunden später meldete sich auch schon eine andere Frau zu Wort und stellte sich der erblindeten Bottroperin vor, indem sie ihr einen Vornamen und Nachnamen nannte. „Katherina Soundso, den Nachnamen weiß ich nicht mehr. Dann sagte die Frau: Sie sei von der Kreispolizei und brauche jetzt sofort einige Angaben von mir“, berichtet die Bottroperin.

Eine Nachbarin brachte Kuchen und wusste schnell Rat

Zum Glück war ihr Enkelsohn Maximilian im Haus. Er hatte in dem Reihenhaus zwischen Bottrop-Mitte und Eigen übernachtet. Er ist der Sohn jener Tochter, von der am Telefon die Rede war. Der Student kümmerte sich um seine erblindete Großmutter, weil deren Ehemann für einige Tage zu einer Behandlung im Bergmannsheil-Krankenhaus in Gelsenkirchen-Buer bleiben musste. Auch eine befreundete Nachbarin kam wenig später zufällig herüber. Sie brachte etwas selbst gebackenen Kuchen und wusste Rat.

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Die fremde Anruferin hatte sich zunächst bei ihr nach ihren Personaldaten erkundigt und nach dem Namen und Geburtsdatum gefragt. Als die fremde Frau weitere Fragen stellen wollte, unterbrach sie die Bottroperin jedoch und wies die Anruferin darauf hin, dass sie blind sei und sich keine Notizen machen könne. Sie sagte auch, dass der erwachsene Sohn der verunglückten Tochter bei ihr sei und sie ihm nun den Telefonhörer geben werde.

Die Anwohnerin hatte Tränen in den Augen

Das war der Anruferin jedoch gar nicht recht. Sie berief sich auf vermeintliche Datenschutzpflichten. „Sie haben Schweigepflicht, hat sie zu mir gesagt und: Dazu brauchen Sie die Augen nicht. Sie wollte nur mit mir reden,“, berichtet die 77-Jährige. Die Frau, die sich als Polizistin ausgab, warnte außerdem, dass sich andernfalls die Lage der Tochter noch verschlimmern würde. Dennoch reichte Christa G. den Telefonhörer an ihren Enkel weiter. Als Maximilian sich dann meldete, hörte er nur noch, wie die Anruferin auflegte.

„Wir waren beide geschockt. So eine schlimme Nachricht wirft doch jeden erst einmal aus der Bahn“, sagte die Bottroperin. Zufällig schellte in diesem Moment ihre Nachbarin Ria an der Haustür. „Ich hatte Tränen in den Augen, als ich öffnete“, sagte Christa G. der WAZ. Selbstverständlich erkundigte sich ihre Nachbarin sofort danach, was denn nur geschehen sei. Da erzählte ihr Christa G. von dem Telefonat. „Das ist bestimmt ein Fakeanruf gewesen“, reagierte die Nachbarin.

Ein Telefonhörer vor einem Plakat der Polizei mit der Aufschrift „Achtung: Hier spricht NICHT die Polizei
Ein Telefonhörer vor einem Plakat der Polizei mit der Aufschrift „Achtung: Hier spricht NICHT die Polizei": So warnen Behörden vor Trickbetrügern und Schockanrufern, die sich als falsche Polizisten ausgeben. © dpa | Martin Gerten

Von einem Autounfall wusste die Tochter nichts

Sie riet, die Tochter am besten zu Hause auf dem Festnetzanschluss anzurufen und nachzufragen. „Ich selbst war dazu gar nicht in der Lage, weil ich so aufgewühlt war“, berichtete Christa G. Den Anruf nahm ihr der Enkelsohn ab, der ja schließlich ebenfalls wissen wollte, wie es um seine Mutter steht. „Unsere Erleichterung war riesengroß, als wir unsere Tochter hörten. Von einem Autounfall wusste sie absolut nichts“, sagte die 77-Jährige.

Der gute Rat der Nachbarin und die Reaktion von Christa G. erweisen sich auch im Nachhinein als genau richtig. So empfehlen Experten der Kriminalpolizei, dass Opfer solcher Schockanrufe als erstes versuchen sollten, die Person zu erreichen, die angeblich um Hilfe bittet. „Betroffene sollten eine Vertrauensperson hinzuziehen“, empfahl Kriminal-Experte Christian Peuker außerdem bereits, als die WAZ ihn um Rat fragte, nachdem auch schon andere Bottroperinnen ähnliche Anrufe erhalten hatten.

Das Telefonat am besten sofort wieder beenden

Wie gut also, dass Christa G. ihren Enkel hinzu holte oder auch, dass ihre Nachbarin als zunächst unbeteiligte Person die Situation schnell richtig einschätzte. „Man darf sich nie in eine Eins-zu-eins-Situation begeben“, warnte Polizeifachmann Peuker. Am besten sei es, sofort wieder aufzulegen, falls jemandem ein Anruf merkwürdig vorkomme – auch wenn das schwerfalle, weil ein Anrufer oder eine Anruferin wie auch jetzt bei Christa G. gerade von einem schweren Unfall eines Angehörigen berichtet.

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Die Opfer von Schockanrufen sollten sich an die Polizei wenden. „Ich kenne die Nummern der Polizei ja nicht. Ich könnte nur die 110 anrufen“, meinte Christa G. zwar, doch der Kriminalexperte rät dazu, ruhig auch diese Notfallnummer anzuwählen. „Angerufene sollten sich nicht ausfragen oder unter Druck setzen lassen und misstrauisch sein“, empfahl Christian Peuker. Ob und wie viel Geld man besitze, gehe die Anrufer schon gar nichts an, mahnte er.

Große Irritation über die täuschend echte Stimme

Denn oft verlangten Betrüger Geld, um Verwandten angeblich aus deren vorgetäuschten Schwierigkeiten helfen oder medizinisch behandeln lassen zu können. Auf keinen Fall sollten Angerufene Auskünfte über ihre persönliche Lebenssituation geben und sagen, ob man alleine lebe oder gerade alleine sei. Das treibt auch Ehemann Rolf G. Tage nach dem Schockanruf noch um: „Ich möchte mir nicht vorstellen, dass die Anruferin gewusst hat, dass ich einen Tag vorher ins Krankenhaus gefahren bin und daher annahm, dass meine Frau alleine im Hause war“.

Viel mehr noch macht seiner Ehefrau Christa die Täuschung am Telefon zu schaffen. „Ich kenne doch die Stimme meiner Tochter aus unterschiedlichsten Situationen. Wie bekommen solche Betrüger da nur ihre original anzuhörende Stimme mit Hilferufen hin? Es ist erschreckend!“