Bottrop. Hausarzt in Bottrop und Start-up-Unternehmer: Sami Gaber (49) ist beides. Was hinter „docport“ steckt und warum er frustriert und genervt war.

Sami Gaber ist Allgemeinmediziner aus Leidenschaft. Er ist aber auch Chief Medical Officer. Der 49-Jährige ist Start-up-Gründer. 2019 hat er mit Dr. Bahman Afzali und Nina Kuhfuß das Unternehmen „docport“ gegründet. Als ärztlicher Leiter ist er verantwortlich für die Entwicklung und Umsetzung der medizinischen Strategie.

Das Start-up bietet niedergelassenen Ärzten oder solchen, die es noch werden wollen, ein einheitliches System zum Praxisbetrieb aus einer Hand an. Ihnen soll damit der Weg hin zu einer digitalen Arztpraxis erleichtert werden. Optimierte Prozesse werden mit Hilfe von digitalen Technologien automatisiert. Gaber hat seine Praxis an der Lindhorststraße und sagt: „Wir sind die vielleicht digitalste Praxis Deutschlands.“

Unnötige Arbeitsschritte und zeitfressende Bürokratie sollen der Vergangenheit angehören. Davon profitieren nicht nur seine Mitarbeiter, sondern auch die Patienten. Dank mehr Effizienz bleibt für sie mehr Zeit bei der Behandlung.

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„Wir sprechen von einer Systempraxis“, sagt Gaber. Das in Bottrop entwickelte Konzept wird auf andere Praxen übertragen. Zwölf in Nordrhein-Westfalen sind bereits damit ausgestattet. Die Basis ist eine Praxisplattform mit einheitlichen Hardware- und Softwarekomponenten des Start-ups. Die IT-Umstellung basiert auf Software von Apple. Wenn die Praxis am Freitag schließt, ist bis Montag zur Wiedereröffnung die Installation abgeschlossen. Die Mitarbeiter der Praxis sind vorher schon geschult worden.

Hausarzt Sami Gaber an seinem sehr aufgeräumten Schreibtisch. Einen Schreibblock gibt es nicht, er nutzt ein Tablet. Anrufe nimmt er über ein Headset entgegen. Videosprechstunden hält er in seiner Praxis über den Monitor ab.
Hausarzt Sami Gaber an seinem sehr aufgeräumten Schreibtisch. Einen Schreibblock gibt es nicht, er nutzt ein Tablet. Anrufe nimmt er über ein Headset entgegen. Videosprechstunden hält er in seiner Praxis über den Monitor ab. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

In Arztpraxen wird laut Sami Gaber mit unterschiedlichen Computersystemen gearbeitet. Die Geräte kommunizieren nicht immer problemlos miteinander und Daten müssen oft per Hand aufwendig aufgeschrieben oder übertragen werden. Auch er hatte nach der Übernahme der Praxis seines Vaters jahrelang mit technischen Wehwehchen im Praxisbetrieb zu kämpfen.

Mal hat das Praxisverwaltungssystem (PVS) nicht funktioniert oder es musste ein Techniker zu ihm kommen, weil es Probleme mit den medizinischen Geräten gab. Letztlich kosten solche Ausfälle Zeit und Geld. „Eine Katastrophe“, sagt er rückblickend. „Wir werden durch Bürokratie und unzuverlässige Technik von unserem eigentlichen Job abgehalten. Ich war maximal frustriert und genervt.“

Firmensitz ist im Gründungs- und Unternehmenszentrum auf Zollverein in Essen

Nina Kuhfuß arbeitete schon unter seinem Vater in der Praxis. Beide hatten Ideen zu effektiveren Abläufen und Prozessen. Aber für die ganz großen Verbesserungen fehlte es an technischen Möglichkeiten. Das brachte Arzt und Programmierer Dr. Bahman Afzali mit ein. 2019 gründeten sie „docport“. Inzwischen sind sie ein Bestandteil des Gründungs- und Unternehmenszentrums auf Zollverein in Essen. Das Start-up ist gewachsen. „Wir haben 15 Mitarbeiter“, sagt Gaber.

Seine Praxis diente als Blaupause, dort findet sich kaum noch Papier – höchstens als Notizblock. Analog hat ausgedient, hier haben digitale Technologien die Organisation übernommen. An einem Bildschirm im Eingang melden sich Terminpatienten mit der eigenen Versichertenkarte selbst an.

Die technischen Geräte in seiner Praxis, wie hier beim Ultraschall, sind mit dem docport-System verbunden. Die Daten der Patienten werden digital erfolgreich zu den jeweiligen Anwendungen übertragen. Eintippen wird überflüssig.
Die technischen Geräte in seiner Praxis, wie hier beim Ultraschall, sind mit dem docport-System verbunden. Die Daten der Patienten werden digital erfolgreich zu den jeweiligen Anwendungen übertragen. Eintippen wird überflüssig. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Normalerweise gehen Patienten an die Rezeption, um sich anzumelden. In Gabers Praxis erhält der Patient durch das System eine Wartenummer. Dann darf er im Wartezimmer Platz nehmen. Auf einem Monitor werden schließlich jene Nummer und der Raum der Behandlung angezeigt. Gaber bietet Online-Sprechstunden, was immer mehr Praxen machen, natürlich auch an.

In der Praxis wird wenig kommuniziert, der Fokus liegt auf den Patienten

Es gibt kein Telefon mit Tastenwahl – stattdessen tragen die Medizinischen Fachangestellten Headsets auf dem Kopf. Anweisungen wie „Verbandswechsel“ werden nicht in Anwesenheit anderer Patienten kommuniziert, sondern sind digital für die Mitarbeiter im System sichtbar. Dadurch herrschen in der Praxis eine angenehme Ruhe und keine Hektik.

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Es gibt auch ein Überbleibsel aus der Pandemie. Aus Angst vor einem Corona-Ausbruch wurden damals die Mitarbeiter in Teams unterteilt. Eine Medizinische Fachangestellte arbeitet seitdem zuhause im Homeoffice, nimmt von dort Anrufe entgegen und kann vom heimischen Rechner aus auf das System von docport zugreifen.

Hausarzt vergibt Online-Termine und informiert mit Newsletter

In der Pandemie hat Sami Gaber zudem einen Newsletter ins Leben gerufen, über den die Abonnenten informiert werden. Über den Kalender auf seiner Internetseite können Patienten zwischen verschiedenen Online-Terminen selbst auswählen.

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Verschiedene Geräte wie EKG, Ultraschall und für die Lungenfunktion sind über die Software- und Hardwareprodukte miteinander verbunden. „Keine Infos und Daten gehen verloren“, sagt Sami Gaber. Die Daten von Patienten müssen nicht eigens über die Tastatur eingetippt werden. Das spart Zeit.

Sami Gaber will Hausarzt bleiben, aber mit weniger Stunden

„Seit der Pandemie bieten wir den Patienten viele niederschwellige Möglichkeiten, um hausärztlich versorgt zu werden“, sagt er und verweist auf die Patienten-App. Mit dieser können Patienten und Praxis Kurznachrichten austauschen und erhalten neben Befunden auch automatisch elektronische Rezepte auf das Smartphone.

Der Allgemeinmediziner pendelt zwischen Start-up und Praxis. Mit Andreas Fidrich kümmert sich ein zweiter Arzt um die Patienten. Sami Gaber will weiter praktizieren, wenn auch mit weniger Stunden in der Woche. „Es geht mir richtig gut“, sagt er. In beiden Jobs fühlt er sich wohl.

Infos zum Start-up: docport

Nach aktuellen Angaben des Start-ups nutzen bisher 12 Arztpraxen das „docport“-System. Davon werden mehr als 25.000 Patientinnen und Patienten versorgt.

Zwei Module stehen Praxisinhabern als Abonnement zur Auswahl. Komfort: Software, Support und Prozesswissen. Premium: Management und Abrechnung.

Mehr Information zum Start-up: https://docport.de