Bottrop. Mehr als zehn Jahre hat es von der ersten Idee gedauert – jetzt ist das Haus der Wohngemeinschaft für Senioren eingeweiht. Die Bewohner erzählen.

„Haus gesucht für neues Wohnmodell – Acht Frauen planen für ihr Alter“: So stand es im Juli 2011 in der WAZ. Ziemlich genau zwölf Jahre später ist dieses Haus jetzt offiziell eingeweiht worden. Die WoGe, die Wohngemeinschaft für Menschen der Generation 50 plus, ist endlich am Ziel. In einem modernen Neubau an der Böckenhoffstraße, also mitten im Stadtzentrum, leben rund 20 Seniorinnen und Senioren selbstbestimmt in eigenen Wohnungen – und doch in fürsorglicher Gemeinschaft.

Senioren-WG-Initiatorin: „Unser Traum wurde wahr“

„Was lange währt, wird endlich gut: Unser Traum, in Gemeinschaft zu leben, wurde wahr“, sagte Initiatorin Petra Dorn bei der Einweihungsfeier, die gleichzeitig den ersten Geburtstag des Hauses markierte. Ab Mai/Juni 2022 waren die teils frei finanzierten, vor allem aber geförderten Wohnungen von den Mieterinnen und Mietern bezogen worden. Jetzt ist alles fertig und eingerichtet – auch der Gemeinschaftsraum, der künftig noch mehr für die Nachbarschaft geöffnet werden soll.

Petra Dorn dankte den Investoren und Bauherren Norbert und Jan Ryvola, die die Senioren-WG-Idee von Anfang an mitgetragen hätten. Und sie dankte auch Politik und Verwaltung „für die Unterstützung auf dem langem Weg zum Ziel – obwohl wir beharrlich bei unseren Wünschen an den Standort blieben“.

+++ Nachrichten aus Bottrop direkt ins Postfach: Hier für den kostenlosen WAZ-Newsletter anmelden ! +++

Denn an den grünen Stadtrand setzen lassen wollten die Ü-50er sich ganz bewusst nicht. Sie wollten von Anfang an mitten in die Stadt, nah ran an Geschäfte, Ärzte, Cafés. So war denn auch die Beschaffung eines Grundstückes die größte Hürde für die Umsetzung des Projektes, wie Jan Ryvola darstellte.

Heute sind alle Hürden überwunden. Neben Petra Dorn (64), die sich damals aufgrund der Pflegebedürftigkeit ihres Vaters erstmals Gedanken darüber machte, wie sie als Alleinstehende selbst im Alter leben möchte, gehört etwa auch Christa Winkler (76) zu den Initiatoren der ersten Stunde, die den Verein „WoGe – Leben aktiv gestalten im Alter“ auf den Weg brachten. Nach nun einem Jahr im neuen Haus – ist es so geworden, wie sie sich vorgestellt hat? „Im Großen und Ganzen ja“, sagt sie. „Man versteht sich untereinander.“

Oberbürgermeister Bernd Tischler (re.) sagte bei der Einweihungsfeier der WoGe-Gemeinschaft: „Ihr seid Vorbild für Bottrop.“
Oberbürgermeister Bernd Tischler (re.) sagte bei der Einweihungsfeier der WoGe-Gemeinschaft: „Ihr seid Vorbild für Bottrop.“ © FUNKE Foto Services | Oliver Müller

In anderen Mietshäusern lebten die Menschen anonym nebeneinander her, das sei hier ganz anders. Die gefürchtete Alterseinsamkeit kann hier gar nicht aufkommen. Christa Winkler erzählt von monatlichen Versammlungen, gemeinsamen Ausflügen, einem Grillfest im kleinen Garten neben dem Gemeinschaftsraum und geplanten Yoga-Einheiten. Werde jemand aus der Hausgemeinschaft krank oder gerate in eine Krise, unterstütze man sich, sowohl tatkräftig als auch moralisch.

Auch interessant

Zwischendurch rufe der ein oder andere mal an und frage, ob man Lust aufs Theater oder einen Spaziergang habe. „Wir haben auch eine gemeinsame Whatsapp-Gruppe“, erzählt Christa Winkler. Vor kurzem sei ihr etwas hinter den Schrank gefallen, da habe sie in der Whatsapp-Gruppe nach einer Zange gefragt. Prompt kam die positive Antwort. „In dem Moment ist es vielleicht nur eine Kleinigkeit.“ Aber eben eine enorm hilfreiche.

WoGe-Verein hat ein Vorschlagsrecht für die Mieterinnen und Mieter

Kein Wunder wohl, dass Elfriede Meier (70) urteilt: „Es ist perfekt hier!“ Sie und ihr Mann Robert (73) sind erst in der Vermietungsphase zum Projekt gestoßen. In einer WoGe-Versammlung stellte sich das Paar vor und legte seine Vorstellungen vom Leben in der Senioren-WG dar. „Wir wollen ja Leute haben, die das Projekt mittragen“, erläutert Christa Winkler diese Vorgehensweise. Der Verein hat ein Vorschlagsrecht für die Mieterinnen und Mieter, die ihren Vertrag aber letztlich mit dem Investor Ryvola schließen.

Robert Meier gibt zu: „Ich war am Anfang nicht begeistert, als ich WG gehört habe. Was soll ich da, dachte ich. Heute bin ich begeistert – jetzt weiß ich, warum ich hier bin.“ Zum Beispiel, um mit anderen Dart zu spielen. Denn: „Das Beste ist die Kameradschaft hier!“

Oberbürgermeister Bernd Tischler, der bei der Einweihungsfeier auch auf Projekt-Details wie gemeinschaftliche, basis-demokratische Entscheidungen und das innovative Car-SharingAngebot der Wohngemeinschaft verwies, fasste mit Blick auf den langen Atem aller Beteiligten und das Endergebnis zusammen: „Ihr seid Vorbild für Bottrop.“

16 barrierefreie Mietwohnungen

In dem viergeschossigen Neubau neben dem Kulturzentrum gib es insgesamt 16 barrierefreie Mietwohnungen für Alleinstehende und Paare (52 bis 110 Quadratmeter Größe) mit Balkon oder Terrasse. Dazu kommen ein Gemeinschaftsraum und eine Tiefgarage.

Um den Neubau errichten zu können, hatte das Kirchhellener Architekturbüro Ryvola das Grundstück an der Böckenhoffstraße 16 von der städtischen Wohnungsbaugesellschaft GBB gekauft. Dort stand noch ein Wohnhaus aus dem Jahr 1921, das abgerissen wurde.

Weitere Infos gibt es auf der Homepage des Vereins „WoGe – Leben aktiv gestalten im Alter“: woge-in-bottrop.de