Bottrop. In der Bottroper Nina soll ein Rollstuhl-Fahrer (36) von der Tanzfläche geworfen worden sein. Ist das Diskriminierung? Die Disco widerspricht.

Einen schönen Abend, Spaß haben, tanzen – die Oma passt auf den kleinen Sohnemann auf. So hatten sich Ramona und Fabian Helwig den Abend im Bottroper Tanzlokal Nina vorgestellt. Denn: „Auch wenn man an MS erkrankt ist und deshalb seit einiger Zeit im Rollstuhl sitzt, kann man das Leben genießen und das tun wir normalerweise auch“, sagt Ramona Helwig.

Die Gelsenkirchener sind Fans der Musikgruppe „Cascada“, die an diesem Abend in Bottrop auftreten soll. Doch das Konzert läuft ganz anders, als sie es sich vorgestellt haben. Das sind ihre Schilderungen: Die Tanzfläche ist vor dem Auftritt noch nicht wirklich voll. Die Helwigs tanzen, an der Seite der Tanzfläche. Fabian, der unter der Nervenkrankheit Multiple Sklerose leidet, bewegt sich im Takt der Musik eben so, wie es im Rollstuhl möglich ist. Auf einmal kommt ein Mitarbeiter der Security, tippt Fabian an. Seine Frau ist gerade etwas weiter entfernt.

Bottroper Tanzlokallokal Nina: Rollstuhlfahrer fühlt sich nicht willkommen

Fabian ist perplex. Was ist los? „Ich soll hier nicht stehen, ich würde nicht tanzen und müsse bis zum Auftritt die Fläche verlassen“, sagt er seiner Frau. Dabei tanzt der 36-Jährige so, wie das mit dieser Krankheit und im Rollstuhl möglich ist. Dann weist der Mitarbeiter dem Ehepaar statt in Bühnennähe eine hintere Ecke zu. „In der Nähe einer Treppe, die mein Mann sowieso nicht nutzen kann“, erinnert sich Ramona.

Die Stimmung ist natürlich schon so gut wie im Keller. Aber den Auftritt von „Cascada“, der sich mittlerweile auf 1 Uhr verschoben hat, wollen beide wenigstens noch abwarten. Den genießen sie später auch, dann wieder weiter vorn, dafür sind sie ja auch gekommen. Aber das dumpfe Gefühl, nicht wirklich willkommen zu sein, bleibt nach diesem Vorfall.

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Nach Kommentar: Statt Antwort wird Besucherin gesperrt

Gäste in der Nähe und auch eine Freundin, die mitgekommen ist, bekommen das mit, manche schütteln einfach verständnislos den Kopf, sprechen aber die Mitarbeiter nicht auf den Vorfall an, sagen die Helwigs. Es sei übrigens nicht das erste Mal, dass beiden in der Nina so etwas passiert ist.

„Vor Corona waren wir schon einmal dort, da hat uns ein DJ angesprochen und gesagt, mein Mann tanze nicht genug und sollte von der Fläche runter.“ Damals haben sich Helwigs geärgert, aber nicht beschwert. Jetzt ist es anders. „Wir haben uns auf Facebook über die Behandlung beschwert und gefragt, was das soll und wenigstens um Erklärung gebeten“, so das Ehepaar. Statt einer Antwort wurden sie einfach gesperrt. Auch als sie kurz darauf über Instagram Kontakt aufnehmen, folgt wieder eine Sperre.

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Bottroper Ehepaar: „In Zeiten von Inklusion hat so ein Verhalten keinen Platz“

Bis heute, fast zwei Wochen nach dem Nina-Besuch, haben die beiden nichts gehört. Keine Erklärung, keine Entschuldigung. Da haben sie entschieden, sich an die Medien zu wenden. Denn Helwigs Vernehmen nach soll es schon mehrfach, auch bei anderen Gästen, die „nicht ins normale Bild passten“ dort zu ähnlichen Vorfällen gekommen sein.

„Ich weiß nicht, ob das Rassismus ist in der Nina oder einfach nur eine Art von Arroganz, in Zeiten von Inklusion und Gleichberechtigung hat so ein Verhalten aber bestimmt keinen Platz“, stellt das Ehepaar fest. Von einer generellen Diskriminierungspolitik in der Nina wollen sie nicht sprechen. „Der Mitarbeiter am Eingang zum Beispiel hat uns sogar zu einer anderen Tür gebracht, durch die wir besser rein gekommen sind“, so die Helwigs. Das Problem scheine nur bei einigen Mitarbeitern zu liegen, so die Vermutung.

Ramona und Fabian Helwig am Strand. Die Familie versucht, trotz Krankheit ein normales Leben zu führen.
Ramona und Fabian Helwig am Strand. Die Familie versucht, trotz Krankheit ein normales Leben zu führen. © Privat | RH

Ansonsten versuchen beide mit ihrem kleinen Sohn, ein so normales Leben wie möglich zu führen. „Wir unternehmen viel, reisen öfter“, erzählt Ramona. Als Paar zusammen sind sie seit sechs Jahren, drei davon verheiratet. Als er 18 Jahre alt ist, stellen Ärzte bei Fabian eine der schwereren Arten von Multipler Sklerose (MS) fest, die sich so gut wie nicht aufhalten lässt. Seit vier Jahren ist Fabian auf den Rollstuhl angewiesen. Da wirken Erlebnisse wie jetzt in der Nina für Helwigs wie ein Tiefschlag, nicht nur kurz vor Weihnachten, dem Fest der Liebe.

Nina-Geschäftsführung bestreitet Verweis von der Tanzfläche

Die Geschäftsführung der Diskothek hat zwar nicht den Helwigs aber der WAZ auf deren Anfrage geantwortet. Darin heißt es, dass ein Mitarbeiter Helwigs lediglich darüber informiert habe, dass der „Cascada“-Auftritt später beginne, man vorher etwas trinken könne und dann wieder nach vorne gebracht würde. Den Verweis von der Tanzfläche bestreitet man aber.

„Unser Sicherheitsdienst hat grundsätzlich die Anweisung, Fans, die sich mehr als 20 Minuten vor der Bühne positionieren, um ihren persönlichen Star hautnah zu erleben und somit die Tanzfläche versperren, zu bitten, die Tanzfläche erstmal freizuhalten. Nachdem das Ehepaar Helwig die Tanzfläche dann allerdings gegen Mitternacht betreten hat, blieben diese ohne Zwischenfall auf der Tanzfläche bis Cascada ihren Auftritt beendet hat“, heißt es von der Geschäftsführung.

Geschäftsführung wehrt sich: Keine Diskriminierung im Tanzlokal

Auch hätten weder anwesende Gäste, eingesetzte Mitarbeiter, Fotos vom Fotografen, Videoaufzeichnungen der Überwachungskameras oder private Handyvideos auch nur einen Ansatz geliefert, der diesen Vorwurf belegen könne. Man betont, in der Nina niemals Gäste aufgrund von Einschränkungen, Herkunft oder sexueller Orientierung zu diskriminieren, wirft aber den Helwigs vor, nach einem sichtlich genossenen Abend erst 24 Stunden später ein angebliches Fehlverhalten angezeigt und in die Öffentlichkeit gebracht zu haben. War es Profilierungssucht?

Ramona Helwig zeigt sich darüber einigermaßen fassungslos. „Warum sollten wir das tun?“ Man habe den Vorfall erst einmal „verdauen müssen“ und habe dann über die sozialen Medien kommuniziert und auch den Betreibern eine E-Mail geschickt. „Eine Antwort bekamen wir nicht, stattdessen folgte einfach die Sperre“, so die Eheleute. Natürlich wolle man die Nina nicht kaputt machen. Eigentlich ein toller Ort zum Feiern. „Hätte man sich einfach mal bei uns gemeldet, irgendwie reagiert nach zehn Tagen, dann wären wir sicher so nicht an die Öffentlichkeit gegangen.“

Am Ende scheint es von dieser Stelle aus betrachtet erst einmal ein klassischer Fall von Aussage gegen Aussage zu sein.