Bottrop. Im Keller von St. Joseph ist ein Brief wieder aufgetaucht: Bernhard Poether schrieb ihn kurz vor seinem Tod aus dem Konzentrationslager Dachau.

Auf dem Stolperstein des Künstlers Gunter Demnig vor der Kirche St. Joseph stehen nur die schlichten Worte: Hier wohnte Bernhard Poether – Jg. 1906 – verhaftet 1939 – KZ Dachau – tot 5.8.1942. Hinter diesen wenigen Worten steckt eine tragische Geschichte der nationalsozialistischen Vergangenheit, zu der im Archiv von St. Joseph neue Dokumente aufgetaucht sind, die einige Lücken im Wissen über die letzten Wochen im Leben des ehemaligen Seelsorgers der Pfarrei schließen.

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Der 1906 in Datteln geborene Bernhard Poether war nach Stationen in Hiltrup, Polen und Gladbeck seit 1939 Kaplan in der Gemeinde St. Joseph. Nach wenigen Monaten wurde er kurz nach dem Überfall auf Polen im Pfarrhaus verhaftet, weil er sich für einen inhaftierten Polen eingesetzt hatte. Als man ihn im Verhör fragte, ob er zuerst einem Deutschen oder einem Polen helfen würde, soll er gesagt haben: „Dem, der es am nötigsten hat.“

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Nach den Aufzeichnungen des damaligen Pfarrers Bruns von St. Joseph sei Bernhard Poether im Gefängnis gefasst und gefestigt gewesen, ihm sei auch sein weiteres Schicksal klar gewesen. Der standhafte Priester wurde zuerst ins Konzentrationslager Sachsenhausen nahe Berlin gebracht und später ins KZ Dachau verlegt. Bernhard Poether starb am 5. August 1942. Seine Urne ruht in der St. Clemens Kirche in Hiltrup.

Die entdeckten Briefe waren Zufallsfunde. Das Kirchenarchiv lagerte lange Zeit unbeachtet im Keller unter dem Pfarrbüro. Während der Corona-Zeit räumten Gemeinde-Mitarbeiterin Beatrix Tappendorf und Gemeinderatsmitglied Lukas Bischoff das Archiv auf und entdeckten die Dokumente und weitere Aufzeichnungen von Priestern über die Inhaftierung Bernhard Poethers: „Als wir die Unterlagen gesichtet haben, haben wir gemerkt, dass es etwas Wichtiges ist.“

Post aus dem Konzentrationslager: Der vorletzte Brief von Kaplan Bernhard Poether aus dem Juni 1942 ist wieder aufgetaucht. Bisher unbekannt war das Schreiben seiner Schwester von 1945.
Post aus dem Konzentrationslager: Der vorletzte Brief von Kaplan Bernhard Poether aus dem Juni 1942 ist wieder aufgetaucht. Bisher unbekannt war das Schreiben seiner Schwester von 1945. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Nach der gemeinsamen Messe zum 80. Todestag nahm Pfarrer Ewald Spieker aus Hiltrup die Unterlagen mit und gab sie an den Münsteraner Historiker Michael Grottendieck weiter, der sich bereits mit dem Leben und Tod des Kaplans beschäftigt hatte. Grottendieck bestätigte die Echtheit der Briefe, die eine Lücke in der Biografie Poethers schließen: „Man kann sich glücklich schätzen, diese Briefe gefunden zu haben.“

Da die Häftlinge nur zweimal im Monat Briefe schreiben und empfangen durften, sind die gefundenen Schreiben von Ende Juni und Mitte Juli 1942 die vorletzten Lebenszeichen Poethers. „Briefe hatten für die Häftlinge und deren Angehörige enorme Bedeutung, sie waren der einzige Kontakt zur Außenwelt“, erklärt der Historiker. Die Briefe seien eine „Sensation“, nicht nur, weil sie erhalten sind, sondern auch inhaltlich.

„Doch wir wollen unser Leid tragen“

Wegen der gnadenlosen Zensur mussten die Formulierungen sehr vorsichtig gewählt werden. Nur in Andeutungen sei erkennbar, dass die Häftlinge in Dachau, darunter viele deutsche und polnische Priester, Gottesdienst feiern konnten. Immer wieder betont Poether, dass es ihm gut gehe, um seine Angehörigen zu beruhigen, obwohl er schon wenige Wochen später an den Folgen der Entbehrungen, Einzelhaft, Folterungen und Zwangsarbeit auf den Plantagen starb. Er soll nur noch 38 Kilo gewogen haben. In einem Brief deutet er das zum ersten Mal an: „Doch wir wollen unser Leid tragen.“

„Seine Standhaftigkeit und seine Haltung zur Polenfrage hat seinem Leben eine neue Richtung gegeben“, sagt Pfarrer Spieker. Seine christliche Grundhaltung sei auch in der Gefangenschaft ungebrochen gewesen, er habe das Wenige, das er besaß, bereitwillig mit anderen geteilt. Der Münsteraner Bischof Genn hat Bernhard Poether mit dem barmherzigen Samariter verglichen. „Er ist es wert, dass man seinen Namen nicht vergisst“, sagte eine polnische Generalkonsularin.

Gemeinden haben Antrag auf Seligsprechung eingereicht

Grottendieck stellt fest, dass jetzt die letzten vier Briefe und Lebenszeichen Bernhard Poethers vollständig vorliegen. Dabei sei der Brief vom 11. Juli 1942 eigentlich nicht neu entdeckt, sondern nur wiedergefunden worden. Er wurde bereits 1986 in einer Bottroper Stadtzeitung veröffentlicht und geriet danach wieder in Vergessenheit. Der Brief vom 28. Juni 42 war bislang völlig unbekannt.

Die handgeschriebenen Briefe enthalten neben der Gefangenennummer 24479 auch Aufdrucke und Anweisungen des Lagerkommandanten. In einer gemeinsamen Initiative der Bottroper und Hiltruper Gemeinden, in denen Bernhard Poether verehrt wird, wurde beim Bistum ein Antrag auf Seligsprechung des Märtyrers eingereicht.