Bottrop. Zum 1. September startet die Rollout-Phase für das elektronische Rezept. Mediziner und Apothekerin erwarten Vorteile. Doch nicht von Anfang an.

Das E-Rezept kommt. Am 1. September startet im Bereich der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) eine sogenannte Rollout-Phase mit zunächst rund 250 Praxen, um die Funktionsfähigkeit des elektronischen Rezeptes für gesetzlich Versicherte zu erproben. Die ist nach der Erfahrung von Dr. Christoph Giepen, Allgemeinmediziner und Sprecher des Bottroper Ärztevereins, zum jetzigen Zeitpunkt noch stark verbesserungsbedürftig. „Völlig unausgegoren“ nennt er die Umstände rund um die digitalisierte Rezeptausstellung bislang, das Ganze sei aktuell „noch keine Verbesserung für niemanden“.

E-Rezept: Technisch sind Arztpraxen bereits angebunden

Zunächst einmal: Seine Praxis gehört nicht zu den 250 von der KVWL erwähnten Pilot-Praxen, „meines Wissens wurden wir nicht gefragt, ob wir mitmachen wollen. Wir würden uns sonst sicher melden“, sagt Giepen. Technisch aber seien alle Praxen, bis vielleicht auf wenige Ausnahmen, bereits digital so angebunden, dass sie E-Rezepte ausstellen könnten – um damit die bekannten rosa Papierzettel abzulösen.

Giepen hat das in seiner Gemeinschaftspraxis auch schon getan. „Wir könnten loslegen, wenn es denn praktikabel wäre.“ Aber eben daran, so der Allgemeinmediziner, hapere es. „Was im Moment funktioniert, ist: Wir legen ein E-Rezept an. Das wird auf einen Server hochgeladen. Dann drucken wir dem Patienten einen Barcode aus.“ Mit dem Ausdruck gehe er in die Apotheke, wo der Code wiederum eingelesen und das Medikament ausgegeben werde. „Das hat fehlerfrei geklappt“, berichtet der Ärztesprecher von bisherigen Versuchen. Aber darin bestehe ja noch keine Verbesserung gegenüber dem Ausdrucken und Vorzeigen des bisher üblichen rosa Papier-Rezepts.

Bottroper Mediziner: „Autorisierung in der App ist kompliziert“

Papierlos und tatsächlich digital mit allen Vorteilen soll das E-Rezept über eine App (E-Rezept-App) funktionieren, die die Patienten sich auf ihr Smartphone laden. Allein: Giepen berichtet, er habe in eineinhalb Monaten niemand finden können, auch nicht im privaten, digital bewanderten Freundeskreis, der diese App entsprechend hätte zum Laufen bringen können. Denn: „Der Patient muss sich in der App autorisieren, und das ist kompliziert.“

Dr. Christoph Giepen, Allgemeinmediziner und Sprecher des Bottroper Ärztevereins.
Dr. Christoph Giepen, Allgemeinmediziner und Sprecher des Bottroper Ärztevereins. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Gebraucht würden dazu eine NFC-fähige Krankenkassenkarte zur kontaktlosen Datenübertragung plus einer PIN-Nummer. Jedoch: „Mehrere Patienten haben mir gesagt, sie bekommen den PIN von der Krankenkasse nicht zugeschickt.“ Aus verschiedenen Gründen. Eine andere Möglichkeit zur Autorisierung bestehe darin, zunächst eine App der eigenen Krankenkasse zu installieren, die die elektronische Patientenakte beinhaltet. Diese könne dann wohl mit der E-Rezepte-App verbunden werden – „auch das hat aber noch keiner geschafft“, berichtet der Mediziner aus seinem ganz persönlichen Feldversuch. Sein Fazit: Die Gematik (siehe Infobox) müsse klarere, praktikablere Lösungen für die Autorisierung der Patienten anbieten.

KVWL fordert: E-Rezept über elektronische Gesundheitskarte einlösen

Und selbst wenn die geschilderten App-Wege problemlos funktionieren würden, gibt Giepen zu bedenken: „Das können nur junge Leute. Das muss auch anders gehen.“ Zum Beispiel über die allen Patientinnen und Patienten bekannte Krankenkassenkarte, „das wäre absolut sinnvoll“.

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Das deckt sich mit der Erwartungshaltung der KVWL: „Wir erwarten von der Gematik, dem Bundes­gesundheitsministerium und den Apothekenverwaltungssystem-Herstellern, dass das E-Rezept spätestens in drei Monaten mit der elektronischen Gesundheitskarte übertragen und eingelöst werden kann. Das ist die Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Einführung des E-Rezepts und nicht ver­handelbar.“

Apothekerin Birgit Lauer, Sprecherin der Bottroper Apothekerschaft.
Apothekerin Birgit Lauer, Sprecherin der Bottroper Apothekerschaft. © FUNKE/Fotoservices | Gerd Wallhorn

Die Apotheken auf der anderen Seite sehen sich zum 1. September bereit fürs E-Rezept. Birgit Lauter, Sprecherin der Bottroper Apothekerschaft, glaubt aber auch, dass die meisten Patientinnen und Patienten in der Anfangsphase den digitalen Schlüssel in der Arztpraxis als Papierausdruck erhalten und in der Apotheke vorlegen. Als Grund werden auch hier die „hohen technischen Hürden für die Nutzung des App-Weges“ genannt. „Hier sind aber derzeit einfachere, alternative Wege in der Umsetzung“, so Birgit Lauer. Wenn etwas nicht klappe, würden die Patienten jederzeit in den Apotheken beraten.

Bottroper Mediziner und Apothekerin: E-Rezept verspricht viele Vorteile

Funktioniert das Ganze reibungslos, erwarten Giepen wie Lauer Vorteile. So lasse sich der digitale Schlüssel des Rezeptes demnächst auch vorab an die Stammapotheke oder eine andere Apotheke in der Nähe schicken, erläutert die Apothekerin: „Wenn die Patientinnen und Patienten dann zu uns kommen, kann das Medikament schon zur Abholung bereitliegen.“ Oder es wird der Lieferdienst der Apotheke genutzt.

Giepen: „Stellen Sie sich vor, Sie haben einen chronisch kranken Patienten, der nur einmal im Quartal in die Praxis kommt, aber zwischendurch noch einmal etwas braucht.“ Dieser könne in der Praxis anrufen, das Rezept wird ausgestellt, seine App bimmelt, sobald das Rezept einlösbar ist. Dann könne der Patient sogar seine Favoritenapotheke hinterlegen, die das Medikament ausliefert. Es müsse kein Papier mehr ausgetauscht werden, Patienten hätten weniger Wege. Eine Erleichterung für die Patienten, aber auch für die Arbeit in den Praxen, wie Giepen betont.

Nationale Agentur für digitale Medizin

Die Gematik – nationale Agentur für digitale Medizin, trägt die Gesamtverantwortung für die Telematikinfrastruktur (TI), die zentrale Plattform für digitale Anwendungen im deutschen Gesundheitswesen.

Für Anwendungen wie die elektronische Patientenakte oder das E-Rezept schafft die Gematik die Rahmenbedingungen. Weitere Infos: gematik.de