Bottrop. Die Extraschicht machte in Bottrop das Gelände der alte Zeche Prosper II zu einer Festival-Oase. Daran hatte das Publikum besonders viel Freude.

Mit der ersten Extraschicht nach der langen Corona-Pause hat Bottrop das ganz große Los gezogen. So und ähnlich lauteten die Rückmeldungen der Besucher, die zur Eloria-Event-Fabrik kamen, um die Live-Acts unter dem Motto „Der Schwerkraft trotzen“ zu erleben. Und das war nicht nur Meinung der Bottroper Extraschicht Besucher, auch die vielen Gäste aus den Nachbarstädten konnten sich für das Programm begeistern. Julia und Dirk zum Beispiel hatten ihr Kind dem Babysitter übergeben und sich mit dem Extraschicht-Shuttle zum Malakoff-Turm aufgemacht. Und wie alle anderen kamen sie voll auf ihre Kosten.

Monsieur macht bei der Extraschicht in Bottrop Kunst. Die Zuschauerinnen und Zuschauer auf dem Gelände an der früheren Zeche Prosper II haben ihre Freude daran.
Monsieur macht bei der Extraschicht in Bottrop Kunst. Die Zuschauerinnen und Zuschauer auf dem Gelände an der früheren Zeche Prosper II haben ihre Freude daran. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Wie immer bei der Extraschicht ist die Stimmung locker, man schlendert noch über das Gelände, stärkt sich mit Würstchen oder genießt einen Gin Tonic Gurke, bevor das Programm beginnt. Den Opener macht das Improvisationstheater Emscherblut. Das Ensemble besteht in wechselnden Besetzungen schon seit mehr als 30 Jahren. Das Prinzip: Drei Spieler und ein Musiker stehen auf der Bühne und stellen sich den Herausforderungen des Publikums. Requisiten? Bühnenbild? Das ist alles tabu. Es sind die Zuschauer, die durch ihre Vorgaben das Geschehen auf der Bühne gestalten.

Wenn die Lunchbox dem Schornsteinfeger in den Kamin fällt

Das Publikum bestimmt das Genre, in dem sich die Akteure bewegen müssen - ob Science-Fiction, Heimatfilm oder Erotikthriller: alles ist möglich, alles ist erlaubt. Die Zuschauer können auch den Spielfluss jederzeit unterbrechen und zum Beispiel ein Lied fordern, dass der Akteur dann aus dem Stand zum Besten geben muss. So ist jeder Auftritt neu und absolut einmalig. Im ersten Sketch des Abends fordert das Publikum von Arnd Cremer als Hauptdarsteller einen Schornsteinfeger. Der Schauspieler bedient das mühelos und erfindet eine Geschichte, bei der eine in den Kamin gefallenen Lunchbox mit Leberwurstbrot, Erbsensuppe und einer Tüte Caprisonne auf den Plan gerufen wird.

Atemberaubende Artistik vor dem Tetraeder als Kulisse: Bei der Extraschicht lässt „Albers Ahoi“, etlichen Zuschauerinnen und Zuschauern den Atem stocken. Denn: Das Gesetz der Schwerkraft gilt schließlich auch für die Akrobatinnen aus Hamburg.
Atemberaubende Artistik vor dem Tetraeder als Kulisse: Bei der Extraschicht lässt „Albers Ahoi“, etlichen Zuschauerinnen und Zuschauern den Atem stocken. Denn: Das Gesetz der Schwerkraft gilt schließlich auch für die Akrobatinnen aus Hamburg. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Nach einer halben Stunde Improvisation geht es nahtlos auf der zweiten Open-Air Bühne direkt vor dem Malakowturm weiter. Da spielt das Hamburger Quintett „Albers-Ahoi“ - Markenzeichen weiße Hemden, breite Hosenträger, Akkordeon und Tuba - Lieder aus den 50-er Jahren, während im Vordergrund vier junge Akrobaten zeigen, wie sie das Motto „Der Schwerkraft trotzen“ verstehen: Drahtseilbalance und Jonglage mit brennenden Fackeln, Seil- und Luftakrobatik erzeugen eine zauberhafte Varieté-Atmosphäre.

Einer wie Chaplin macht auch das Publikum sprachlos

Und danach heißt es eine halbe Stunde lang: Monsieur macht Kunst. Nicht nur das Outfit erinnert an die Chaplin-Ära, auch die musikalische Begleitung der Pianistin Nora Born ruft Erinnerungen ans Stummfilmkino wach, während das Publikum staunend beobachtet, wie Monsieur, ohne ein einziges Wort zu sprechen, freundlich, hartnäckig, manipulativ, liebenswert und virtuos nicht weniger als acht Zuschauer auf die Bühne holt, darunter auch den sechsjährigen Mika, der am Anfang gar nicht so recht weiß, wie ihm geschieht. Die Amateure spannen Seile, auf denen Monsieur balanciert, halten rote Tastentelefone, machen Liegestütze zur Ertüchtigung und ganz am Ende liegen alle gemeinsam dem Publikum buchstäblich zu Füßen – und das Publikum feiert sie dafür mit frenetischem Applaus.

Bei der Extraschicht in Bottrop darf es selbstverständlich nicht fehlen: Bottroper Bier im Ausschank. Vor dem Malakowturm macht die Bottroper Marke ja auch richtig etwas her.
Bei der Extraschicht in Bottrop darf es selbstverständlich nicht fehlen: Bottroper Bier im Ausschank. Vor dem Malakowturm macht die Bottroper Marke ja auch richtig etwas her. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Zuletzt gehört die Bühne Tridiculous. Das sind drei junge Allrounder, die mit ungebremster Spielfreude, atemberaubenden perfekt choreographierten Breakdance-Einlagen und beeindruckender Klangvielfalt brillieren. Da trifft Beatboxing der Extraklasse auf pure Kraft und Dynamik, gepaart mit Humor und einer so charmanten Publikumsansprache, dass die drei Berliner nicht um eine Zugabe herumkommen. So können sie zeigen, dass die Gitarre und das Saxophon, die eine halbe Stunde am hinteren Bühnenrand standen, nicht nur Requisite sind.

Und nach der Zugabe ist in Bottrop noch lange nicht Schluss

Und nach der Zugabe? Ende und Schluss für heute? Nein, nach der Zugabe geht alles wieder von vorne los mit Emscherblut, Albers Ahoi Varieté, Monsieur und Tridiculous und das wiederholt sich noch zweimal in dieser Nacht. Wer dieses Comeback der Extraschicht erleben durfte, freut sich schon jetzt auf das Event im nächsten Jahr.