Bottrop. Bottrop ist über seinen Ruf als ewige Kohlestadt weit hinaus. OB Bernd Tischler reist als oberster Wirtschaftsförderer bis nach China. Ein Fazit.
Bottrop hat als Wirtschaftsstandort in den letzten zehn Jahren ein um ein Vielfaches höheres Niveau erreicht und ist über den Ruf der ewigen Bergbaustadt weit hinaus. So lautet ein Zwischenfazit des Bottroper Ressorts für Wirtschaftsförderung. Ausschlaggebend für diese Erfolgsgeschichte waren vor allem zwei Faktoren: die Ernennung zur Innovation-City-Klimamodellstadt und die Gründung der Hochschule Ruhr West. „Daraus entwickelt sich viel Gutes für die Stadt“, betont Ressortleiterin Sabine Wißmann. Innovation City wie Hochschule sichern Bottrop auch international Interesse.
So kommen zum Beispiel seit gut fünf Jahren weltweit renommierte Fachkräfte aus Wirtschaft und Wissenschaft zu Gipfeltreffen rund um die Circular Economy zusammen und tauschen sich über neue Ideen und Geschäftsmodelle ihrer jeweiligen Gastgeberregionen aus. In diesem Jahr fand das Treffen in Barcelona statt.
Bottrop wird zum Hotspot für zirkuläre Wertschöpfung
Im kommenden Jahr aber wird Bottrop dieser Hotspot für zirkuläre Wertschöpfung sein. Dann werden Experten am Prosperkolleg einem internationalen Fachpublikum gute Praxisbeispiele und Projekte aus der zirkulären Wirtschaft des Landes präsentieren. NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart ging dazu persönlich auf OB Bernd Tischler zu. Die Förderung der zirkulären Wertschöpfung sieht auch das örtliche Wirtschaftsressort als eine wichtige Zukunftsaufgabe an.
Gerade das Innovation-City-Projekt aber habe der Stadt zu einem ganz neuen Ansehen verholfen. „Wir trauen uns, Frontmann beim Klimaschutz und auch Blaupause für andere zu sein“, erklärt Sabine Wißmann. Oberbürgermeister Bernd Tischler reiste als gefragter Ansprechpartner zum Beispiel in die USA und nach China, und erläuterte dort, wie große Stadtteile einer alten Kohlestadt auf Energieeffizienz getrimmt werden können. „Ohne die Arbeit der Wirtschaftsförderung hätten wir das alles nicht“, bekräftigt Stadtsprecher Ulrich Schulze. Inzwischen führte OB Tischler auch erste Gespräche mit einem chinesischen Unternehmen, das Interesse an der Produktion von Elektrofahrzeugen in Bottrop hat.
Große Koalition im Bottroper Rat strebt Verbesserungen an
Dennoch steht das Ressort für Wirtschaftsförderung auf dem Prüfstand. SPD und CDU denken dabei auch an die Gründung einer eigenen Gesellschaft für Wirtschaftsförderung. Für dessen Leiterin ist das gar nicht so dramatisch. Es sei selbstverständlich, über eine Neuausrichtung und Neuorganisation nachzudenken, meint Sabine Wißmann. „Damit beschäftigen wir uns schon länger“, versichert sie.
Für die Großen Koalition im Rat scheint der Prüfauftrag auch keineswegs Ausdruck allzu großer Unzufriedenheit zu sein. „Das ist keine Kritik an der Leistung der Wirtschaftsförderung“, ordnete SPD-Fraktionschef Thomas Göddertz die beabsichtigte Stärkung der Wirtschaftsförderung ein, und Wirtschaftssprecher Volker Jungmann betonte für die CDU: „Wir haben vielmehr den Anspruch noch besser zu werden“.
Neue feste Stelle zur Förderung der Bottroper Freizeitwirtschaft
Der Prüfauftrag der Großen Bottroper Koalition richtet sich ohnehin an das Wirtschaftsförderungsressort selbst. Allerdings gehöre dazu auch, den Realitäten Rechnung zu tragen, meint Sabine Wißmann. Die Gründung der Gesellschaft für Wirtschaftsförderung in Duisburg etwa sei mit einer großen personellen Aufstockung einher gegangen. Auch das Bottroper Ressort für Wirtschaftsförderung bekommt erst einmal dauerhaft ein wenig mehr Personal. Der Rat machte auf Vorstoß der GroKo eine befristete Stelle zum Dauerjob, damit die Stadt unter dem Label „Fun-City“ besser vom Freizeittourismus profitieren kann.
Dabei gehe es nicht allein um die fünf großen Bottroper Freizeitstätten von Alpincenter bis Movie Park, macht Abteilungsleiterin Dorothee Lauter klar. „Tourismus ist ein wesentlicher Faktor geworden“, betont sie. Bottrop habe da Nachholbedarf. Es sei nötig, auch kleinere Freizeitstätten wie etwa die Grafenmühle in die Fun City einzubinden – oder selbst das Museum Quadrat. Freizeittourismus bringe Bottrop ein besseres Image, aber auch wirtschaftlich könnten von Hotels bis zu Gastronomien viele in der Stadt profitieren; letztlich sogar das Jobcenter durch die Vermittlung von Jobs für seine Kunden.
Wirtschaftsförderung ist personell ganz ordentlich aufgestellt
Immer wichtiger werde aber, damit auch aufzufallen. „Wenn wir der Ruhrgebietstourismus-Gesellschaft nicht von uns aus sagen, hier gibt es eine coole Veranstaltung, dann berichtet die nicht darüber“, macht Stadtsprecher Schulze das handfest. „Wichtig ist, dass Google das Richtige findet, die Leute suchen schließlich ja so. Das ist hochkomplex und dazu braucht man Manpower“. Dabei arbeiteten daran nicht nur die Wirtschaftsförderinnen, sondern zum Beispiel auch die Leute im Kulturamt. Diese Einbettung in weitere städtische Fachressorts der Stadt sei also nicht das Schlechteste, merkt Sabine Wißmann mit Blick auf die Organisationsdebatte an.
Dabei sieht sie ihr eigenes Ressort mit insgesamt 21 Köpfen personell ganz ordentlich aufgestellt. Allerdings sei ziemlich genau die Hälfte der Stellen an befristete Verträge für insgesamt mit Millionensummen geförderte Projekte gebunden: etwa für Fun City, für das Innenstadt-Sofortprogramm, den Breitbandausbau, das Prosperkolleg, die Wirtschaftsallianz oder den Hol- und Bringdienst Louise.
Firmenchefs müssen ämterübergreifend Hilfe bekommen
Für die Ressortleiterin bedeutet dies aber, dass sie diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für andere Aufgaben gar nicht einsetzen darf. „Wichtig wäre für solche Projekte eine finanzielle Anschlussförderung und eine Verstetigung der Aufgaben mit eigenem Personal. Bei Fun City ist uns das jetzt gelungen“, sagt Sabine Wißmann.
CDU-Wirtschaftssprecher Volker Jungmann sieht die Aufgabe der Wirtschaftsförderer in etwa so: Wer in Bottrop als Unternehmer aktiv werden will, soll ämterübergreifend begleitet werden, um seine unternehmerischen Ziele verwirklichen zu können. Das sieht Wirtschaftsförderin Sabine Wißmann nicht viel anders: „Wir sind Türöffner, keine Ermöglicher“, betont sie; egal ob Geschäftsleute ein Ladenlokal eröffnen wollen oder Firmenchefs ihren Betrieb ausbauen oder sich neu in Bottrop ansiedeln wollen.
Runder Tisch im Bottroper Rathaus klärt offene Fragen
Ohne die Kenntnisse der Fachressorts vom Bauordnungsamt bis hin zur Feuerwehr gehe da nichts. „Vieles davon hat vorbeugende Funktion, bevor etwas passiert. Wenn es etwa in einem Geschäft zu einer Verunreinigung mit Coli-Bakterien kommt, dann ist das ja auch für den Geschäftsinhaber eine Katastrophe“, macht Stadtsprecher Ulrich Schulze das Prinzip klar. Vorschriften seien nicht hinderlich, sondern hilfreich.
„Wir vermitteln diese Kontakte und bleiben auch mit den Interessenten in Kontakt. Wir möchten selbstverständlich auch wissen, ob alles läuft oder ob wir vermitteln können, falls es Probleme gibt“, erklärt Wirtschaftsförderin Sabine Wißmann. Dabei kommen von der Kanalisation bis zum Internetanschluss viele Fachfragen auf, die an einem Runden Tisch mit den Mitarbeitern der städtischen Fachämter beantwortet werden. „Wir begleiten die Unternehmen auch in der Frage, welche Fördergelder es gibt“, sagt sie.
Einmal pro Woche fragt eine neue Firma in Bottrop an
Gut einmal pro Woche wenden sich Firmen, die sich für eine Niederlassung in Bottrop interessieren, an die Wirtschaftsförderinnen. „Tendenziell häufiger“, sagt Sabine Wißmann. In den allermeisten Fällen meldeten sich aber ansässige Betriebe, die mehr Platz brauchen. Ihnen dann zu helfen, sei zur Zeit nicht einfach. „Freie städtische Flächen haben ja wir keine mehr“, betont Sabine Wißmann. Außerdem weiß die Ressortleiterin nur zu gut. „Einen Kirchhellener Unternehmer in den Bottroper Süden zu verlegen, geht überhaupt nicht“.
Moderne Gewerbegebiete etwa im Freiheit-Emscher-Gebiet zwischen Bottrop und Essen oder auf den anderen Bottroper Zechenstandorten zu entwickeln, dauere noch Jahre. Auch das seit langem für Firmenansiedlungen vorgesehene Kraneburger Feld an der Bundesstraße B 224 sei nicht von heute auf morgen nutzbar. So geht Sabine Wißmann davon aus, dass sich dort erst wieder etwas tut, wenn die B 224 zur Autobahn A 52 ausgebaut ist.