Essen. / Bottrop. Seine Nachbarn hatte der Bottroper bedroht, weil sie sich über ihn beschwert hatten. Vor dem Essener Gericht geht es um versuchten Totschlag.
Fast drei Jahre liegt der Streit unter Bottroper Nachbarn zurück. Obwohl sich Gerichte schon zweimal angehört haben, was die Zeugen zu erzählen haben, ist die Justiz noch immer nicht zum Abschluss gekommen. Am Dienstag versucht die VI. Essener Strafkammer einen neuen Versuch, den dritten.
Am 28. Dezember 2018 hatte der heute 41 Jahre alte Angeklagte im Keller seiner Wohnung, die am Rande der Bottroper Innenstadt liegt, mit Freunden gefeiert. Sie tranken reichlich Alkohol, drehten die Musik lauter. Die Stimmung war gut.
Nachbarn war die Musik zu laut
Mit jedem Dezibel Lautstärke sank aber die Stimmung seiner Nachbarn. Irgendwann alarmierte ein Ehepaar die Polizei und bat um Hilfe gegen die Ruhestörung. Gegen Mitternacht schellten die Beamten bei ihm und forderten ihn auf, ruhiger zu sein. Offenbar, zumindest soll es so in der Akte stehen, teilten die Polizisten ihm auch mit, wer sich über ihn beschwert hatte.
Die Beamten hatten sich längst verabschiedet, da schritt er laut Anklage zur Tat. Um 0.40 Uhr stand er vor der Tür der Nachbarn und begehrte Einlass. Allerdings nicht durch Klingeln, sondern durch Tritte und Faustschläge gegen die Tür.
Mit dem Tode bedroht
Als der Nachbar die Tür öffnete, griff er diesen laut Anklage sofort an. Zuerst soll er an dessen Hals gepackt haben. Und dann die Schreckschusspistole, die er mitgebracht haben soll, gegen die Schläfe des Mannes gehalten haben. Unverblümt drohte er ihm: "Ich werde euch noch töten."
Anschließend soll er ihm zwei Kopfstöße versetzt und gegen die Brust geboxt haben. Was sein Opfer, das einen Herzschrittmacher trägt, als besonders gefährlich empfunden haben muss.
Die Ehefrau als "Hure" beschimpft
Als die Ehefrau ihrem Mann helfen wollte, soll er auch diese angegriffen und gewürgt haben. Massiv beleidigte er sie: "Du alte Hure. Du wirst nicht mehr singen." Ihr soll er die Pistole gegen die Stirn gedrückt haben, bevor er ihrem Mann den Pistolenkolben auf den Kopf schlug.
Das Ehepaar hatte wohl keine Chance gegen den 41-Jährigen. Erst zwei Zeugen, so die Anklage, gelang es, ihn zu überwältigen und mit Gewalt nach draußen zu bringen. Die beiden Opfer erlitten zahlreiche Blutergüsse, der Ehemann sogar einen Nasenbeinbruch.
Amtsgericht sah ein versuchtes Tötungsdelikt
Angeklagt hatte die Staatsanwaltschaft die Tat als gefährliche Körperverletzung vor dem Bottroper Amtsgericht. Das sah nach der Beweisaufnahme aber den Verdacht auf ein versuchtes Tötungsdelikt. Denn eine Zeugin hatte wohl gesagt, der Angeklagte habe den Abzugshahn der Pistole zweimal betätigt, als er die Waffe vor die Stirn der Ehefrau gehalten habe. Ein Defekt in der Waffe habe die Zündung der Patrone aber verhindert.
Zuständig für Tötungsdelikte ist aber ausschließlich das Schwurgericht. So verwies das Amtsgericht den Fall am 20. November vergangenen Jahres nach Essen.
Neuer Gutachter für die Schuldfähigkeit
Das Schwurgericht hatte den Fall deshalb im Frühjahr verhandelt und alle Zeugen gehört. Zum Schluss zeigte sich das Gericht aber unzufrieden mit dem psychiatrischen Gutachten.
Daher jetzt der neue Anlauf. Mit dem Psychologen Volker Scherbaum sitzt ein neuer Gutachter im Verfahren, der die Schuldfähigkeit des Angeklagten überprüfen muss. Zwei weitere Sitzungstage sind terminiert.