Bottrop. Der Zeitplan zur Fertigstellung der Brücke im Fuhlenbrock in Bottrop verzögert sich. Die Ingenieure und Bauleitung erklären die Gründe.
Haben Sie schon einmal von einer Gradiente gehört? Nein? Macht nichts, dieser Fachbegriff gehört nicht zur Allgemeinbildung und stammt aus dem Ingenieurwesen. Aber jene Gradiente, also der Höhenverlauf einer Trasse, hat eine wichtige Bedeutung für die gesperrte Brücke „Im Fuhlenbrock“.
Eigentlich sollte die Brücke im Juli wieder für den Verkehr freigegeben sein. Stattdessen hat sich der Zeitplan verzögert. „Im Zuge der Arbeiten hat sich herausgestellt, dass die Brücke größere Schäden aufweist als vermutet“, erklärt Markus Keus, Projektingenieur der RAG Montan Immobilien. Die RAG ist Eigentümerin der Brücke. Das Ausmaß des Problems wurde erst im Rohzustand sichtbar.
Brücke im Bottroper Fuhlenbrock: Die Oberfläche des Rohbaus ist uneben
Eine ohnehin eingeplante Vermessung nach der Freilegung gab schließlich Gewissheit. Laut Simon Ostermann, Bauleiter der ausführenden Firma Heitkamp, zeigt die Oberfläche des Bauwerks eine „Welligkeit“ und „Verdrehung“ auf. An manchen Stelle sogar einige Zentimeter. „Das war im Vorfeld der Planung nicht vorherzusehen. Dafür hätte man das Bauwerk komplett freilegen müssen“, sagt Mike Friedrich vom Ingenieurbüro Ahlenberg. Man kann diese Verdrehung gar nicht mit dem bloßen Auge erkennen, sondern nur durch die exakte Vermessung der Oberfläche des Rohbetons.
Die Experten gehen davon aus, dass die Ursache auf die damalige Bauweise der Brücke zurückzuführen ist. Damals habe man anders gebaut, so die Meinung. Die Brücke selbst stammt aus den frühen 1950er-Jahren, hat außerdem einige Jahrzehnte sowie das Gewicht von unendlich vielen Autos und Lkw auf dem Buckel.
Betonschicht kann acht Zentimeter dick sein
Nun kommt die Gradiente ins Spiel, genauer gesagt: eine Ausgleichsgradiente. Weil eben die ursprüngliche Trasse verformt war, war ein zusätzlicher Bauschritt notwendig, um eine gleichmäßige Oberfläche des Rohbaus herzustellen. „Wir haben mit der Ausgleichsgradiente die Basis für unseren weiteren Ausbau geschaffen“, sagt Maik Friedrich.
Die Verantwortlichen halten sich hierbei an eine gesetzliche Norm für die Instandhaltung von Brücken. Auf dem gesamten Brückenstück musste eine Betonschicht in unterschiedlicher Dicke, teilweise acht Zentimeter, aufgetragen werden, um die Unebenheiten zu beheben. Ohne die Verdrehung wäre es einfacher und schneller gegangen. Dann hätte die erste Betonschicht auf der Fläche problemlos verteilt werden können. „Letztlich haben wir so einen erheblichen Mehraufwand“, sagt Friedrich.
Wenn man die Brücke mit einem Kuchen vergleicht, könnte man sagen, der Tortenboden ist bald fertig. Fehlen nur noch die Schichten, die bald in die Höhe wachsen. Mittlerweile sind die Bauarbeiter damit beschäftigt, Mörtel in Streifen in exakt vorgegebener Höhe auf der Betonfläche aufzutragen. Hier ist Millimeterarbeit mit einer Wasserwaage gefragt.
Schicht für Schicht bis zur Fahrbahndecke
Baukosten: eine Million Euro
Die Gesamtkosten für die Instandhaltung der Brücke im Fuhlenbrock belaufen sich nach Angaben der RAG Montan Immobilien auf knapp eine Million Euro. Der Radweg unterhalb der Brücke, eine ehemalige Trasse der Zechenbahn Jacobi-Haniel, kann trotz der Bauarbeiten weiterhin genutzt werden. Eine Umleitung ist ausgeschildert. Der Weg gehört zum Radwegenetz des Regionalverbandes Ruhr.
Sobald die Mörtel ausgehärtet sind, werden darauf 1,4 Millimeter dünne Lamellen, die mit Kohlefasern verstärkt sind, geklebt. Diese sind korrosionsbeständig und dehnen sich bei hohen Temperaturen nur minimal aus. Anschließend folgt eine weitere Betonschicht, eine Schicht mit Epoxidharz als Versiegelung sowie eine Schicht aus Bitumen und letztlich die Fahrbahndecke.
Auf ein konkretes Datum, wann die Brücke im Fuhlenbrock wieder für den Verkehr freigegeben wird, möchte sich Mike Friedrich nicht festlegen. Anvisiert wird Mitte, Ende Oktober dieses Jahres.