Bottrop / Mülheim. Vor 15 Jahren wurde bei Darius Braun ein Hirntumor entfernt – jetzt radelt er 2500 Kilometer durch Deutschland. Und das ist nur eine Aufwärmrunde

Vor dem Lenker baumelt eine Tasche, auf dem Gepäckträger sind weitere Taschen und Beutel befestigt – es ist schon einiges an Gepäck, was Darius Braun auf seinem Fahrrad transportiert. Rund 35 Kilo seien das wohl, schätzt der 30 Jährige. Das relativiert sich jedoch, wenn man hört, welche Tour Darius Braun absolviert. Von Salem am Bodensee aus ist er zu einer rund 2500 Kilometer langen Rundtour aufgebrochen. Knapp 900 Kilometer hat er nun absolviert, nach einer Übernachtung in Mülheim schaut er sich nun im Ruhrgebiet um. Da steht auch ein Zwischenstopp in Bottrop auf dem Programm.

Martin Antonin kennt Darius Braun von der Arbeit. Er hat den Schwaben überzeugt, auf seiner Tour durch Deutschland auch einen Abstecher nach Bottrop zu machen.
Martin Antonin kennt Darius Braun von der Arbeit. Er hat den Schwaben überzeugt, auf seiner Tour durch Deutschland auch einen Abstecher nach Bottrop zu machen. © FUNKE Foto Services | Joachim Kleine-Büning

Als wäre die 2500-Kilometer-Tortur nicht genug, so ist es vor allem auch das Schicksal des 30-Jährigen, das aufhorchen lässt. Denn dass er je zu so einer Tour würde aufbrechen können, das hätte vor 15 Jahren niemand für möglich gehalten. Damals haben die Ärzte ihm einen „kartoffelgroßen“ Hirntumor entfernt. Nach der OP ist Darius Braun linksseitig gelähmt, selbst nach der Reha ist an Radfahren nicht zu denken. „Ich hatte Gleichgewichtsprobleme, konnte kaum laufen, bin immer wieder hingefallen“, erinnert er sich.

Darius Braun ist ehemaliger Leistungssportler und hart gegen sich selbst

Doch der ehemalige Leistungssportler – Darius Braun hat es als Ruderer in süddeutsche Auswahlteams geschafft, hätte ein spezielles Sportinternat besuchen sollen – gibt nicht auf. Er trainiert, übt wie besessen und tatsächlich schafft er es wieder so fit zu werden, um Fahrrad fahren zu können. Dazu gehören Ehrgeiz, Trotz und auch eine gewisse Härten gegen sich selbst. „Wenn man 20mal oder mehr mit dem Fahrrad umfällt, dann muss man auch wieder aufstehen“, sagt Darius Braun.

Der ehemalige Hirntumorpatient Darius Braun radelt 2500 Kilometer quer durch Deutschland. In Mülheim macht er einen Tag Pause.
Der ehemalige Hirntumorpatient Darius Braun radelt 2500 Kilometer quer durch Deutschland. In Mülheim macht er einen Tag Pause. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Eine Einstellung, die sich auch im Motto seiner Tour wieder findet. Er hat sie überschrieben mit „… und trotzdem!“. Schließlich geht es ihm darum zu zeigen, was er nach dieser schweren Krankheit erreichen konnte. Eine Tour, die Ärzte und Reha-Trainer so nicht für möglich gehalten hätten. Und das Motto ist unfreiwillig doppelt aktuell geworden. Denn die Deutschlandtour ist für Darius Braun ja eigentlich nur zweite Wahl, quasi eine erzwungene Aufwärmrunde. Denn eigentlich hatte er eine 20.000-Kilometer-Tour vor der Brust. Von kanadischen Calgary bis hinunter nach Südamerika, immer entlang der berühmten Panamericana. Doch da hat Corona ihm einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im nächsten Jahr will er es erneut versuchen.

Zuletzt hat er in Mülheim übernachtet, tagsüber macht er einen Abstecher nach Bottrop

Und trotzdem – nun also die Tour durch Deutschland. Übernachtet hat er von Donnerstag auf Freitag bei einem Freund aus Mülheim. Dort bleibt er noch eine zweite Nacht, schaut sich nun einen Tag im Ruhrgebiet an, zuvor war er in Köln. Die Menschen im Ruhrgebiet, ihre Offenheit, das unterscheide sich doch von der schwäbischen Heimat und es komme ihm entgegen, sagt er. Der Bottroper Martin Antonin kennt Darius Braun von der Arbeit, kannte seine Tourenpläne und hat ihn überzeugt auch in Bottrop vorbei zu schauen. „Ich finde seine Geschichte einfach unglaublich spannend. Die muss er einfach erzählen.“

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Das hat Darius Braun auch vor. Mit seiner Tour unterstützt der die Hirntumorhilfe, wirbt für sie und sammelt Spenden. Er ist fest entschlossen, seine Geschichte zu erzählen. Eine Zeit lang hat er als Reiseleiter gearbeitet, unter seinen Gästen sei auch ein Psychologe gewesen. „Der hat zu mir gesagt, meine Geschichte nicht zu erzählen, dass wäre unterlassene Hilfeleistung.“ Inzwischen kann Darius Braun sich auch vorstellen, sein Schicksal aufzuschreiben.

Ab Mitte September arbeitet Darius Braun in Baden-Württemberg als Lehrer

Aber damit muss er noch warten. Ende August muss er wieder in der Heimat sein, ab Mitte September wird er zunächst für mindestens ein Jahr als Lehrer arbeiten. Denn auch Abitur und Studienabschluss hat sich der Süddeutsche erkämpft. „Nach meiner OP und der Reha hat man mir geraten, einen Hauptschulabschluss und eine Ausbildung zu machen“, erinnert er sich. Doch auch hier setzt er sich durch.

In Bottrop nimmt Martin Antonin ihn jetzt noch mit auf die Halde, zum Tetraeder, die obligatorische Currywurst zum Abschluss darf nicht fehlen. Dann geht’s wieder Richtung Mülheim. Der Freund dort besitzt ein Fahrradgeschäft. Der hat ihm das Rad vor der Tour schon einmal ergonomisch eingestellt, jetzt wurde nach rund 900 Kilometern noch einmal nachgebessert. Am Samstag geht's dann weiter Richtung Münster, es folgen Etappen in Osnabrück, an Nord- und Ostsee. Dabei übernachtet Darius Braun entweder bei Freunden oder aber im Zelt. „Meist frage ich einen Bauern, ob ich irgendwo bei ihm das Zelt aufbauen kann.“