Bottrop. 34 Kinder ziehen im Herbst in die alte Allermann-Villa. Umbau eines Baudenkmals braucht mehr Zeit. Gruppen bleiben bis dahin im Martinszentrum.

Die vielleicht schönste Kindertagesstätte der Stadt entsteht an der Pfarrstraße, mitten in der Stadt. Ein Glücksfall - und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Einmal erweitert damit die evangelische Kirchengemeinde ihr Kita-Angebot in Bottrop um zwei auf dann 44 Gruppen. Die 34 Kinder, davon 12 in der neuen Ü-3-Gruppe, werden eine wichtige Zeit ihre Lebens in einer Atmosphäre verbringen, die familiäre Geborgenheit und historisches Ambiente mit modernen Anforderungen an eine Kita verbindet.

Historische Details und Raumaufteilung bleiben erhalten

Es scheint alles zu passen: „Wir kommen mit dem Eigentümer, einem Nachfahren der bekannten alten Bottroper Familie Allermann, sehr gut zurecht, er hilft uns, wo er kann, hat sogar selbst mitgemacht, als alte Tapeten abgerissen wurden. Die Nachbarn in diesem City-Wohngebiet stehen uns positiv gegenüber und auch die Denkmalschützer unterstützen uns sehr“, sagt Stefanie Reich. Sie ist Leiterin des Kita-Fachbereichs der evangelischen Kirche, die ab August die neue Einrichtung betreibt. Ab August? „Ja, zunächst können wir die beiden Gruppen im Martinszentrum unterbringen, eine ganz tolle Gastfreundschaft, aber im Oktober werden wir wohl in die Pfarrstraße 11 einziehen können“, so Reich. Bauleiter Claudius Kühne nickt zuversichtlich.

Dieser eingebaute Bücherschrank bleibt, wie so manches andere Detail aus der Entstehungszeit der Allermann-Villa auch, für die neue Kita erhalten. Sabine Reich, Bauleiter Claudius Kühne und die künftige Leiterin Julia Krahnert (v.r.) freuen sich auf die Eröffnung.
Dieser eingebaute Bücherschrank bleibt, wie so manches andere Detail aus der Entstehungszeit der Allermann-Villa auch, für die neue Kita erhalten. Sabine Reich, Bauleiter Claudius Kühne und die künftige Leiterin Julia Krahnert (v.r.) freuen sich auf die Eröffnung. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Er weiß am besten, dass man beim Bauen im Bestand, vor allem, wenn es sich um ein Baudenkmal handelt, immer mit Verzögerungen rechnen muss. „Eine alte Gaube musste erneuert werden, das historische Parkett war wegen eines giftigen Klebers nicht zu halten.“ Nur einige Beispiele, die Kühner nennt. „Dafür konnten wir nun eine Fußbodenheizung bekommen“, so Julia Krahnert. Sie ist die neue Leiterin der Kita Pfarrstraße und freut sich besonders, dass in diesem traditionsreichen Familienhaus bald Alt und Neu aufeinandertreffen.

Da ist ein eingebauter Bücherschrank aus der Entstehungszeit, die Treppe, mit dem historischen Handlauf, intensiv gelbe Kacheln mit einer Zierleiste aus den 20er Jahren weisen den Weg in den früheren Küchentrakt, wo bald Sanitärräume für die Kinder sein werden. In einer Nische ein altes Handwaschbecken mit historischer Armatur. Weiß lackierte Einbauschränke bieten auch künftig Stauraum.

Eigentümer packt mit an

Da das ursprüngliche Raumgefüge erhalten bleibt, lässt sich gehoben bürgerliche Wohnkultur nebst Dienstboteneingang und -zimmern unter dem Dach immer noch nachvollziehen. Zu alten Ausstattungsstücke, die bleiben beziehungsweise wiederkommen, gehören nicht nur frühere Aussteuertruhen, die der Besitzer den neuen Mietern überlässt. „Auch die historischen Deckenleuchter hat Herr Allermann überarbeiten lassen. Die werden im Eingang und zum Teil in den ehemaligen Wohnräumen wieder angebracht“, erzählt Stefanie Reich.

Noch ein historisches Detail: Julia Krahnert zeigt das Handwaschbecken im ehemaligen Küchentrakt des Hauses.
Noch ein historisches Detail: Julia Krahnert zeigt das Handwaschbecken im ehemaligen Küchentrakt des Hauses. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Die Denkmalbehörde in Bottrop, aber auch die in Münster, hat das für eine Kita komplizierte Vorhaben positiv begleitet. „Und wir haben uns natürlich beim Erhalt des äußeren Gesamtbildes, aber auch bei modernen Ergänzungen an die Vorgaben gehalten“, so Claudius Kühne. Der alte Treppenaufgang am Haupteingang wird originalgetreu wieder aufgemauert. Sämtliche Türen werden überarbeitet wieder eingebaut, nun mit dem vorgeschriebenen Fingerklemmschutz versehen. Natürlich bleiben die Originalfenster erhalten. Von innen setzte man allerdings zusätzlich Kastenfenster davor. Energieersparnis und Schallschutz sind da die Zauberworte.

Alle setzen auf gute Nachbarschaft

Das wird die Nachbarn ebenso freuen wie das Versprechen, die klassische Mittagsruhe von 13 bis 15 Uhr einzuhalten. „Dann bleiben die Kinder drinnen, wenn wir nicht sowieso einen Ausflug machen“, sagt die neue Leiterin. Neben dem wunderschönen Haus sei nämlich auch die Lage perfekt: mittendrin und trotzdem nah zu Ehrenpark, Stadtgarten oder für eine Exkursion zum Wochenmarkt. Beide Gruppen sind übrigens schon voll.

Situation der Bottroper Kitas aus städtischer Sicht

Wenn im August das neue Kita-Jahr beginnt, steht Bottrop mit seinem Platzangebot recht gut da. Mit 428 Plätzen für Kinder ab drei Jahren und 141 Plätzen für Kinder unter drei Jahren decke die Stadt die Bedarfsquoten zu 106,6 Prozent – beziehungsweise zu 37,3 Prozent bei den unter Dreijährigen – ab, sagt Nadine Granow-Keysers.

Die über 100-prozentige Platzabdeckung bei den älteren Kindern lasse sich darauf zurückführen, dass nicht alle Kinder die volle Stundenzahl in Anspruch nähmen, so die stellvertretende Leiterin des städtischen Fachbereich Jugend und Schule. Auch bei der U-3-Quote liege Bottrop über dem Durchschnitt, der in der Region etwa 35 Prozent betrage. Neun neue Kitas wird es in der Stadt geben.

Unterschiede von Stadtteil zu Stadtteil

Dabei gebe es natürlich Unterschiede von Stadtteil zu Stadtteil. In Kirchhellen liege beispielsweise die die Bedarfsquote für U3-Kinder bei 50 Prozent, hier würden mehr Plätze benötigt. In Ebel würden die U-3-Plätze dagegen nur mäßig nachgefragt.

Nadine Granow-Keysers, stellv. Leiterin des Fachbereichs Jugend und Schule, blickt optimistisch auf das neue Kita-Jahr.
Nadine Granow-Keysers, stellv. Leiterin des Fachbereichs Jugend und Schule, blickt optimistisch auf das neue Kita-Jahr. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Pünktlich zum Beginn des Kita-Jahrs wurden drei Einrichtungen fertiggestellt: die Kita am Lamperfeld 18, die Kita Fuhlenbrock und die Villa Kunterbunt. Mit der Eröffnung spätestens zum Jahresende rechnet Nadine Granow-Keysers bei der Kita Welheimer Mark und an der Pfarrstraße 11 (siehe oben). Das gilt auch für die Kita an der Horsthofstraße in Kirchhellen.

Mit der Inbetriebnahme der neuen Kita in der ehemaligen Rheinbabensauna könne Ende 2020 oder im Frühjahr 2021 gerechnet werden. Die neue Awo-Einrichtung in der Boy an der Kloster-/Ecke Johannesstraße werde wohl erst im nächsten Frühjahr an den Start gehen. Bei der DRK-Kita am Südring sei der Eröffnungstermin noch offen.

Mit einem guten Gefühl ins neue Kita-Jahr

Insgesamt gehe sie aber mit viel Optimismus und einem gutem Gefühl in das neue Kita-Jahr, sagt Nadine Granow-Keysers. Von einer angespannten Situation könne man in Bottrop nicht sprechen, auch wenn manche Eltern nicht den Platz in einer der drei angegebenen Wunsch-Kitas bekommen könnten.