Bottrop. Die Kommunalaufsicht ordnete die Bestellung des AfD-Ratsherrn Guido Schulz in den Sozialausschuss an. Andernfalls droht sie mit Zwangsmaßnahmen.
Der Stadtrat kommt am nächsten Dienstag, 21. Juli, zu einer Sitzung mit einem einzigen Tagesordnungspunkt zusammen: die Besetzung des Ratsausschusses für Soziales, Gesundheit und Familie. Nötig wird die Sondersitzung wegen einer Anordnung der Kommunalaufsicht der Bezirksregierung Münster. Danach hat die Stadt den AfD-Ratsherrn Guido Schulz spätestens bis zum Mittwoch, 22. Juli, in den Ausschuss zu bestellen. Weigert sich der Rat ein weiteres Mal, droht die Behörde mit einer Vollstreckungsmaßnahme.
"Dem Rat der Stadt Bottrop steht es nicht zu, die Bestellung des Ratsherrn Schulz zum beratenden Mitglied des Ausschusses für Soziales, Gesundheit und Familie abzulehnen", erklärt Regierungsrat Sandro Wiggerich in einem Schreiben an Oberbürgermeister Bernd Tischler. Die Mehrheit des Rates hatte AfD-Vertreter Guido Schulz jedoch Ende Juni bereits zum dritten Mal den Sitz in seinem Wunschausschuss verweigert.
Bottrops Verwaltung rechnet nicht mit Einlenken
Damit verhalte sich die Stadt rechtswidrig, stellt die Kommunalaufsicht fest. Weil OB Bernd Tischler in Urlaub ist, hatte Beigeordneter Paul Ketzer den Beschluss des Rates zuvor pflichtgemäß beanstandet und die Kommunalaufsicht informiert. Die Behörde hob den Ratsbeschluss daraufhin einmal mehr auf. Durch die Sondersitzung soll der Stadt nun "eine letzte Möglichkeit gegeben werden, noch durch ihr eigenes Handeln auf den Pfad des Rechts zurückzukehren", begründete Regierungsrat Wiggerich die Anordnung der Behörde.
Weder die Verwaltungsspitze noch die Kommunalaufsicht rechnen allerdings damit, dass es dazu kommen wird. Denn für die Mehrheit der Ratsmitglieder ist die Bestellung des AfD-Vertreters eine Gewissensfrage. Sie sehen in der AfD, die von Verfassungsschutz in Teilen als rechtsextrem verdächtigt wird, eine Gefahr für die Demokratie. Ratsvertreter von SPD, Grünen, Linken, DKP und ÖDP weigern sich daher immer wieder, für den AfD-Ratsherrn Schulz abzustimmen und missachten damit ganz bewusst auch die Vorschriften.
Bottroper Ratsherr hat Recht auf Ausschusssitz
Denn danach hat jedes Ratsmitglied das Recht, mindestens einem der Ausschüsse des Rates als Mitglied mit beratender Stimme anzugehören. Dies sei eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass ein Ratsmitglied sein freies Mandat ausüben könne, weist Regierungsrat Wiggerich auf die Bedeutung der Vorschrift hin. "Dem einzelnen Ratsmitglied steht es zu, selbst zu bestimmen, welchem Ausschuss es angehören möchte", stellt der Jurist klar. Der Rat habe bei der Bestellung nicht einmal einen Auswahlspielraum. AfD-Vertreter Schulz habe ja auch ausdrücklich erklärt, dass er beratendes Mitglied im Sozialausschuss werden möchte.
Der Vertreter der Kommunalaufsicht erläutert, dass sich die Behörde mit ihrer Anordnung keineswegs in die politischen Auseinandersetzungen der Ratsparteien einmische. "Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass die Entscheidung für oder gegen ein Einschreiten nicht von politischen Opportunitätserwägungen abhängt", erklärt Sandro Wiggerich. "Zweck ist es nicht, eine bestimmte politische Richtung zu bevorzugen oder zu benachteiligen", stellt der Jurist klar. Ziel der Rechtsaufsicht sei es vielmehr, den gesetzlichen Normen der Gemeindeordnung ungeachtet politischer Erwägungen zur Geltung zu verhelfen.
Einberufung wegen Corona-Krise möglich
Offiziell sei zwar gar keine Sitzung des Bottroper Sozialausschusses mehr geplant, ist auch der Kommunalaufsicht klar, andererseits könne es wegen der Corona-Krise jedoch durchaus nötig werden, dass der Fachausschuss des Rates doch noch einmal zu einer außerordentlichen Sitzung vor der nächsten Kommunalwahl einberufen werde, argumentiert Regierungsrat Wiggerich - dann aber mit AfD-Ratsherr Gudio Schulz als beratendem Mitglied.
Während die AfD das Einschreiten der Kommunalaufsicht für überfällig hält, stößt die Einberufung der Ratssitzung bei Linkspartei und DKP auf Ablehnung. Die DKP kritisiert, dass durch die Sondersitzung hohe Kosten für die Stadt entstehen. Die Linke spricht wegen der erzwungenen Ratssitzung von Nötigung. „Die DKP wird auch in der Sondersitzung des Rates keinen Vertreter der AfD in den Sozialausschuss der Stadt wählen. In dieser Partei sind Faschisten, Nationalisten und Rassisten in zentralen Funktionen“, bekräftigte DKP-Ratsherr Michael Gerber. Für die Linkspartei, die die Schulz-Bestellung ebenfalls ablehnt, tritt die Kommunalaufsicht die demokratische Willensbildung des Rates mit Füßen.
Ratsmitglieder sind bereits in Urlaub
"Ich finde es auch eine Zumutung als gewähltes Ratsmitglied in einem solchen Ton von Verwaltungsbeamten, die anders als ich nicht von den Menschen in unserer Stadt gewählt sind, belehrt zu werden", sagt Linke-Sprecher Niels Schmidt. Eine solche Maßregelung stehe der Kommunalaufsicht nicht zu. Weil Ratsmitglieder zurzeit in Urlaub seien, mache Münster aus der Ratssitzung womöglich "ein demokratisches Lottospiel", kritisierte er.
AfD-Sprecher Patrick Engels wirft SPD, Grünen, Linken, DKP und Teilen der ÖDP dagegen bewussten Rechtbruch und undemokratisches Verhalten vor, weil sie dem AfD-Ratsherrn Schulz den ihm zustehenden Sitz im Sozialausschuss bisher stets verweigert hatten. Diesem Spuk mache die Kommunalaufsicht "nun endlich ein Ende", erklärte der AfD-Sprecher. Denn die Stadt verstoße damit eindeutig gegen Recht und Gesetz.
AfD beklagt Rechtsbruch durch Ratsmehrheit
„So verwundert wir über den Beschluss der Bezirksregierung vom März 2020 waren, lediglich eine dritte Abstimmung anzuberaumen, um Guido Schulz den Platz im Ausschuss zu ermöglichen, desto überraschter sind wir nun, dass nach dem zu erwartenden dritten Rechtsbruch sehr konsequent gehandelt wurde“ meint Patrick Engels. Für die AfD stelle sich die Frage, wie Parteien mit der vom Verfassungsschutz beobachteten DKP gemeinsame Sache machen könnten, um sich dann als Musterdemokraten hinzu stellen. Engels: "Dies ist an Selbstherrlichkeit und Bigotterie nicht zu überbieten".
Die Ersatzvornahme
>>> Die Kommunalaufsicht der Bezirksregierung Münster droht eine sogenannte Ersatzvornahme an, wenn der Rat den AfD-Ratsherrn erneut nicht in den Sozialausschuss bestellen wird.
Eine Ersatzvornahme ist eine Vollstreckungsmaßnahme einer Behörde, die eine angeordnete Maßnahme selbst ausführt. Auch die Ersatzvornahme muss vorher angeordnet werden und ist vor Gericht angreifbar.