Bottrop. Die Stadt Bottrop rechnet mit zusätzlichen Millionen aus Berlin und auch Handel und Handwerk loben das Paket. Aber es gibt auch andere Stimmen.

„Aus Sicht meiner Stadt ist das ein gutes Paket.“ So lobt Oberbürgermeister Bernd Tischler das von der Bundesregierung vorgestellte Konjunkturpaket, dass die Folgen der Corona-Krise abfedern soll. Dabei will der Bund auch die Kommunen finanziell entlasten. Insbesondere die Ankündigung, einen größeren Anteil bei den Kosten für die Unterkunft zu übernehmen, stellt den Oberbürgermeister zufrieden.

Der Kirchhellener Seat-Händler Christoph Bellendorf (l.) hier mit Sohn Tobias, glaubt, dass viele Kunden sich eine andere Förderung beim Autokauf vorgestellt hätten.
Der Kirchhellener Seat-Händler Christoph Bellendorf (l.) hier mit Sohn Tobias, glaubt, dass viele Kunden sich eine andere Förderung beim Autokauf vorgestellt hätten. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

25 Prozent der Kosten, die sonst die Stadt für Miete und Unterkunft etwa bei Sozialhilfe- und Hartz IV-Empfängern zahlt, will demnach der Bund übernehmen. Tischler rechnet hier mit einer Entlastung für den städtischen Haushalt von rund acht Millionen Euro. Außerdem will der Bund den Ausfall der Gewerbesteuer kompensieren. Hier rechnete man bei der Verwaltung zuletzt mit einem Minus von rund Elf Millionen Euro. „Werde das ersetzt, sei der Stadt auch sehr geholfen“, so Tischler.

Fehlende Altschuldenregelung ist aus Sicht des OB für Bottrop verschmerzbar

All das Geld könnte Bottrop dann anders investieren – etwa in die Infrastruktur, in Soziales oder Digitalisierung. Denn grundsätzlich sei die Krise nur zu überwinden, wenn die Städte in die Lage versetzt würden, zu investieren, sagt der OB. Und darauf deute nun alles hin. Schließlich habe die Bundesregierung auch eine Reihe von Förderprogrammen etwa für Kitas, Schulen, Digitalisierung, Klimaschutz und andere Bereich aufgelegt. Hier seien die Rahmenbedingen noch nicht klar, so Tischler, „aber die Themengebiete stimmen aus meiner Sicht“. Förderprogramme zum Klimaschutz könnten womöglich beim beschlossenen Ausrollen des Projekts Innovation City auf andere Stadtteile helfen.

Vor dem Hintergrund der nun beschlossenen Maßnahmen sei es für Bottrop verschmerzbar, dass es keine Regelung für die Altschulden der Kommunen gebe. Hier hatte sich die Koalition nicht einigen können. Bottrop sei mit rund 170 Millionen Euro belastet, für Zins und Tilgung fielen im Jahr rund 650.000 Euro an. Das sei, so Tischler, zu stemmen. „Andere Städte, auch in der Nachbarschaft, stehen wesentlich schlechter da. Da zahlt sich hier aus, dass wir gut gewirtschaftet haben.“ Aber selbstverständlich könne man sich immer noch mehr wünschen.

IHK Nord Westfalen spricht von einem „Turbolader für die Wirtschaft“

Industrie, Handel und Handwerk begrüßen das Konjunkturpaket als „Turbolader für die Wirtschaft“. Benedikt Hüffner, Präsident der IHK Nord Westfalen: „Der Wumms, von dem die Bundesregierung spricht, dürfte seine Wirkung nicht verfehlen. Die wirtschaftlichen Effekte dürften erheblich sein. Das Paket ist eine gute Mischung aus zukunftsorientierten Investitionen und Ankurbelung des Konsums beispielsweise durch die vorübergehende Absenkung der Umsatzsteuer.“ Hüffner appelliert nun an die Bürger, den Einzelhandel und die Gastronomie vor Ort gezielt zu unterstützen.

Der Kirchhellener Seat-Händler Christoph Bellendorf glaubt dagegen, dass viele Menschen sich eine andere Förderung vorgestellt hatten. Aus Verkaufsgesprächen weiß er, dass einige Kunden den Kauf in der Hoffnung auf eine staatliche Kaufprämie zurückgestellt hätten. Er hofft, dass nun auch die verminderte Mehrwertsteuer ein Anreiz ist. Doch das gelte wohl eher für Lagerfahrzeuge. Denn die Mehrwertsteuersenkung ist auf sechs Monate befristet, teilweise sei die Lieferzeit für die Autos aber wesentlich länger. „Und die Produktion ist ja auch nicht überall wieder voll angelaufen.“ Von der Prämie für E-Autos werde er als Seat-Händler wohl auch nicht profitieren. Das einzige E-Modell der spanischen VW-Tochter ist aktuell nicht lieferbar.

Handwerkskammer sieht im Konjunkturpaket Chance für die Betriebe

Bei Brabus dagegen spiele das Konjunkturpaket kaum eine Rolle, sagt Sprecher Sven Gramm. Ein Großteil der Autos wird exportiert, da zahlen die Kunden sowieso keine Mehrwertsteuer und Fahrzeuge, die innerhalb Deutschlands verlauft werden, würden oftmals als Firmenfahrzeuge von Selbstständigen genutzt, so Gramm. Und auch da spiele die Mehrwertsteuer dann keine Rolle. Bleibt die Kaufprämie für E-Autos. Mit dem Brabus-Smart bietet der Bottroper Automobiltuner ja auch eine Elektrovariante an. Aber auch hier bewegt sich das Unternehmen in einem Markt und Kundenkreis, in dem eine solche Prämie nicht unbedingt ausschlaggebend für einen Kauf ist. Es könne allerdings sein, so Gramm, dass manch einer die jetzt mitnimmt.

Die Handwerkskammer (HWK) Münster begrüßt das Konjunkturpaket als dringend notwendigen Turbolader auch für das Handwerk. Trotz Lockerungen der Corona-Schutzmaßnahmen seien zahlreiche Unternehmen nach wie vor ausgebremst, erklärt HWK-Präsident Hans Hund. Die Nachfrage von Privatleuten und der öffentlichen Hand sei entscheidend, damit die Konjunktur im Handwerk wieder Fahrt aufnimmt. HWK-Hauptgeschäftsführer Thomas Banasiewicz erwartet von den Kommunen, dass sie nun schnell den Weg für Investitionen freimachten. „Wichtig ist, dass das Konjunkturpaket schnell seine Wirkung entfaltet. Dazu gehört auch die endlich beschlossene Entlastung von Bürokratie“, mahnt Hund.

Freischaffende Künstler hängen nach wie vor in der Luft

Der freie Kulturbereich profitiert von den niedrigen Mehrwertsteuersätzen zunächst nicht. Wo nichts stattfinde, werde auch nichts besteuert, so Benjamin Eisenberg. Der bekannte Kabarettist spricht damit vor allem für die freischaffenden Künstlerinnen und Künstler, im Fachjargon Solo-Selbstständige genannt. Auch über die Verteilung der Mittwoch in Berlin zugesagten einen Milliarde Euro für Künstler gibt es bislang nichts Konkretes. „Wir hängen nach wie vor in der Luft“, beschreibt Eisenberg die Situation. Denn auch was von der ausgezahlten Soforthilfe am Ende bleibt und wieviel zurückgezahlt werden müsse, sei bisher noch offen. Wie seine Kollegen hofft auch er auf den für Bottrop angekündigten Saisonstart im September. Andernfalls sieht er schwarz für die gesamte Szene.

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Bottrops Caritasdirektor Andreas Trynogga sieht vor allem die sozialen Aspekte des Pakets. So sei die angekündigte Einmalzahlung von 300 Euro pro Kind ein sinnvolles Instrument, um die Coronafolgen in Familien abzufedern – allerdings nur, wenn die Summe wie angekündigt nicht auf die Grundsicherung angerechnet werde. Bei der Mehrwertsteuersenkung sei es wünschenswert, sie nicht auf ein halbes Jahr zu beschränken, so Trynogga, um die gestiegenen Kosten für Lebensmittel so aufzufangen. Denn, so die Warnung des Caritasdirektors: Am Ende des Jahres würden beispielsweise die nun gestundeten Kosten für Miete oder Strom fällig. „Daher brauchen wir eigentlich einen Schutzschirm für arme Familien, der genau diese existenziellen Bedarfe absichert.“

Ideen auf Landesebene

Bottrops OB Bernd Tischler ist für den Städtetag NRW Mitglied im Mittelstandsbeirat der Landesregierung. Dort ist auch die Wirtschaft vertreten und Tischler weiß daher, dass es auch beim Land Überlegungen gibt, die Folgen von Corona aufzufangen.

So habe man letztens in der Runde darüber gesprochen, im Land verstärkt Reallabore zuzulassen. So könnten vom Land Bereiche definiert werden, in denen besondere Regeln gelten oder Regeln außer Kraft gesetzt werden.

In gewisser Weise sei auch ja das Innovation-City-Gebiet ein solches Reallabor. Und die Innovation City sei inzwischen auch beim Land als Jobbringer angesehen, so Tischler.