Zwei WAZ-Redakteure kommentieren gegensätzlich die Entscheidung der Bottroper CDU, auf einen eigenen OB-Kandidaten zu verzichten.

>> PRO << Eine vertane Chance zur Profilierung

Die Konzilianz, mit der Bernd Tischler diese Stadt seit fast elf Jahren regiert, enthebt die CDU nicht von dem demokratischen Gebot, eine Person als Gegenkandidaten aufzustellen. Aus mindestens zwei Gründen.

WAZ-Redakteur Michael Friese
WAZ-Redakteur Michael Friese © FUNKE Foto Services | Heinrich Jung

Zum einen tut es dem demokratischen Prozess gut, wenn zwischen den politischen Polen ein markantes Spannungsfeld entsteht, das die jeweiligen Haltungen für die Wähler klärt oder zumindest durchschaubarer macht. Die ohnehin durch die große Koalition in Berlin verwischten Grenzlinien zwischen SPD und CDU bekommen so wenigstens auf lokaler Ebene wieder mehr Kontur. Die so oft zu hörende Klage noch kurz vor dem Urnengang, man wisse gar nicht mehr, was man wählen solle, müsste den örtlichen Politikern ein Weckruf nach Positionierung sein.

Zum anderen entsteht bei den Bürgern jetzt der Eindruck, die Bottroper Union besitze keine geeigneten Kandidaten und verzichte deshalb auf eine Nominierung. Welchen Bärendienst sich die Partei damit leistet, muss nicht näher ausgeführt werden. Der Image-Schaden liegt auf der Hand.

Entscheidend mag die grundsätzliche Zustimmung zur Arbeit von Bernd Tischler gewesen sein und die Erkenntnis, dass man sie selbst gar nicht so viel anders machen würde. Dennoch ist der Kandidatenverzicht kein kluger Schachzug. Eine Chance auf Profilierung wurde vertan.

>> CONTRA << Ausdrücklich ein Oberbürgermeister aller Bürger

Oberbürgermeister Bernd Tischler macht einen sehr guten Job. Darüber sind sich Vertreter fast aller Parteien im Rat einig. Zur Wiederwahl stellt er sich am 13. September ausdrücklich als OB aller Bürgerinnen

WAZ-Redakteur Kai Süselbeck
WAZ-Redakteur Kai Süselbeck © FUNKE Foto Services | Olaf Fuhrmann

und Bürger, dem Zustimmung über die Parteigrenzen hinweg sicher ist. Erinnern wir uns doch bitte an das Ergebnis der Kommunalwahl 2014: 66,1 Prozent der Stimmen holte Tischler damals bei der Wiederwahl zum Oberbürgermeister, fast 20 Prozent mehr als seine Partei, obwohl die im Vergleich zur vorherigen Wahl deutlich zugelegt hatte. CDU-Gegenkandidat Michael Pricking kam auf 19,9 Prozent, deutlich weniger das Ergebnis für seine Partei.

Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass Parteichefin Anette Bunse und der Kreisvorstand sich auf den Standpunkt stellen: Wir nominieren keinen Kandidaten für die Wahl zum OB, weil der eh nur verlieren kann.

Um so wichtiger wird es allerdings für die Partei, ihren Mitgestaltungsanspruch für die nächste Legislaturperiode zu untermauern mit klar umrissenen Standpunkten zu den Themen in der Stadt, die in den nächsten Jahren wichtig bleiben oder werden. Und sie tut gut daran, ihrem politischen Nachwuchs hinter der aktuellen Führungsriege auf möglichst breiter Front eine Chance zu geben. Denn die nächste Oberbürgermeisterwahl kommt bestimmt.