Bottrop. Die große Prozession war abgesagt. Trotzdem gingen rund 300 Menschen in Kleinstgruppen den Karfreitagskreuzweg auf der Halde Haniel in Bottrop.
Morgens gehört die Halde noch den Wanderern – und an diesem Karfreitag besonders den stillen Pilgern. „Karfreitag bleibt Karfreitag, Ostern ist Ostern, trotz Coronavirus.“ Die beiden Damen mittleren Alters kommen aus Oberhausen, sind gläubige Christinnen und pilgern zur Halde, seit es die Kreuzwegstationen dort gibt. Also seit einem Vierteljahrhundert. Mit ihnen haben sich viele auf den Weg gemacht - natürlich nicht zu Tausenden wie in früheren Jahren. An den Stationen halten sie inne, meditieren, betrachten die erwachende Natur um sie herum, beten.
An der ersten Station stehen vier Pilgerinnen und Pilger aus Essen. Die beiden Ehepaare haben den Kreuzweg schon beendet. In den Händen, säuberlich geheftet, ausgedruckte Texte zu den einzelnen Stationen, vorne ein Bild des kreuztragenden Jesus. Ein Mosaik vom deutschen Friedhof in der Vatikanstadt, wie sich herausstellt. „Es sind die Texte, die heute Abend beim Kreuzweg mit dem Papst in Rom gebetet werden“, sagt Ralf Kempkes. Es seien einige unterwegs, die hier noch in der Stille herkommen, sagt Ehefrau Christiane. Etwa anderthalb Stunden haben die vier für den Weg gebraucht. „Natürlich immer mit dem vorgeschriebenen Corona-Abstand zu anderen Menschen, die sich einzeln oder in kleinen Gruppen ebenfalls auf den Weg gemacht haben.“
Frühmorgens gehört die Halden den Betern
Um acht Uhr morgens sei die Besucherzahl noch übersichtlich gewesen und vor allem ruhig, sagen Bettina und Gerrit Range. Man spüre, dass der Weg den Meisten ein Anliegen sei, ein inneres Bedürfnis, nicht bloßer Spaßfaktor. So wie ihnen geht es auch einer Gruppe von Kroaten. „Wir können heute ja nicht in die Kirche, so beten wir eben hier draußen“, sagt eine der Frauen, während sie ihren schneeweißen Rosenkranz durch die Finger gleiten lässt.
Gegen Mittag wird es voller. Auch wenn unten die Parkplätze beim ehemaligen Zechengelände fast leer sind. Von den angekündigten Absperrungen war zumindest bis Karfreitagmittag nichts zu sehen. Familien mit Kindern, teilweise sogar mit Kinderwagen, ziehen die Serpentinen hinauf. Manche erklären ihrem Nachwuchs die Stationen, lesen die Erläuterungen vor. Andere blättern im Touristenführer. Zuweilen sind Beter nicht von Joggern zu unterscheiden, nur wenn sie innehalten. Manche senken den Kopf an den Stationen, anderen legen lieber Tempo vor.
Ausruhen vor dem Kreuz mit Sicherheitsabstand
Oben, vor dem frisch gestrichenen Papstkreuz, trifft man sich wieder. Franz-Josef Schepers, Helmut und Christel Bennewa von der Oberhausener Kreuzweg-Ehrengarde haben in gehörigem Sicherheitsabstand rote Stühle aufgestellt. Dort lassen sich Menschen nieder, die sich vom Aufsteig ausruhen, aber auch das große Kreuz hoch über der Emscherregion in Ruhe betrachten wollen.
Nebenan bieten Schepers und das Ehepaar Bennewa an einem Klapptisch Wasser an, denn inzwischen ist es warm und vor allem staubig auf dem Plateau. Hinter dem Altar am Fuß des Kreuzes stehen Kerzen. Am Kreuz selbst haben Unbekannte Zweige vom Palmsonntag angebracht. Daran hängen Zettelchen mit guten Wünschen und Gebetsanliegen. Kleine Zeichen, die daran erinnern, dass die Halde mit ihrem Kreuzweg nicht nur den Bikern gehört, die auch an diesem Tag zuweilen extrem rücksichtslos über Wege und durchs Gebüsch brettern.
Rücksichtslose Biker nerven
„Muss das sein?“, fragt eine Mutter mit drei kleinen Kindern? „Mischen sie sich nicht in meine Angelegenheiten, da unten steht doch Vorsicht Radfahrer“, so ein Schwarzbehelmter. Die Kinderwagen und die Beter weiter hinten verschwinden derweil in (s)einer Staubwolke. Auch das ist Karfreitag auf der Halde.