Bottrop. Vor Bottroper Supermärkten wollten Landwirte mit Vorurteilen über sich aufräumen und schenkten den Kunden auch insektenfreundliches Saatgut.

Ihre Trecker dienen den Landwirten als Blickfang. „Niemand soll es je vergessen, Bauern sorgen für das Essen“, ist auf dem Transparent zu lesen, dass die Landwirte vor den Trecker gespannt haben. In einer Ecke am Rand des Kundenparkplatzes vor dem Supermarkt an der Horster Straße haben sie damit Position gezogen, um die Kunden auf ihre Lage aufmerksam zu machen. „Uns geht es darum, mit den Verbrauchern ins Gespräch zu kommen“, sagt Joachim Königshausen. Denn die Landwirte haben viel zu bereden: über Insektenschutz, das Herbizid Glyphosat, die neue Düngeverordnung, die Subventionen, das Mercosur-Abkommen.

Die Bauern wehren sich gegen unberechtigte Vorwürfe, werfen auch Naturschutzverbänden unfaire Kampagnen vor: etwa die gegen hohe Subventionen für die europäische Agrarpolitik. Korrekt sei, dass jeder Deutsche 114 Euro dafür zahle, bei der heimischen Landwirtschaft kommen davon nur 43,40 Euro netto an, rechnen die Landwirte vor, also zwölf Cent am Tag.

Diskussionen über Insektensterben und Blühflächen


„Unser Motto lautet ,NRW blüht auf’, erklärt Sprecher Philipp Maaßen. Die Landwirte wollen zum Beispiel mit dem Vorurteil aufräumen, dass sie nichts gegen das Insektensterben tun würden. „In Kirchhellen und Bottrop gibt es fünf Hektar Blühflächen“, sagt Maaßen. „Das sind 50.000 Quadratmeter, auf freiwilliger Basis, und an den Getreidefelder sind ja sowieso viele Insekten“, ergänzt t Joachim Königshausen.

Auch gegen den schlechten Ruf wegen des Einsatzes des Unkrautvernichters Glyphosat wehren sich die Bauern. Die Kritik von Naturschützern sei „eigentlich totaler Quatsch“. Glyphosat sei kein Insektenbekämpfer, habe keinen Kontakt zu Nutzpflanzen. Die größte Verbraucherin von Glyphosat sei ohnehin die Deutsche Bahn. „Wir können auch mechanisch etwas gegen Unkraut tun. Mit dem Glyphosat-Verbot der Stadt auf öffentlichen Flächen kommen wir klar“, erklärt Königshausen. Die große Mehrheit der Landwirte sei für ein Komplettverbot von Glyphosat kurz vor der Ernte, die Direktsaat und Minimalbodenbearbeitung wären ohne das Totalherbizid aber kaum machbar.

Viele Kunden begrüßen die Aufklärungskampagne der Landwirte


Nach dem Trecker-Konvoi Ende November aus Protest gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung sind die Kirchhellener und Bottroper Landwirte diesmal nur mit wenigen Landmaschinen unterwegs. Außer vor dem Supermarkt an der Horster Straße in der Boy sind ihre Vertreter auch vor dem Lebensmittelmarkt an der Schulze-Delitzsch-Straße in Kirchhellen, vor dem Markt an der Kirchhellener Straße im Fuhlenbrock und am Supermarkt kurz hinter der Grenze zu Oberhausen auf dem Posten. „Deren Inhaber waren sehr kooperativ“, freut sich Philipp Maaßen, doch längst nicht überall hätten die Supermarkt-Pächter den Landwirten auch Platz für ihre Aktion eingeräumt, bedauert Joachim Königshausen.

Auf dem Stehtisch, an dem die drei Vertreter der Landwirte-Vertreter Philipp Maaßen, Joachim Königshausen und Philipp Hagemann auf Gesprächspartner warten, liegen für die Supermarktkunden Flyer und Tütchen mit Saatgut für Blühmischungen aus. Beides dürfen die Käufer mitnehmen. Um die Landwirte herum herrscht das alltägliche Kommen und Gehen der Supermarktkunden. Bei den Kunden stößt die Aktion auf Gegenliebe. Immer wieder kommen die eine oder der andere herüber zu den drei Bauern. So wie Norbert Bunk. „Wo muss ich unterschreiben?“, fragt er, um seine Solidarität zu zeigen. Das braucht er aber nicht.

Umstrittenes EU-Handelsabkommen mit Staaten in Südamerika

Insektenfreundliches Saatgut verschenkten die Landwirte an die Supermarkt-Kunden in Bottrop.
Insektenfreundliches Saatgut verschenkten die Landwirte an die Supermarkt-Kunden in Bottrop. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde


„Ich finde die Aktion gut. Natürlich haben es deutsche Landwirte schwer“, sagt der Supermarktkunde. „Verbraucher können ruhig ein bisschen mehr Geld ausgeben, um vernünftige Lebensmittel zu kaufen“, betont Bunk. Er gebe Produkten den Vorzug, die in der Region erzeugt worden sind. Von Billigimporten hält er nichts. „Für die paar Cent lohnt das doch nicht“, meint der Kunde. Die Transporte belasteten unnötig die Umwelt. „Und das viel zu oft für Fleisch oder Früchte, die wir hier doch auch haben“, meint Norbert Bunk.

Das ist im Sinne der Landwirte, die auch Kritik am EU-Handelsabkommen mit den Mercosur-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay üben. Sie befürchten eine Wettbewerbsverzerrung zu Lasten heimischer Bauern und dass es zu schlechteren Erzeugerpreisen komme. Den Verbrauchern beschere die EU-Handelspolitik hormonbehandelte Tiere und chlorbehandelte Hähnchen sowie den Import von Klimaschäden durch die Abholzung der Regenwälder für größere Fressplätze von Rinderherden.