Bottrop. Enkel des Architekten Joseph Franke spricht über dessen Bottroper Bauten. Dabei geht es aber nicht nur um die Geheimnisse des Batenbrocker Doms.

Bis heute ist der markante Turm von St. Joseph neben dem Tetraeder wohl die bedeutendste Landmarke im Süden der Stadt. Dabei sei sein Großvater Josef Franke (1876 - 1944) gar nicht glücklich mit dem festungsartigen Glockenturm gewesen, sagt der Thomas Franke. Kein Wunder, denn für den Turmentwurf ist der gar nicht verantwortlich. Der einige Jahre nach der Weihe ausgeführte Turm stammt von dem Kölner Architekten Franz Brantzki.

Vor 100 Jahren geweiht: die Pfarrkirche St. Joseph von Joseph Franke. Der wuchtige Turm wurde erst später errichtet.
Vor 100 Jahren geweiht: die Pfarrkirche St. Joseph von Joseph Franke. Der wuchtige Turm wurde erst später errichtet. © www.blossey.eu | Hans Blossey

Der Enkel des Architekten, dessen zahlreiche Bauten bis heute das Bottroper Stadtbild prägen, sieht sich noch einmal intensiv in St. Joseph um. Am kommenden Mittwoch wird er dort zu Gast sein und über die Bauten seines Großvaters, die Ideen, die diesen zu Grunde liegen, aber auch die Franke-Familie sprechen. Sicher eine der spannenden Veranstaltungen, zu denen die Pfarre zu ihrem 100-jährigen Bestehen und dem 100. Weihetag des heute denkmalgeschützten Gotteshauses einlädt.

Gewölbe in Leichtbauweise

Dafür vergräbt sich Thomas Franke nicht nur ins Stadtarchiv oder sichtet Akten, Urkunden und Fotomaterial der Josephspfarre. Er klettert auch die Stufen in der Kirche hoch und gelangt über eine schmale Holzleiter über das markante Gewölbe der Batenbrocker Kirche. „Das gehört zu den großen Besonderheiten und ist mit seiner Konstruktion absolute Seltenheit nicht nur in Bottrop, sondern in ganz Deutschland, ich wollte noch einmal sehen, wie das genau funktioniert“, sagt Thomas Franke, Architekt wie sein Großvater und Stadtplaner.

Thomas Franke, Enkel des Architekten Josef Franke, begutachtet noch einmal die Draht- und Gipskonstruktion des Gewölbes von St. Joseph - eine ungewöhnlich leichte Bauweise.
Thomas Franke, Enkel des Architekten Josef Franke, begutachtet noch einmal die Draht- und Gipskonstruktion des Gewölbes von St. Joseph - eine ungewöhnlich leichte Bauweise. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Das wie gefaltet erscheinende Gewölbe, das zeltartig den weiten Raum überspannt, ist nicht massiv gemauert. Es handele sich vielmehr um eine äußerst leichte Drahtkonstruktion, die an dünnen Eisenstäben am Dachstuhls befestigt ist. Von einem Holzsteg unter dem Dach blickt man auf die dunklen Wölbungen, die von oben gar nicht so filigran wirken, wie der Besucher sie von unten wahrnimmt. „Oben auf der Drahtkonstruktion befindet sich eine Mörtelschicht, von unten wurde gegipst wie bei Stuckarbeiten“, erklärt der Enkel die Deckenlösung seines Großvaters. Alles ist leicht, sogar empfindlich. Betreten wäre lebensgefährlich, das würde die Konstruktion nicht aushalten.

Im Kirchenschiff angekommen wird deutlich, weshalb die schlanken Pfeiler ausreichen, das Gewölbe zu halten. So konnte man auch auf eine massive Stützkonstruktion von außen verzichten. Ohnehin wirkt St. Joseph im Vergleich zu den anderen Bottroper Franke-Kirchen St. Michael, Herz Jesu und St. Ludgerus luftig-beschwingt. Mit ihren Elementen aus Jugendstil und Historismus zählt sie zu den verspielteren Räumen des Architekten, der nicht nur in Bottrop, sondern im ganzen Ruhrgebiet zahlreiche Spuren hinterließ. Weit bekannt ist zum Beispiel die berühmte „Parabelkirche“ Heilig Kreuz in Gelsenkirchen. Der Bau, der eine ähnliche Dramaturgie „Vom Dunkel zum Licht“ wie die hiesige Herz-Jesu-Kirche hat, wurde übrigens von der Nachbarstadt erworben und soll künftig als Kultur- und vor allem Konzertsaal dienen.

Eine typische Familie des Ruhrgebiets

Neben dem Architekturaspekt liegt Thomas Franke am Mittwoch einen Schwerpunkt auf den Werdegang seiner Familie, der so typisch für das Ruhrgebiet ist. Der Urgroßvater kam als Maurer aus dem sauerländischen Niedermarsberg in die damals boomende Industrieregion und machte sich als Bauunternehmer selbstständig. „Auch mein Großvater machte vor dem Studium eine Maurerlehre, so konnte er später als Architekt bestens einschätzen, was baulich möglich ist und was nicht, ein großer Unterschied zu den reinen Theoretikern“, wie Thomas Franke lächelnd anmerkt. Er hat in rund 35 Jahren - und dann noch unterbrochen durch zwei Weltkriege - 32 Kirchen und 120 Profanbauten realisiert, mit später etwa 12 Mitarbeitern. Nicht nur aus heutiger Sicht eine unglaubliche Leistung.

Bauten, die Bottrop bis heute prägen

Am Mittwoch geht es natürlich auch die anderen Bottroper Franke-Kirchen. Während St. Michael noch ganz dem Historismus in der neuromanischen Variante verhaftet ist, zeigt sich in St. Joseph oder Herz Jesu auch ein neuer Trend ab: der so genannte christozentrische Kirchenraum. Ein einheitlicher Raum ohne Seitenschiffe oder Kapellennischen, der allen Gläubigen einen unverstellten Blick auf Altar und Tabernakel ermöglicht. Die heute verschwundene Ausmalung in Herz Jesu erinnerte darüber hinaus auch an die fruchtbare Zusammenarbeit Frankes mit dem Maler Andreas Ballin. Auch das wird wie die ursprüngliche Ausgestaltung von St. Joseph am Mittwoch Thema sein.

Messe und Konzert für die Verstorbenen

Am Sonntag, 3. November, findet um 11.30 Uhr eine Messe für alle Verstorbenen der Josephsgemeinde statt. Anschließend gibt es ein kurze Orgelmatinee mit der Sopranistin Sonja Mäsing, die bereits bei den Bayreuther Festspielen sang.

Der Vortrag mit Bildern und Gespräch „Der Architekt Josef Franke - eine Darstellung seines Lebenswerkes“ von Thomas Franke findet am Mittwoch, 6. November, um 19 Uhr im Pfarrsaal, Förenkamp 27, statt. Eintritt frei.