Bottrop. Eine Bottroperin kauft mehr, als ihr gut tut. Doch sie kann dem Kaufimpuls oft nicht widerstehen. Sie sucht den Austausch mit anderen Betroffenen
Viele werden das kennen: Manchmal kauft man sich ein schönes Teil, um sich zu belohnen. Leistet sich etwas Besonderes, und die Laune steigt. Doch was, wenn so ein Verhalten kippt? Wenn sich das Kaufen nicht mehr steuern lässt, zum Rausch, ja, zur Sucht wird? Eine Bottroperin, die ihren Namen lieber nicht nennen möchte, gibt zu: „In meiner Wohnung stapelt sich alles, in doppelter und dreifacher Ausführung.“ Sie leidet unter dem Kontrollverlust. Und will jetzt dagegen angehen.
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Unter dem Dach vom „Haus der Vielfalt“ gründet sie eine Austauschrunde für alle, denen es ähnlich geht. „Selbsthilfe Kaufrausch“ nennt sie die Gruppe, in der direkt und indirekt betroffene Frauen und Männer willkommen sind. „Der erste Schritt ist, dass man dazu steht“, ermuntert sie. „Das ist bei Süchten so. Und darin unterscheidet sich die Kaufsucht nicht von anderen, obwohl sie nicht anerkannt ist.“
Untereinander wird alles vertraulich behandelt. Die Teilnehmer sollen sich dort aufgehoben fühlen - und sich gegenseitig unterstützen. Statt in der von Konsum geprägten Welt dem Kauf-Impuls nachzugeben, könnte man in dem Moment vielleicht jemanden aus der Gruppe anrufen oder einen gemeinsamen Spaziergang machen.
„Sonderangebote sind Gift für mich“
Sie selbst, meint die 62-Jährige, kaufe schon seit Jahrzehnten mehr als ihr gut tut. „Das habe ich von meiner Mutter geerbt. Rote Schildchen ziehen mich magisch an, Sonderangebote sind Gift für mich.“ Zuwendung habe ihr gefehlt, nennt sie als einen Grund fürs übermäßige Shoppen. „Ich bin manisch-depressiv. Diesen Leuten wird zugeschrieben, dass sie kaufsüchtig sein könnten“, ergänzt sie.
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Sie sammle alles, was ihr gefällt. „Ich umgebe mich gern mit schönen Dingen.“ Aber auch andere freuten sich schon über Geschenke von ihr. „Ich habe gedacht, wenn ich genug Freunde und Liebe bekomme, brauche ich das Kaufen nicht mehr.“ Falsch gedacht: die Freunde sind da – und die Sucht blieb.
Für sie selbst ist das Kaufen auch als Sinnesakt wichtig: das Flanieren über Trödelmärkte oder durch Einkaufszonen, das Entdecken schöner Dinge, das Anfassen. Aber sie weiß, dass die Bestellmöglichkeiten via Internet bei anderen die Kaufsucht noch verstärken können. „Das Einkaufen wird noch leichter gemacht, weil man erst einmal bestellen und Rechnungen später bezahlen kann.“
Kopf und Bauchgefühl stimmen nicht überein
Ja, die Rechnungen: Noch, sagt die Bottroperin, hat sie sich nicht verschuldet. Seit einem guten Jahr lasse sie sich ihr Geld einteilen, „das ist so, als würde man einem Raucher die Zigaretten wegnehmen“. Doch zwischendurch würde sie teils Bekannte anpumpen, um nicht aufs Kaufen verzichten zu müssen. Als sie das erzählt, schüttelt die Bottroperin über sich selbst den Kopf. „Das alles muss ein Ende haben!“
Manchmal überliste sie sich selbst. „Ich kaufe Sachen nicht sofort, sondern lasse sie zurücklegen.“ Und teils schaffe sie es dann, diese nie abzuholen. Vom Kopf her ist ihr die Problematik klar – doch das Bauchgefühl steuere ihr Verhalten oft in eine andere Richtung. Ohne Unterstützung, eben etwa durch andere Betroffene, packe sie es nicht. Sie will auch eine Psychologin ansprechen.
Denn sie weiß ja längst: „Die Zufriedenheit, die Schönheit, die heile Welt – das alles ist nicht käuflich.“
Die Gruppe trifft sich am 4. Oktober
Das nächste Treffen der „Selbsthilfe Kaufrausch“ ist am Freitag, 4. Oktober, um 16 Uhr im Haus der Vielfalt (Gerichtsstraße 3). Geplant ist, dass sich die Gruppe wöchentlich trifft.
Wer Fragen zu dieser Gruppe hat, kann sich unter folgender Rufnummer an die Initiatorin wenden: 0163 779 96 13.
Allgemeine Fragen zu den Bottroper Selbsthilfegruppen werden im Selbsthilfe-Büro beantwortet. Kontakt: 02041 2 30 19, E-Mail an selbsthilfebottrop@paritaet-nrw.org.