Niemals geht man so ganz: So ist das auch bei Maja und Werner Bartelt-Brüggemeier, die 25 Jahre lang als Figurentheater Sonstwo unterwegs waren.

Was machen eigentlich die „Sonstwos“? Da diese Frage öfter in der Stadt zu hören ist, wollten wir einfach wissen, was die langjährigen Protagonisten des „Figurentheaters Sonstwo“, Maja Brüggemeier und Werner Bartelt-Brüggemeier, fünf Jahre nach ihrer offiziellen Verabschiedung in den Ruhestand umtreibt. Denn der Satz aus dem Lied „Niemals geht man so ganz…“ trifft auf Künstler immer in besonderer Weise zu. Dirk Aschendorf traf die beiden - kurz vor Beginn der von ihnen künstlerisch geplanten Figurentheatertage - wohlauf in ihrer Werkstatt, zwischen handgearbeiteten Figuren, Werkzeug, Stoffen und einer echten Hängematte aus Südamerika.

Ist die Hängematte als Symbol für ihr Rentnerdasein zu verstehen?

Werner: (lacht) Es soll ja gut für den Rücken sein. Und zu unserer Verabschiedung bekamen wir eine kleine selbstgebaute Szene mit Playmobilfiguren in der Hängematte geschenkt, die geht so: Was machst du als Rentner? Die ersten drei Wochen liege ich in der Hängematte. Und dann? Dann fange ich langsam an zu schaukeln...

Maja: Und im Moment schaukeln wir ganz schön. Zum Glück, denn Anfang des Jahres war alles nicht so gut.

Was ist passiert?

Werner: Ich hatte mit das Sprunggelenk gebrochen, konnte mich zwei Monate nur im Rollstuhl fortbewegen.

Dann konnten sie nicht einmal den Hobbys frönen, also reisen und neue Stücke anschauen...

Werner: Schwierig, aber jetzt geht’s ja wieder.

In der Werkstatt ist Werner Bartelt-Brüggemeier bis heute für die Köpfe der Figuren zuständig. Harae, Kleider und Make-up liegen in den Händen von Maja Brüggemeier.
In der Werkstatt ist Werner Bartelt-Brüggemeier bis heute für die Köpfe der Figuren zuständig. Harae, Kleider und Make-up liegen in den Händen von Maja Brüggemeier. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Immerhin haben sie beide in dieser Zeit die Bottroper Figurentheatertage festgezurrt. Organisieren, Planen, Schreiben, Spielen - was machen sie, seit es die „Sonstwos“ offiziell nicht mehr gibt?

Werner: (schaut Oma und Opa an, Figuren, die in den Stücken „Die Kirschkernbande“ und „Riesenschwindel“ zu sehen waren). Wir bauen noch Puppen für andere Kollegen, ich bin wie früher dabei für den Kopf zuständig...

Maja: …und ich mache die Kleider, Haare, Make-up. Wie vorher auch. Im Ernst: Wir spielen keine kompletten Stücke mehr, sind mal mit unseren Walk-Acts unterwegs, geben Kurse oder Workshops für angehende Erzieherinnen an einem Berufskolleg und engagieren uns jetzt viel mehr im Berufsverband der Puppenspieler. Wir helfen da Kollegen bei der Hintergrundarbeit. Da geht es um Versicherungen, Sicherheitsvorschriften bei der Bühnentechnik aber auch Rechte, also den Umgang mit der Gema.

Werner: Manche, gerade jüngere Kollegen, denken nicht an die Gema-Gebühren oder die Steuer oder daran was passiert, wenn man sich verletzt. Wäre das mit meinem Sprunggelenk zur aktiven Zeit passiert, hätte ich mindestens zwei Monate Verdienstausfall gehabt, da musst du schon aufpassen.

Schreiben sie denn noch Stücke, vielleicht für Figurentheaterkollegen?

Werner: Nein. Früher haben wir alle unsere Stücke selbst geschrieben, bis auf eins: ,Der Traumwald’, das hat WAZ-Redakteur Alfons Winterseel für uns geschrieben.

Maja: Und seit unsere Schneiderin nicht mehr da war, und das ist lange her, waren wir puppentechnisch immer ein Zwei-Personen-Betrieb. Aber das Entwickeln der Stücke, da gehört ja auch die Regie und die Musik zu, das haben wir im größeren Team gemacht, das immer die schönste, kreativste Arbeit.

Werner: Das vermisse ich heute noch. Schließlich haben wir das seit 1989 für 25 Jahre in Bottrop gemacht. Was ich nicht vermisse, ist der Verwaltungsaufwand, den man als Selbstständiger hat, die stressige Fahrerei zu den Aufführungsorten oder das Aufbauen der Produktionen, vor allem an Spielorten, an denen man weder vernünftige technische Ausstattung oder kompetente Unterstützung hatte.

Also können sie sich heute die Rosinen aus dem Kuchen der Kunst picken? Welche?

Maja: Jetzt machen wir nur noch das, was uns Spaß macht. Der wirtschaftliche Druck ist weg. Zum Beispiel waren wir am Offenen Ganztag Fichteschule, haben dort zwei Stücke entwickelt und auch aufgeführt. Das hat Riesenspaß gemacht. Wer sich die Mühe macht, zu solchen Veranstaltungen zu kommen, der hat Interesse und Spaß daran. Und wir freuen uns, wenn wir unser Wissen weitergeben können.

Alte Bekannte mit Kaffee und Morgenzeitung: Die Figuren von Oma und Opa waren in den Inszenierungen „Die Kirschkernbande“ und „Riesenschwindel“ oft in Bottrop zu sehen. Jetzt geht es auch für sie etwas gemütlicher zu.
Alte Bekannte mit Kaffee und Morgenzeitung: Die Figuren von Oma und Opa waren in den Inszenierungen „Die Kirschkernbande“ und „Riesenschwindel“ oft in Bottrop zu sehen. Jetzt geht es auch für sie etwas gemütlicher zu. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

Sind sie viel unterwegs in Sachen Figurentheater?

Werner: Wir schauen uns so viele Produktionen an, wie nie zuvor. Wir haben Zeit, das Interesse und können das alles auch die künstlerischen Planung der Figurentheatertage einbringen.

Seit sie aufhörten, ist in Bottrop kein Figurentheater mehr ansässig. Wie entwickelt sich die Szene überhaupt?

Werner: Es gibt immer weniger feste Spielereinheiten, viele jüngere Profis schließen sich eher zu Projektgruppen zusammen, ähnlich wie in der Chorszene.

Und wie entwickelt sich das Publikum? Kann man mit klassischem Figurentheater überhaupt noch Kinder geschweige denn Erwachsene hinter dem Ofen hervorlocken?

Maja: Die Ansprüche an die Technik sind sicher höher als früher, auch die Inhalte werden komplexer. Und bei den Zuschauern merken wir eine Art sozialer Unruhe. Kinder kommen schlechter zur Ruhe, im Theater kann man nicht zappen, das ist aber auch für nicht theatergewöhnte Erwachsene schon ungewohnt.

Kann man diese Zuschauer dennoch packen?

Maja: Doch, man kann sie kriegen. Wenn ich von etwas ganz tief überzeugt bin, kann ich das rüberbringen. Es geht auch da um Authentizität. Alle Zuschauer merken, ob etwas nur runtergeleiert wird oder ob der Spieler überzeugt bei der Sache ist.

Sie kennen die Stücke der kommenden Figurentheatertage. Worauf freuen sei sich besonders?

Maja: Nein, jedes der gezeigten Kinderstücke kennen wir nicht, wohl aber alle Kompanien. Bei den Erwachsenenstücken ist es anders. Für die Kinder freue ich mich sehr auf das ,Theater für Zwerge’ in Kirchhellen oder den „Karneval der Tiere“ der englischen Kompanie im Kammerkonzertsaal. und dann natürlich auf unsere erste Zusammenarbeit bei der ,Nachtfrequenz’, der langen Nacht der Jugendkultur. Die Aufführungen verbinden die Elemente Tanz, Theater und Musik auf ganz spannende Weise und vor allem: generationenübergreifend.

Info und Karten

Die Figurentheatertage finden vom 14. bis 27. September in Bottrop statt. Der Auftakt ist am 14. September zwischen 11 und 13 Uhr in der Stadtmitte (Mensingplatz) mit „Jochen, der Elefant“.

Das Abendprogramm beginnt am 19. September mit „Looking for Brunhild“, am 21. September folgt eine Lange Figurentheaternacht mit drei Stücken. Am 24. September „Michael Kohlhaas“, am 26. September „Babylon“ und am 28. September „Human Phantoms“ bei der „Nacht der Jugendkultur.

Karten gibt es bei der Theaterkasse unter 02041/70 33 08 oder im WAZ-Leserladen, Osterfelder Straße 13, 36236 Bottrop. Mehr Infos und alle Stücke im Überblick gibt es auf www.bottrop.de.