Bottrop. In Bottrop sind die Mieten in NRW am stärksten gestiegen, meldet zu Jahresbeginn das Immobilienportal Immowelt. Experten halten dagegen.
Elf Prozent Mietsteigerung in Bottrop in einem Jahr: Mit dieser Zahl machte das Immobilienportal „Immowelt“ zu Jahresbeginn Schlagzeilen. „Eine Steigerung in diesem Maße hat nicht stattgefunden und wird auf Sicht nicht stattfinden“, sagt Achim Petri, Vorsitzender des Gutachterausschusses für Grundstückswerte. Klaus O. Deese vom Mieterschutzbund gibt ihm Recht: „Diese Internetweisheit trifft so nicht zu.“
Das Kommunalministerium NRW hat Bottrop gerade schriftlich gegeben, dass sich die Lage auf dem Wohnungsmarkt entspannt hat. Seit dem 1. Juni gilt deshalb für Bottrop die 2014 eingeführte Mietpreisbremse nicht mehr, wohl aber in Mülheim, Essen, Bochum und Dortmund.
„Moderater Anstieg“
Für den Bottroper Mietwohnungsmarkt gilt weiterhin wesentlich die Beschreibung, die die Experten bei der Vorlage des Mietspiegels 2017 so formulierten: „Die allgemeine Mietentwicklung in Bottrop seit 2009 ist durch einen im Verhältnis zum Anstieg der Mieten im Landesdurchschnitt und zur allgemeinen Preisentwicklung moderaten Anstieg gekennzeichnet. Der durchschnittliche Anstieg der Bottroper Mieten lag im Zeitraum von 2009 bis 2014 in einer Größenordnung von 5,8 Prozent, wobei bei den Mieten in den älteren Gebäudebaujahren zumeist ein geringerer Anstieg als bei den Mieten der jüngeren Gebäudebaujahre zu verzeichnen ist.“
Der Gutachterausschuss hatte vergangenen Woche über einen anhaltenden Bauboom bei Eigentumswohnungen und steigende Preise in allen Lagen berichtet sowie darüber, dass Mehrfamilienhäuser vermehrt als Anlageobjekte genutzt werden. Diese Entwicklung müsse aber nicht zu rasch steigenden Mieten führen, sagt Petri. „Renditeerwartungen der Anleger muss der Markt erst mal hergeben.“
„Einziger Ballungsraum ohne Wohnungsnot“
„Das Ruhrgebiet ist weit entfernt von überhitzten Wohnungsmärkten wie in Berlin, Frankfurt oder München“, sagt auch Mieterschutzbund-Mitgründer Deese. Tatsächlich sei es in Deutschland „der einzige Ballungsraum ohne Wohnungsnot“. Angebot und Nachfrage in Bottrop hält er für fast ausgeglichen. In Neubauten müssen Mieter allerdings mit höheren Quadratmeterpreisen rechnen. „Aber auch acht bis neun Euro können sich rechnen, wenn wegen guter Dämmung die Energiepreise deutlich günstiger sind.“
Was dem Mieterschützer Sorgen macht
Alles gut also auf dem Bottroper Mietwohnungsmarkt? Nein, sagt Deese und verweist auf vier Entwicklungen. Besonders große Wohnungsgesellschaften versuchten Mieten hochzuschrauben. Zweitens: „Vor allem bisher preiswerte Wohnungen werden teurer.“ Drittens gebe es in Bottrop immer mehr Einpersonenhaushalte. Viertens gebe es Rentner, die sich nicht mehr so viel leisten können wie die Generationen vor ihnen. Deese: „Sechs Euro pro Quadratmeter ist preiswert. Aber wir haben ein Klientel, für die selbst das zu teuer ist.“
Der Bottroper Mietspiegel
Der aktuelle Bottroper Mietspiegel stammt aus dem Jahr 2017.
Er legt so genannte „Mietrichtwerte“ für Wohnungen verschiedener Altersklassen fest (siehe Tabelle). Diese Richtwerte beziehen sich auf durchschnittliche Wohnungen in mittleren Wohnlagen. Die Experten haben dazu ein Berechnungssystem entwickelt, mit dem Plus- und Minuspunkte etwa bei Lage, Größe und Ausstattung in die Mietpreisfindung einfließen können.
Demnächst wollen sich die Experten etwa von Gutachterausschuss, Haus und Grund und den Mietervereinen zusammensetzen zur Erarbeitung eines neuen Mietspiegels. Ursprünglich hätte er schon 2019 erscheinen sollen. Jetzt könnte Stichtag der 1. Januar 2020 sein, sagt Petri. Dafür wünscht Deese sich, dass nicht nur die Entwicklung der letzten vier, sondern der letzten zehn Jahre in den Blick genommen wird: „Das hat nämlich eine preisdämpfende Wirkung.“