Bottrop. Die Grünen sind die großen Gewinner bei der Europawahl in Bottrop. Die SPD bleibt hauchdünn stärkste Kraft vor der CDU, verliert aber massiv.
. Die SPD bleibt auch bei der Europawahl stärkste Kraft in Bottrop, ganz knapp vor der CDU. Doch die SPD erleidet starke Verluste. 24,84 Prozent der Wähler gaben für ihre Wahlliste die Stimme ab, 19 Prozent weniger als bei der Europawahl vor fünf Jahren. Auf Platz zwei folgen die CDU mit 24,29 Prozent der Stimmen. Großer Gewinner sind die Grünen, die ihren Stimmenanteil fast verdreifachten. Mit 17,31 Prozent liegt ihr Stimmenanteil so hoch wie nie zuvor in Bottrop. Die AfD landet bei 12,33 Prozent.
SPD-Chefin: „Das ist sehr bitter“
„Das Ergebnis ist alles andere als berauschend. Wir können auch in Bottrop nicht zufrieden sein. Wir haben auch zu Gunsten der AfD starke Verluste erlitten. Das ist sehr bitter“, bedauert SPD-Vorsitzende Sonja Voßbeck. Seit Februar sei die SPD mit Informationsständen in der Stadt präsent. Der Wahlkampf sei gut gewesen. „Wir müssen jetzt noch mehr Flagge zeigen, auch außerhalb der Wahlkämpfe“, forderte die SPD-Vorsitzende ihre Parteifreunde auf.
CDU: Fingerzeig für die Kommunalwahl
CDU-Chefin Anette Bunse tröstete sich und ihre Parteifreunde über die Verluste vor Ort mit den Hinweis, dass sie weniger heftig ausgefallen seien als im Bundestrend. Sie hält das Ergebnis für das Anzeichen einer politischen Machtverschiebung. „Mein Glückwunsch geht an die Grünen. Ich freue mich, dass SPD, CDU und Grüne jetzt auf Augenhöhe die Mitte der Gesellschaft vertreten.“ Sie hält das Wahlergebnis durchaus für einen Fingerzeig in Richtung Kommunalwahl. „Es sollte uns Mut machen, dass wir nicht mal mehr 300 Stimmen hinter der SPD liegen.“
Grüne sind positiv geschockt
„Wir haben für jede Stimme hart gearbeitet“, freut sich ein glücklicher Grünen-Vorsitzender Joachim Gutsche. Bottrop sei als alte Bergbaustadt kein grünes Pflaster wie etwa Universitätsstädte. „Um so höher ist jede Stimme für uns zu bewerten“, meint Gutsche. Die Grünen hätten mit einem guten Wahlergebnis gerechnet. „Dass es so gut wird, hat uns regelrecht positiv geschockt“, sagte der Grünen-Vorsitzende.
FDP spürt Rückenwind für Kommunalwahl
Auch aus Sicht der Bottroper Liberalen haben grüne Themen wie der „Klimawandel“ für viele Wählerinnen und Wähler im Fokus gestanden. Das erkläre das gute Abschneiden der Grünen. „Die eine oder andere unglückliche Äußerung in der Vergangenheit mag die Wahrnehmung unserer aktuellen Beschlüsse zum Klimaschutz leider überlagert haben“, so meint FDP-Vorsitzender Andreas Mersch. Für die Kommunalwahl im nächsten Jahr zeichne sich eine größere Veränderung in der politischen Landschaft ab. Mersch: „Wir sind mit unserem Ergebnis in Bottrop zufrieden. Das gibt uns Rückenwind für die Kommunalwahl“.
OB: Solche Verluste hat die SPD in Bottrop noch nicht erlebt
Oberbürgermeister Bernd Tischler (SPD) kann seine Enttäuschung nicht verbergen. „Damit habe ich nicht gerechnet. Wir werden das Ergebnis sehr genau analysieren müssen, und so wie ich die SPD kenne, wird es heftige Diskussionen geben. Es haben sich sicher auch übergeordnete Faktoren auf das lokale Ergebnis ausgewirkt. Aber man muss feststellen, dass die SPD in Bottrop einen solchen Verlust noch nicht erlebt hat. - Bei aller Enttäuschung - die hohe Wahlbeteiligung war sehr erfreulich.“
Einige Wähler kamen schon ganz früh
Einige Wähler konnten es bei der Europawahl kaum abwarten. In der Fußgängerzone stand einer der ersten schon um halb acht Uhr morgens vor Tür. Da war der Wahlraum nicht einmal geöffnet. Schon am Mittag zeichnete sich dann eine höhere Wahlbeteiligung ab: Fast sieben Prozent Wähler mehr als zur selben Zeit bei der Europawahl vor fünf Jahren hatten da bereits ihre Stimmen abgeben. Um 16 Uhr waren es schon zehn Prozent mehr als zur selben Zeit 2014.
Johannette Gillar (82) etwa gehört zu denjenigen, denen die Stimmabgabe auch bei der Europawahl wichtig ist. „Ich gehe immer wählen. Ich möchte meine Meinung durch meine Wahl bekannt geben“, unterstreicht sie. Europa ist ihr wichtig – nicht nur, weil sie viel durch die europäischen Länder reiste und den gemeinsamen Euro zu schätzen weiß. „Die Einheit – alleine den Frieden zu erhalten“, schon dafür sei es richtig, zur Europawahl zu gehen.
Irrläufer in Kirchhellen
Für Dietmar Hoffmann (50) steht fest: „Wer nicht wählen geht, darf sich hinterher auch nicht beschweren.“ Und von der politischen Seite aus gesehen „sollte man doch wählen, um dem Populismus entgegen zu stehen.“ Auch Erstwählerin Lara Elten (18), die ihre Stimme in der Feuerwache Boy abgab, betont: „Ich fand es sehr wichtig, wählen zu gehen“.
Nicht jeder Wähler fand auf Anhieb sein richtiges Wahllokale. In Kirchhellen zum Beispiel steuerten viele Wähler am Morgen, der Gewohnheit folgend, das Brauhaus am Ring an. Doch das ist kein Wahllokal mehr. Stattdessen sind zwei Wahlbezirke in der Bezirksverwaltungsstelle nebenan untergebracht. „Wenn jemand seit Jahrzehnten immer in denselben Wahlraum abgestimmt hat, ist das ja ganz normal“, meint Stadtsprecher Andreas Pläsken. Dabei hatten die Wahlorganisatoren alles gegeben, um die Wähler auf so wichtige Änderungen aufmerksam zu machen: „Achtung, neuer Wahlraum!“, haben sie auf die Wahlbenachrichtigung gedruckt. Der Wahlraumfinder auf der Internetseite der Stadt half zusätzlich. Das funktioniert zumeist auch gut.
Neuer Wahlraum an der Hansastraße
Der Wahlraum im Projektraum in der Fußgängerzone gehört zu den neuen Wahlräumen. „Wir sind zum ersten Mal hier an der Hansastraße, sind vom Immobiliencenter der Sparkasse hierhin umgezogen“, berichtet Wahlvorsteherin Stefanie Karkowski. Dort sei ein Hinweisschild angebracht worden, damit auch jeder Wahl-Willige den richtigen Weg zur Urne findet. Die Atmosphäre sei freundlich und entspannt. Das bestätigt Schriftführer Sven Lesche, der nicht zum ersten Mal als Wahlhelfer dabei ist. Die Durchführung der Wahl durch sein Engagement zu unterstützen, ist ihm wichtig – als Vater zweier Töchter, die in Europa aufwachsen, und als Bottroper Bürger.
Beim Auszählen ging alles glatt
Zu den jüngeren ehrenamtlichen Wahlhelfern zählt mit seinen 33 Jahren Benedikt Ochmann. Er sei zwar nicht parteipolitisch organisiert wie sein ebenfalls in der Feuerwache Boy helfender Vater Franz – „aber ich bin politisch interessiert, und jede Stimme zählt.“ Für ihn persönlich sei es interessant, mit als erstes Infos über den Wahlausgang zu erhalten. Denn nach Schließung der Wahllokale wird vor Ort gemeinsam ausgezählt. „Organisatorisch ist bei der Wahl alles glatt gegangen. Nirgends gab es zu wenige Wahlhelfer, nirgends verschlossene Türen“, sagte denn auch Stadtsprecher Andreas Pläsken.