Bottrop. . Die Mitglieder einer Bottroper Lipödem-Selbsthilfegruppe sind froh über geplante Verbesserungen. Doch für sie bleiben noch viele Fragen offen.

Patientinnen mit Lipödem haben einen großen Leidensdruck. Aber jetzt gibt es für sie einen kleinen Hoffnungsschimmer am Horizont: Die gesetzlichen Krankenkassen sollen in Zukunft die teuren Behandlungen zumindest für einen Teil der Patientinnen bezahlen. Aber: „Es bleiben eine Menge Fragen offen“, meint Simone Mühlenberg.

Sie hat im Juni vergangenen Jahres in Bottrop eine Selbsthilfegruppe für betroffene Frauen gegründet. Sie selber ist nicht erkrankt, hat aber eine Verwandte mit Lipödem und weiß deshalb genau, welche Folgen diese Krankheit hat und was sie mit den Betroffenen macht.

Oft gibt es eine jahrelange Leidensgeschichte

Simone Mühlenberg hatte eine Selbsthilfegruppe gegründet, hier mit Letife Timar vom Selbsthilfebüro
Simone Mühlenberg hatte eine Selbsthilfegruppe gegründet, hier mit Letife Timar vom Selbsthilfebüro

„Da hängen viele Emotionen dran. Wir stoßen immer wieder auf Ablehnung und Unverständnis“, sagt eine von ihnen. Oft hätten die Patientinnen eine jahrelange Leidensgeschichte hinter sich, bis überhaupt ein Arzt ihre Erkrankung erkenne. Lipödem ist eine krankhafte Fettverteilungsstörung, bei der es zu einer Vermehrung und Vergrößerung der Fettzellen kommt, meist an den Beinen, oft auch an den Armen.

Helfen kann den betroffenen Frauen die Liposuktion, eine spezielle Methode der Fettabsaugung. Die aber wird bislang nicht von den Krankenkassen bezahlt. Das soll sich nun ändern, hat der Gemeinsame Bundesausschuss im Januar in einem Schreiben an Gesundheitsminister Jens Spahn angekündigt. Der hatte zuvor eine gesetzliche Regelung für die künftige Kostenübernahme angedroht.

Ursachen sind nicht erforscht

Die kostenlose Behandlung soll ab Stadium 3 gelten. „Das ist viel zu spät“, urteilt Simone Mühlenberg. „Dann sind manche Frauen schon auf einen Rollator angewiesen weil ihre Gelenke geschädigt sind.“ Die Frauen nehmen an Armen und Beinen viele Kilo zu. Dieses zusätzliche Gewicht belastet die Gelenke. In Stadium 1 seien die Heilungschancen größer. Im übrigen sei unklar, wie die Einteilung in 1, 2 oder 3 überhaupt zustande komme, und auch zu einer angekündigten Studie gebe es noch viele Fragenzeichen.

Die Ursachen der Erkrankung sind nicht erforscht, es wird vermutet, dass das weibliche Hormon Östrogen die Ursache ist. Die Krankheit tritt in Schüben auf, in der Pubertät, in der Schwangerschaft oder in den Wechseljahren. Die Betroffenen bekommen – auch von Ärzten – oft den Rat, weniger zu essen und mehr Sport zu machen. Aber: „Lipödem kann man nicht weg hungern.“ Und zuviel Muskelaufbau beim Sport könne zu zusätzlichen Schmerzen führen.

Kosten schnellen in die Höhe

Einzige bezahlte Therapien heute sind die Kompression mit bis zu 1000 Euro teuren Spezialstrümpfen und die Lymphdrainage. Zwei Paar Strumpfhosen brauchen die Betroffenen pro Jahr mindestens und die Lymphdrainage ist nicht billig. Hohe Kosten also für die Krankenkassen auf Dauer gesehen. Beides bringt aber allenfalls Erleichterung, keine Heilung. Die gibt es nur mit Fettabsaugen, sagen die Frauen.

Manche sparen dafür, weil die Kasse (noch) nicht zahlt. Aber das wird teuer, weil es mit nur einer Operation nicht getan ist. „Bei mir wären das sechs Operationen und Kosten von 21.000 bis 25.000 Euro“, erklärt eine 59-Jährige. „Das kann ich mir nicht leisten. Und einen Kredit kriege ich in meinem Alter auch nicht mehr.“

Nebenjob wegen einer kostspieligen OP

Ohnehin kämpft sie vor Gericht gerade für eine Erwerbsminderungsrente, weil sie keine drei Stunden mehr am Stück sitzen oder stehen könne. Auch hier sei das Problem, dass Lipödem als Krankheit nicht anerkannt sei. Der Ehemann einer anderen Betroffenen hatte in einem Telefongespräch mit der WAZ erklärt, er wolle einen Nebenjob annehmen, um seiner Frau die kostspielige OP ermöglichen können.

Zwei Gruppenmitglieder wurden gerade operiert. Um die teuren Tagessätze in der Klinik zu sparen, wurden sie ambulant operiert, besser seien aber zwei Tage Aufenthalt im Krankenhaus. Einer andere Betroffene wird bald operiert: dreimal bis zum Sommer. Bei ihr muss die Krankenkasse wegen einer vorherigen Fristüberschreitung zahlen.

Der Kontakt zur Selbsthilfegruppe

Die Selbsthilfegruppe Lipödem trifft sich an jedem letzten Montag im Monat ab 18 Uhr in der alten Cafeteria im Untergeschoss des Verwaltungsgebäudes am Knappschaftskrankenhaus (Osterfelder Str. 157). Etwa 15 Frauen sind regelmäßig dabei.

Die Gruppe plant für dieses Jahr ein gemeinsames Kochevent, Vorträge und Wassergymnastik. Außerdem wird sie bei den Selbsthilfetagen am 25. und 26. Mai auf dem Berliner Platz dabei sein.

Ansprechpartnerin ist Simone Mühlenberg (info@lily-bottrop.de). Auskünfte gibt es auch im Selbsthilfebüro Bottrop ( 02041-23019).