Bottrop/Hasselt. Bei der Orgel-Plus-Exkursion erlebten 200 Teilnehmer historische Instrumente in Hasselt. Es blieb auch Zeit, die alte belgische Stadt zu erkunden.

Wieviele sitzen in diesem Bus, sind die Listen herumgegangen, hat Gerhard Kemena wieder für süßen Proviant gesorgt? Es ist ein wenig wie bei „Dinner for one“: The same procedure as every year. Viele der etwa 200 Orgel- und Reise-Fans kennen das schon. Auch jetzt stehen sie wieder im Morgengrauen bei nasskaltem Wetter an der Friedrich-Ebert-Straße und entern die Fischer-Busse. Gerd-Heinz Stevens und Gerhard Kemena wuseln durch die Gänge, schauen, ob alles in Ordnung ist.

     
      © Heike Biskup

Gerhard Kemena ist dabei so etwas wie die Seele dieser Fahrten - nicht weil er alle Jahre wieder für Süßes - dieses Mal belgisches Lakritz und Pfefferminz - sorgt. Seine Vortouren sind zahlreich. Wie Gerd-Heinz Stevens will er die Orte kennen. Denn schließlich sollen die Teilnehmer nicht nur die kostbaren Instrumente erleben, sondern auch einen schönen Tag in den alten holländischen oder belgischen Städten verbringen.

Teilnehmerin kam sogar aus Zürich

„Norddeutschland mit seiner sicherlich spannenden Orgellandschaft ist für eine Tagestour zu weit“, sind sich Stevens und Kemena einig.

Nach zwei Stunden Fahrt setzt sich am Rande der Altstadt der knapp 80.000 Einwohner-Stadt eine Prozession in Bewegung. „Vielleicht 60, 65 Prozent Bottroper“ vermutet Gerd-Heinz Stevens.

     
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In der gotischen Quintinus-Kathedrale kommen wir auf der Orgelempore nach dem Konzert von Stadt- und Domorganist Johan Herman mit Ludger Siegmund und Birgit Jacob ins Gespräch. Beide sind Orgel-Fans. Essen-Heisingen an der Ruhr ist ja nahe. Birgit Jacobs hat es da schon weiter. „Ja, ich komme aus Zürich“, lacht die kurzhaarige burschikose Frau. Sie mag die Instrumente und deren Musik absolut und versucht, ihre Besuche am Niederrhein so zu legen, dass sie an Orgel-Plus teilnehmen kann. Mit Ludger Siegmund beobachtet sie den neuen Festivalassistenten Joel Keller beim Registrieren. „Hausherr“ Johan Hermans steht gerne Rede und Antwort nachdem er die Schönheit des alten Werkes aufleuchten ließ. Dann spielt Gerhard Kemena und begleitet Florian Giersch von St. Cyriakus und die Versammelten beim nachweihnachtlichen Lied.

Der Stadtbummel gehört natürlich zur Exkursion. Die Patisserie ist heute fest in deutscher Hand.

     Die Bottroper Exkursionsteilnehmer in der gotischen Quintinus-Kathedrale von Hasselt.
     Die Bottroper Exkursionsteilnehmer in der gotischen Quintinus-Kathedrale von Hasselt. © Heike Biskup

Später geht es in die barocke Wallfahrtskirche der „Virga Jesse“ mit einer Clerinx-Orgel von 1860, aber auch Marmorskulpturen von Schülern des berühmten Bernini aus Rom. Propst Paul Neumann erzählt die Geschichte des Gnadenbildes aus dem 15. Jahrhundert bevor Johan Hermans auch diese Orgel vorstellt. Denn ohne die Geschichte versteht man die Orte einfach nicht, ist sich eine Teilnehmerin sicher.

Viele neue Kontakte

Ohne Netzwerke wäre auch in der Kultur manches nicht möglich - oder auf jeden Fall mühsamer. Das zeigte sich auch jetzt bei der Exkursion ins belgische Hasselt. Der dortige Stadt- und Domorganist Johan Hermans ist nicht nur Herr der dortigen historischen Instrumente, sondern auch Organisator für Musik, Dozent und gefragter Interpret zwischen Paris, Sydney, Moskau, London oder Tokio. Beim nächsten Festival Orgel Plus vom 5. bis 12.januar 2020 ist er mit Musikern aus Hasselt zu Gast in Bottrop - und hat dann sogar eine Uraufführung im Gepäck, wie Festivalleiter Gerd-Heinz Stevens verriet.

Orgel Plus hat nach Jahren wieder einen Assistenten

Nach vielen Jahren hat Orgel Plus auch wieder einen Assistenten. Der 20-jährige studiert an der Folkwang Universität Musikwissenschaft und Klavier. Bereits in Hasselt half er auf der Orgelempore der Kathedrale Johan Hermans beim Registrieren der historischen Binvignat & Houdtappel-Orgel von 1783. Aber auch beim Abschlusskonzert der Tölzer in St. Cyriakus stand er dem Gastorganisten Robert Kovács in dieser Funktion zur Seite. Wer einmal hinter die Kulissen eines Festivals blickte, weiß: Ein Assistent kann Gold wert sein.