Bottrop. . 39 Obdachlose sind in den städtischen Unterkünften am Borsigweg in Bottrop untergebracht. Viele haben Hoffnung auf eigene Wohnung aufgegeben.

Diese Tür möchte eigentlich niemand gerne öffnen. Sie führt in die Bottroper Kontaktstelle Borsigweg. Hier kommt nur hin, wer kein eigenes Dach über dem Kopf hat und in den Notunterkünften ein Bett braucht.

So jemand wie Kurt. Er ist 66 Jahre alt, seit über drei Jahren wohnt er am Borsigweg. „Meine Frau ist gestorben, dann habe ich die Wohnung verloren und auf der Straße gelebt“, erzählt der Rentner. In die Unterkunft habe ihn das Sozialamt verwiesen. „Das ist besser als auf der Straße.“ Aber kein Zuhause.

Im Gegensatz zum Nachtasyl gibt es in der Kontakstelle warmes Wasser

„Das ist weit entfernt vom Mietwohnungsstandard“, sagt Stefan Otte. Der Diplom-Sozialpädagoge ist Leiter der Caritas-Kontaktstelle, Ansprechpartner, Berater, Krisenmanager, Vermittler und der Mann mit dem Schlüssel zu etwas Komfort. Denn in der Kontaktstelle gibt es das, was das Nachtasyl nicht hat: warmes Wasser und Duschen, Waschmaschine und Kleiderkammer, Aufenthaltsraum, Frühstück und immer ein offenes Ohr.

An vier Tagen die Woche ist die Kontaktstelle geöffnet. „Es ist ein toller Job“, sagt der Sozialpädagoge über seine Arbeit, trotz der Fülle von Aufgaben und der schwierigen Klientel im sozialen Brennpunkt. Er arbeitet eng mit dem sozialpsychiatrischen Dienst des Gesundheitsamtes zusammen und hat oft mit den rechtlichen Betreuern oder Bewährungshelfern der Bewohner zu tun.

Die Hoffnungslosigkeit überwiegt

„Erfolge“ sind schwer zu messen bei seiner Arbeit. „Es gibt immer wieder welche, die sich hier mit einer guten Perspektive verabschieden“, sagt er. In einer Trainingswohnung können sie zuvor Wohnen „üben“. „Aber man kann die, die sozial rehabilitiert sind, an einer Hand abzählen.“ Viele kommen wieder. „Sie fallen in den alten Trott zurück, sie haben keine Strukturen, keine Ausbildung, keine Arbeit.“ Viele sind alkohol- und psychisch krank, werden zur Entgiftung oder Beratung vermittelt. Hoffnungslosigkeit überwiegt.

Nehmen wir Kurt. Der hat sich damit abgefunden, für immer in der Notunterkunft zu bleiben. „Bei meiner kleinen Rente“, sagt er. Stefan Otte, der bei der Wohnungssuche hilft, bestätigt, dass es auch in Bottrop kaum noch bezahlbaren Wohnraum gibt. Manni (71) dagegen ist optimistisch. „Vielleicht bin ich noch vor Weihnachten raus“, sagt er. Fast drei Jahre wohnt er hier. Klaus (47), alias Jenko, sagt, er sei aus Düsseldorf vertrieben worden und seit einem Jahr da. „Ich kann hier nicht weg.“

67-Jährige ist die "Mutter" der Kontaktstelle

Sucht jemand ein Dach über dem Kopf, wird ihm am Borsigweg schnell geholfen. „Für die praktische Unterbringung sind die beiden Hausmeister zuständig“, erklärt Stefan Otte. „Die leisten tolle Arbeit.“ Sie sorgen für ein Bett, saubere Matratze und sauberes Bettzeug und bringen die Räume wieder in Schuss, wenn was zerstört wurde. In der Regel bekommen Obdachlose ein eigenes Zimmer, zum Teil sind die Räume doppelt belegt, was auf oft zu Konflikten führt. Es gibt keine Kochstelle, geheizt wird mit Kohle. Anders als in anderen Städten, sind die Unterkünfte in Bottrop rund um die Uhr offen. Länger als acht Wochen soll eigentlich niemand bleiben. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingswelle waren am Borsigweg auch Flüchtlinge untergebracht.

In Karin Welder hat Stefan Otte an zwei Tagen die Woche ehrenamtliche Unterstützung. Die 67-Jährige ist ein bisschen die „Mutter“ der Kontaktstelle, betreut die Kleiderkammer, wäscht Wäsche, macht Frühstück und: „Ich rede mit den Leuten und freue mich über jeden, der rauskommt.“ Fast 16 Jahre macht sie das schon, wollte eigentlich aufhören, hat aber nur reduziert: „Sonst fällt mir zu Hause die Decke auf den Kopf.“ Schließlich brauchen die Besucher ab und an ihr Machtwort: „Ich sag ihnen, wenn sie zu viel trinken und wenn sie mal wieder duschen und die Kleidung wechseln müssen.“ Und sie kocht das Weihnachtsessen.

280 Plätze für Wohnungslose

Zwischen 1959 und 1962 sind die Unterkünfte am Borsigweg gebaut worden, schon damals wohl für Obdachlose. Wahrscheinlich waren hier früher auch Spätaussiedler untergebracht, vermutet Sozialamtsleiterin Karen Alexius-Eifert. Acht Häuser stehen noch, eines wurde inzwischen abgerissen. Ein weiterer Abriss war geplant, ist aber seit den Erfahrungen mit der Zuweisung von Flüchtlingen kein Thema mehr.

„Wir halten 280 Plätze vor, bei lockerer Belegung“, sagt die Sozialamtsleiterin. Als viele Flüchtlinge kamen, haben hier auch mehr Menschen gelebt. Derzeit sind 100 Plätze belegt. Einige Häuser wurden inzwischen mit Mitteln vom Bund für Familien kernsaniert Das ist auch für weitere Gebäude geplant, um die Bausubstanz und den Wohnungsstandard zu verbessern.

Klassische Obdachlose am Borsigweg sind 31 Männer und acht Frauen, die gesondert aber ebenfalls im spärlich ausgestatteten „Nachtasyl“ untergebracht sind. „Das ist eigentlich wirklich nur für eine Nacht gedacht“, sagt Karen Alexius-Eifert. Aber trotzdem wollten viele Bewohner hier nicht weg. „Wir sind an dem Thema dran. Wir wollen den Bewohnern Angebote machen.“