Bottrop. . Mit der Schließung der letzten Zeche verliert das Ruhrgebiet auch eine Schulform. Willi Stenmanns leitete die Bergbau-Berufsschule West.
Mit dem Bergbau geht eine ganze Schulform: die der Bergberufsschulen. Als einer der dienstältesten Bergberufsschullehrer hat Willi Stennmans den langen Niedergang des Bergbaus seit der Kohlekrise ab 1958 bis zu seiner Pensionierung 1999 miterlebt.
2015 wurden die Berufskollegs in Duisburg und Bergkamen geschlossen, im Sommer folgte Recklinghausen. Blickt Stennmans also auf eine deprimierende Zeit zurück? „Unsinn“, sagt er im Rückblick. „Es war eine spannende Zeit, und ich habe immer wieder viel Glück gehabt.“
Glücksfall „Frollein Goldstein“
„Frollein Goldstein“ war so ein Glücksfall für den 1939 in der Rheinbaben-Kolonie geborenen Willi Stennmans. Die Volksschullehrerin Goldstein hatte den Eltern Stennmans zum Abschluss der Grundschule kategorisch verkündigt: „Der Junge muss weiter.“
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Also durfte der junge Willi die Aufnahmeprüfung zur Oberschule machen und baute sein Abitur 1959 am Jungengymnasium, heute das Bottroper Kulturzentrum in der Innenstadt. „Wir waren die ersten Wehrpflichtigen“, erinnert er sich. „Von 25 Schülern gingen 20 zum Bund.“
Schatten der Krise weggeblinzelt
Stennmans Berufswahl stand früh fest: Etwas mit Bergbau sollte es sein, obwohl 1958 die ersten Zechenschließungen dunkle Schatten warfen. Die wurden entschieden weggeblinzelt, erinnert er sich: „Der Kohlenpott ohne Bergbau- das war einfach nicht vorstellbar.“
Also studierte Stennmans nach der Bundeswehrzeit Maschinenbautechnik an der TH Aachen, schluckte den ersten Kohlenstaub auf Haniel und natürlich auf Rheinbaben, wo auch seine Onkel malochten, und setzte 1964 das Studium des erst wenige Jahre zuvor eingeführten Fachs Gewerbelehramt drauf.
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Als noch fast jede Zeche ihre eigene Berufsschule hatte, unterrichtete er Berg- und Maschinentechnik, Politik, Geometrie und Sport. Er erlebte, für ihn ein weiterer Glücksfall, die Schulreformen der 1980er Jahre: „Das gab den Lehrern Freiheiten für einen weniger theorielastigen Unterricht.“ Was das für ihn heißt, zeigt die Verschönerung des Schulhofes an Franz Haniel in Oberhausen-Königshardt. Die Bergberufsschüler haben nicht nur Sitzbänke geschreinert. „Wir haben einen kompletten Hühnerstall gebaut“ - und so zur Selbstversorgung der Schule beigetragen.
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1990 wurde Stennmans, noch ein Glücksfall, Leiter der Bergbau-Berufsschule West mit 2000 Schülern. „Da konnte ich noch mehr von den Vorstellungen umsetzen, die mir schon als Lehrer am Herzen gelegen haben.“
„Als Schulleiter war ich enorm frei“
Zur gleichen Zeit machte das Land aus den privaten Ersatzschulen öffentliche Schulen. „Mein Dienstherr war der Kultusminister, meine Fachaufsicht das Oberbergamt und der Schulträger wurde die Deutsche Montan Technologie (DMT).“
Klingt nach komplizierten Entscheidungswegen, aber genau das Gegenteil war der Fall: „Als Schulleiter war ich enorm frei.“ Beispiel gefällig? 1993 sollte seine Schule neben Bergmechanikern, Elektrikern, Elektronikern und Schlossern auch Eisenbahner ausbilden. „Da haben wir eine Modelleisenbahn durch zwei Klassenräume gebaut. 30 000 Mark hat das damals gekostet. Die konnte ich einfach aus meinem Etat nehmen.“
Der eigene kleine Sieg gegen den Niedergang
Stennmans resümiert: „Ich habe Glück gehabt, auch dies und das gekonnt und von guten Leuten gelernt.“ Und er hat seinen eigenen kleinen Sieg gefeiert im Kampf gegen den Niedergang des Bergbaus: den Schulstandort Moers gegen Schließungspläne verteidigt. So kam das Aus erst 2015 .
>>> INFO: TÜV legt eine Schulchronik auf
- Der TÜV Nord, dessen Bildungstochter TÜV Nord College seit 2010 die Abwicklung der Berufskollegs übernommen hatte, hat eine Chronik heraus gegeben „zur Geschichte der Bergberufsschulen im Ruhrgebiet“.
- Autoren sind Prof. Karl Eckart, bis 2004 Professor für Wirtschafts- und Sozialgeografie an der Uni Duisburg und Strukturwandel-Experte; Wolfgang Koschel, Oberstudiendirektor zuletzt am Berufskolleg Recklinghausen; Thorsten David, Geograf und freiberuflicher Kartograf.