Bottrop-Kirchhellen. 55 Menschen mit geistiger Behinderung und psychischen Erkrankungen haben eine Arbeitsstelle auf dem Rotthoffs Hof. Leser besuchen den Biohof.
Das „Empfangskomitee“ erwartet die WAZ-Leser direkt neben dem Parkplatz am Rotthoffs Hof. Sabine Ridderskamp, leitender Dienst und Hausleitung, sowie Kathrin Seewald, verantwortlich für Landwirtschaft und Tierhaltung, werden die Leser gemeinsam mit den Beschäftigten Michael Franke, Ilhan Özkeler und Iris Kehrer über den Biohof führen. Iris Kehrer hat Pony „Sternchen“ am rosaroten Zügel dabei.
Als erstes geht es zu den Hühnern, was besonders Julian in regelrechte Verzückung versetzt. Mit 21 Monaten ist er der jüngste Teilnehmer. Als Papa Alexander Klettke ihn endlich auf den Boden lässt, rennt Julian laut quietschend hinter den Tieren her. Hühner sieht Julian zum ersten Mal in seinem jungen Leben, verrät sein Vater. „Aber Eier isst er ganz besonders gerne.“
Kunden können Huhnpatenschaft übernehmen
Hühnerspezialist im Kirchhellener Rotthoffs Hof ist Michael Franke. Stolz zeigt er den Eimer mit den Eiern, die er am Morgen schon gesammelt hat. Sie werden im angeschlossenen Bioladen verkauft. Man kann auch eine Huhnpatenschaft übernehmen und sich so fünf Freilandeier pro Woche sichern. Die Hühner werden irgendwann geschlachtet und als Suppenhühner verkauft. „Das ist für manche unserer Beschäftigten durchaus ein Problem“, sagt Sabine Ridderskamp.
„Es gibt zwei Hähne und 180 Hühner“, erzählt sie. Es können aber auch ein paar weniger sein, seit Marder und Greifvögel das Gelände entdeckt haben. Die Hühner leben frei auf der großen Wiese und kommen nur abends in die beiden umgebauten Bauwagen. Sie werden von den Beschäftigten mit Futter hinein gelockt – Biofutter – denn der Hof arbeitet nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus und wird zweimal im Jahr kontrolliert.
Die Beschäftigten machen auch Praktika
Ilhan Özkeler ist einer der Beschäftigten und ganz in seinem Element. Heute freut er sich besonders, dass sein früherer Grundschullehrer Dieter Meinerzhagen unter den WAZ-Lesern ist. Ilhan Özkeler ist seit mehreren Jahren auf dem Hof in der Landwirtschaft und Tierhaltung beschäftigt. Zu Anfang hat er wie alle den zweijährigen Arbeits- und Berufsbildungsbereich durchlaufen. Der Rotthoffs Hof ist Teil der Werkstätten des Diakonischen Werkes. Ziel ist es, die Beschäftigten mittels Praktika auf den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Manchmal gelingt das.
Auf dem Rotthoffs Hof gibt es allerdings genug Arbeit. Kathrin Seewald, Meisterin im Gemüseanbau, führt über die Obstwiese und stellt verschiedenen Apfelsorten vor. Obst wird frisch oder verarbeitet zu Saft oder Marmelade im eigenen oder in Bioläden in der Nachbarschaft oder auf dem Bauernmarkt verkauft. Es geht vorbei an den Bienenstöcken, die Honigernte war in diesem Jahr besonders reich.
Zum Abschluss gibt es Kaffee und Kuchen
Und schon kommt man zu Schweinen, die sich draußen tummeln. Die Bio-Ferkel stammen von einem Dülmener Züchter und werden bis Jahresende so groß und schwer sein wie ihre beiden Artgenossen aus konventioneller Zucht, die von der Tiernotrettung hier untergebracht wurden und ihren Lebensabend genießen. Mit der Bioschwein-Aktie kann man sich schon heute Schweinehälften sichern und gegen Jahresende portioniert und verpackt abholen. Im Gemüsegarten gibt es immer noch frischen Salat und riesige Zucchini.
Der Besuch des Hofes endet für die Leser bei Kaffee und Kuchen, aufgetischt von Hauswirtschaftsmeisterin Marianne Heinrichs und Patrick, der den Kuchen gebacken hat. Wer mag, kann noch einen Abstecher in den gut sortierten Bioladen machen, der in dem alten Bauernhaus von 1853 vorne an der Münsterstraße untergebracht ist.
Diakonie hat den Hof seit 29 Jahren
Seit 29 Jahren bewirtschaftet die Diakonie den Hof. Sie hat ihn bei einer Zwangsversteigerung erworben. Betrieben hat den Kauf der damalige Diakoniepfarrer Schneider. Er hatte die Idee, hier Arbeitsplätze für Menschen mit Behinderung zu schaffen. Fünf Beschäftigte gab es am Anfang. Besonders ist, dass hier heute nicht nur Menschen mit geistiger Behinderung arbeiten, sondern auch Menschen mit psychischen Erkrankungen. „Das gibt es sonst nirgends, weil man denkt, das funktioniert nicht“. sagt Sabine Ridderskamp. „Aber das klappt ganz hervorragend.“