Das Osterfelder Bergwerk Zeche Jacobi lag teilweise auf Bottroper Gebiet. Ab 1912 wuchs mit wachsendem Arbeiterbedarf das ländliche Fuhlenbrock.

Jahre bevor die „schönste und modernste Zeche des Ruhrgebiets“, das heutige Welterbe Zollverein in Essen, entstand, hatten Osterfeld und Bottrop ihr „Versailles des Ruhrgebiets“. Wer die historische Luftaufnahme oben betrachtet, dem mag der Vergleich zwischen Jacobi und dem Versailles des französsichen Sonnenkönigs, sozusagen der Prototyp der barocken Schlossanlage, nicht von der Hand weisen.

Denn die zwischen 1912 und 1916 erbaute Zeche Jacobi, deren Entwurf vom Stuttgarter Oberbaurat Carl Weigle stammt, hatte mit ihrer symmetrischen Anlage der Gebäude, der schnurgerade auf sie zulaufende Allee und das Glockentürmchen auf dem Hauptportal tatsächlich einen schlossartigen Charakter.

Eingang von Jacobi Ende der 50er Jahre - als die Zeche noch arbeitete.
Eingang von Jacobi Ende der 50er Jahre - als die Zeche noch arbeitete. © Archiv

Baumeister kam aus Süddeutschland

Rasenflächen mit Bäumen im Innenhof und eine auffällige, mit blauen Fliesen gekachelte Lohnhalle betonten den Schlosscharakter der Zechenanlage. Von Weigle, der überwiegend in Süddeutschland Bauten im Stile des Historismus entwarf, ist auch das heute unter Denkmalschutz stehende Werksgasthaus der Gutehoffnungshütte in Oberhausen erhalten.

Aber nicht nur äußerlich machte die Anlage im Osterfelder Ortsteil Klosterhardt etwas her. Auch in Sachen Mitbestimmung, Arbeitsschutz und Tarifpolitik war Jacobi - benannt nach Hugo Jacobi, Vorstandsmitglied der Gutehoffnungshütte AG (GHH) und Enkel deren Mitbegründer Gottlob Jacobi - an vorderer Stelle. So beteiligten sich die Arbeiter am Ende des Ersten Weltkriegs von nunmehr 100 Jahren am Generalstreik für den Frieden, legte im Winter des selben Jahres die Arbeit nieder und forderte einen Arbeitstag von maximal siebeneinhalb Stunden unter Tage.

Die Jacobi-Belegschaft, zu der von Anfang an auch viele Fuhlenbrocker gehörten, erkämpfte des ersten Tarifvertrag und wählte bereits 1920 die erste Arbeitnehmervertretung. Der Tarifvertrag legte unter anderem eine maximale Arbeitszeit von sieben Stunden unter Tage fest.

Technische Neuerungen

Die Anlage selbst wurde auf einem 220 Hektar großen Gelände errichtet, das die GHH 1905 vom Grafen von Westerholt erworben hatte.

Ab 1910 begannen von der Zeche Vondern aus die Aufschlussarbeiten für dieses Feld Neu-Oberhausen. Dann wurde vom neuen Gelände aus mit dem Abteufen der Schächte begonnen. Die GHH trennte gut sechs Quadratkilometer ihre Grubenfeldes Neu-Oberhause ab und begann ab 1912 dort mit dem Bau der prächtigen Zechenanlage nach den Weigle-Entwürfen. 1913 begann man mit der Förderung von der neuen Anlage aus.

Blick auf die umfangreichen Gleisanlagen der Zeche Jacobi in Osterfeld-Klosterhardt. Die Stadtgrenze zu Bottrop lag nicht weit entfernt.
Blick auf die umfangreichen Gleisanlagen der Zeche Jacobi in Osterfeld-Klosterhardt. Die Stadtgrenze zu Bottrop lag nicht weit entfernt. © Archiv

Der zunehmende Zwang zu mehr Wirtschaftlichkeit und verstärktem Einsatz neuer Technik machte sich in den 1920er Jahren auch auf Jacobi bemerkbar. In den Streben wurden Abbauhämmer und Schrämmaschinen für den Abbau eingesetzt. Versuchsweise eingesetzte Pressluft-Kohlenhacken konnten sich allerdings nicht gegen die Kohlegewinnung durch den klassischen Abbauhammer durchsetzen. Statt der bis dahin üblichen hölzernen Grubenstempel setzte man auf Jacobi nun Stahlstempel ein.

Aufgrund der neuen Gewinnungstechniken wurden die Abbaugeschwindigkeiten auf anderthalb Meter pro Tag gesteigert.

Förderung 1974 eingestellt

Aber der schlechtere Kohleabsatz führte auch bei der Jacobi-Belegschaft zu Feierschichten. Im Zuge der Weltwirtschaftskrise ab 1929 wurde 1932 das Grubenfeld der stillgelegten Zeche Vondern übernommen und die Kokerei stillgelegt - die aber 1934 wieder in Betrieb genommen wurde. Den Höchststand der Kohleförderung erreichte Jacobi 1943 mit über zwei Millionen Tonnen Jahresförderung bei über 5300 Bergleuten, darunter etwa ein Viertel Kriegsgefangene.

Nach dem Zweiten Weltkrieg profitierten Jacobi und der Fuhlenbrock zunächst vom Kohle-Boom. 1965 wurde die Zeche allerdings mit Franz Haniel zum Verbundbergwerk vereinigt. Diese Zwangsehe hielt bis 1974. Dann wurde das Verbundbergwerk Franz Haniel/Jacobi getrennt und Franz Haniel mit Zeche Prosper zum Bergwerk Prosper Haniel verschmolzen. Im selben Jahr endete die Förderung auf Jacobi.

Auf dem Zechengelände befinden sich heute ein Golfplatz, der Fußballplatz des SV Blau-Weiss Fuhlenbrock sowie Beachvolleyballfelder.

Mit dem Bergbau wächst auch die Infrastruktur

Innenansicht der Fuhlenbrocker Ludgeruskirche in den 30er Jahren. Vor allem durch Zeche Jacobi wuchs die Bevölkerung stark an.
Innenansicht der Fuhlenbrocker Ludgeruskirche in den 30er Jahren. Vor allem durch Zeche Jacobi wuchs die Bevölkerung stark an. © Archiv

Der erste große Entwicklungsschub in Bottrop durch Industrie und vor allem den Bergbau vollzieht sich im Süden und Osten des heutigen Stadtgebiets - und in Ebel, das damals aber noch zu Borbeck beziehungsweise von 1915 bis 1929 zu Essen gehört. Welheim, Boy, Lehmkuhle, Batenbrock aber auch Eigen im Nordosten profitieren ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von der sprunghaften Entwicklung des Bergbaus und damit verbundener Industriezweige.

Auf der anderen Seite, im Westen und Südwesten des Stadtgebietes, liegen zwar die großen Oberhausener Industrieanlagen, deren Dynamik aber Bottrop kaum berührt. Erst mit dem Bau der Zeche Jacobi ab 1912, deren Anlagen sich zwar überwiegend auf Osterfelder Gebiet, aber zumindest teilweise im Fuhlenbrock befinden, kommt Schwung auch in diesen bisher noch weitgehend ländlich geprägten Teil des Ortes, der 1919 die Stadtrechte erhält.

Arbeitersiedlungen wie hier an der Hans-Böckler Straße entstanden im Zuge des Bergbaus und er Industrialisierung vor und nach dem Zweiten Weltkrieg.
Arbeitersiedlungen wie hier an der Hans-Böckler Straße entstanden im Zuge des Bergbaus und er Industrialisierung vor und nach dem Zweiten Weltkrieg. © Stadtarchiv Bottrop

Schulen, Läden und Gasthäuser entstehen

Das zeigt sich auch in der Entwicklung der Infrastruktur. Schulen, Läden, Gasthäuser und nicht zuletzt die Kirchen entstehen. Gegen Ende des Ersten Weltkriegs ist die Katholikenzahl so stark angestiegen, dass der Bau einer Kirche notwendig wird. Bereits 1906 hatte sich im Fuhlenbrock ein Kirchbauverein gegründet. Die Bestrebungen nach einer eigenen kirchlichen Infrastruktur nehmen an Fahrt auf.

Die werden auch von der Mutterpfarre St. Cyriakus im Zentrum unterstützt, wie Josef Bucksteeg im Buch „Kirche in Bottrop“ der Historischen Gesellschaft die damalige Situation beschreibt. 1917 mietet man den Wirtshaussaal Jakobsmeier und hält im selben Jahr dort die erste Messe - Gründungsakt der heutigen St. Ludgerus-Gemeinde.

Nicht nur Jacobi, auch Prosper Haniel (o.) prägte den Fuhlenbrock.
Nicht nur Jacobi, auch Prosper Haniel (o.) prägte den Fuhlenbrock. © Stadtarchiv

Ähnlich die Situation auch vor und nach dem Zweiten Weltkrieg im nördlichen Fuhlenbrock. Jacobi und Prosper Haniel arbeiten auf Hochtouren. Im Fuhlenbrock entsteht neben neuen Siedlungen auch eine weitere katholische Gemeinde: Zunächst als St. Konrad mit ersten Gottesdiensten im Haus Waldfrieden. In den frühen 50er Jahren beschließt man den Bau einer Kirche - nun unter dem Patronat von St. Bonifatius - nicht an der Alten Fernewaldstraße sondern Im Fuhlenbrock.

Zechen kennen keine Stadtgrenzen

Typisch für das alte Revier: Zeche vor Bauernland.  Hier im Bild die Gladbecker Zeche Mathias Stinnes 3/4, stillgelegt 1972, nahe der Bottroper Stadtgrenze.
Typisch für das alte Revier: Zeche vor Bauernland. Hier im Bild die Gladbecker Zeche Mathias Stinnes 3/4, stillgelegt 1972, nahe der Bottroper Stadtgrenze. © Archiv

Die Stadtgrenzen wirken im alten Zechenland fließend, es sei denn sie werden durch den Lauf eines Baches, wie zum Beispiel der Boye oder einer großen Verkehrsader markiert. Auch die Bergwerke kennen keine kommunalen oder politischen Grenzen.

Wenn sie sich nicht - wie zum Beispiel Zeche Jacobi - ohnehin über Tage auf zwei Städte ausdehnen, so sind die Wege unter Tage auf jeden Fall grenzenlos.

Mathias Stinnes auch in Bottrop aktiv

Typisch für das alte Revier: Zeche vor Bauernland.  Hier im Bild die Gladbecker Zeche Mathias Stinnes 3/4, stillgelegt 1972, nahe der Bottroper Stadtgrenze.
Typisch für das alte Revier: Zeche vor Bauernland. Hier im Bild die Gladbecker Zeche Mathias Stinnes 3/4, stillgelegt 1972, nahe der Bottroper Stadtgrenze. © Archiv

Ähnliches lässt sich von der Haldenlandschaft sagen. Zeche Mathias Stinnes 3/4 im benachbarten Gladbeck-Brauck oder Mathias Stinnes 1/2/5 in Essen-Karnap hinterließen Aufschüttungen, die nicht nur einen guten Blick auf die Tetraeder-Halde ermöglichen, sondern mit dem ÖPNV am besten auch über Bottrop-Boy erreichbar sind. Aber auch die Arbeiter in der Hochzeit des Bergbaus kamen nicht immer nur aus der unmittelbaren Umgebung „ihres“ Pütts.

Wenn Mathias Stinnes 1931 die Zeche Welheim oder vor 50 Jahren das Baufeld Rheinbaben übernahm, zeigt dies, wie verzahnt der Bergbau bis in seine Spätphase hinein war. Auch die Aktivitäten der Menschen machten nicht an den Stadtgrenzen halt. Vor allem der Verlauf alten Straßenbahnlinien - die seit den 60er Jahren zunehmend stillgelegt wurden - macht dies deutlich.

Straßenbahnen brachten Arbeiter zur Zeche

„Sie wurden in erster Linie dazu gebaut, die Arbeiter aus den verschiedenen Kolonien zur Zeche von Stadt zu Stadt zu bringen und erst dann die Leute zum Shopping in die Geschäftszentren. So griffig jedenfalls formulierte es der Straßenbahnexperte Klaus Giesen, der vor einiger Zeit sein Buch „Auf Schienen zur Schicht“ herausbrachte.

Ein historisches Bild der Zeche Graf Moltke in Gladbeck.
Ein historisches Bild der Zeche Graf Moltke in Gladbeck. © Repro: Oliver Mengedoht / FUNKE Foto Services

So hinterlassen diese Nachbarzechen, zu denen zum Beispiel auch Graf Moltke in Gladbeck gehört, zwar nicht spektakuläre Erhebungen wie Prosper Haniel, die Tetraeder-Halde oder auch die Schurenbachhalde im Essener Norden.

Dennoch haben sich zum Beispiel Halde Graf Moltke 2 oder Halde 22 östlich der Boye zu kleinen Naherholungsgebieten entwickelt, die mehr und mehr auch als solche wahrgenommen werden.