Bottrop.. Vor 60 Jahren wurde an der Horster Straße in Bottrop ein Mädchen ermordet. Eine Schulfreundin will die Erinnerung an das Opfer wach halten.


Heute vor 60 Jahren wurde im Mengede-Haus an der Horster Straße 20 die damals fünfjährige Dorothee Mengede ermordet. Die Tat erschütterte die Bottroper. Die Polizei sprach damals von einer Tat, die in der Kriminalgeschichte der Stadt einmalig sei. Dorothees damalige Schulfreundin will die Erinnerung an sie wach halten.

„Wir waren unzertrennlich“, erinnert sich Dorothee Bremer an ihre beste Freundin. Ihre Erinnerungen hat sie in einem Text so zusammen gefasst: „Unsere Namen schmiedeten uns zusammen. Wir waren zwei Geschenke Gottes. Wir wechselten fast täglich die Straßenseiten. Spielten auf dem Hof im Sand. Den ersten Schultag erlebten wir gemeinsam, saßen in einer Schulbank. Den Sommer verbrachten wir getrennt. Als ich wiederkam, warst du nicht mehr da.“

Leblos im Waschkessel

Was war passiert am Samstag, dem 9. August 1958? Es ist Markt auf dem Berliner Platz, Dorothee geht einkaufen mit ihrer Tante. Dann verliert sie die Lust und läuft das kurze Stück quer über die Straßenbahnschienen heim zur Horster Straße 20, wo Nachbarn sie später mit ihrem Puppenwagen auf dem Hof gesehen haben wollen. Zwei Stunden später geht ihre Großmutter in die Waschküche, will dort eine Decke wegräumen - und entdeckt Dorothee leblos mit dem Oberkörper im gefüllten Waschkessel. Verzweifelte Wiederbelebungsversuche von Vater Heinz Mengede bleiben erfolglos.

Ein schrecklicher Unglücksfall? Die Ärzte im Marienhospital erkennen schnell, dass die Wahrheit noch viel furchtbarer ist. Dorothee ist brutal gewürgt worden und gestorben an Schnittverletzungen mit einem ungewöhnlichen Taschenmesser, das in der Waschküche gefunden wird. Am Sonntag gibt die Polizei bekannt: Es war Mord.

Die Angst geht um

Die Stadt steht unter Schock, es beginnt eine beispiellose Öffentlichkeitsfahndung. In allen Bottroper Kinosälen zeigt die Polizei Bilder des Messers und sucht nach Zeugen. Schon nach wenigen Tagen kommen mehr als 100 Hinweise zusammen. Gleichzeitig geht die Angst vor dem Kindermörder um.

„Plötzlich wurde ich streng bewacht, begleitet von Vater, Mutter oder Kindermädchen“, erinnert sich Schulfreundin Dorothee Bremer. Die Angst erwies sich als begründet: Nur wenige Tage später lockt der Täter ein sechsjähriges Mädchen in den Keller einer Gaststätte an der Bothenstraße. Das Kind schreit um Hilfe, ein Nachbarsjunge eilt zur Hilfe, der Täter flüchtet.

Das Jagd auf den Kindermörder endet wenige Tage später spektakulär. Am 22. August 1958 erkennt die Sechsjährige ihren Peiniger auf der Straße. Heribert S. (18), Bergmann auf Prosper III, springt in den Bus nach Essen. Ein Verkehrspolizist fährt hinterher. An der Hafenstraße in Ebel stoppt die Polizei den Bus. S. legt noch in der Nacht ein Geständnis ab: Ja, ich habe Dorothee getötet.

Geständnis widerrufen

Dieses Geständnis widerruft er zwar vor Gericht. Doch er sagt auch: „Ich bin in Wirklichkeit noch viel schlechter, als Sie annehmen.“ Außerdem berichtet er Einzelheiten, die nur der Täter wissen kann. Und: Seine Eltern identifizieren die Tatwaffe als das Taschenmesser ihres Sohnes. Die Beweislast gegen den 18-Jährigen ist erdrückend. Ein Jahr nach der Tat, am 27. August 1959, wird er schuldig gesprochen.