Bottrop. . Vor den Augen einer Lesergruppe befreien die Feuerwehrmänner drei eingeklemmte Personen aus Autos. Besucher durften bei einer Übung zuschauen.

Dieter Pommerenke will es ganz genau wissen. Er schaut sich die Arbeit der Rettungskräfte aus der Nähe an und hält sie sogar noch im Foto fest. Was an jeder anderen Unfallstelle als „gaffen“ verschrien wäre und sogar unter Strafe steht, ist an diesem Morgen ausdrücklich erlaubt. Eine Gruppe WAZ-Leser hat sich auf dem Hof der Feuerwache getroffen, um eine Übung der Retter zu verfolgen. Schließlich muss das, was im Ernstfall wie am Schnürchen klappen soll, regelmäßig geübt werden.

Während die Männer mit der Schere an der Karosserie arbeiten schützen Kollegn im Innenraum den Patienten.
Während die Männer mit der Schere an der Karosserie arbeiten schützen Kollegn im Innenraum den Patienten. © Thomas Gödde

Und so liegt auf dem Hof ein Auto auf der Seite, bei einem zweiten ist die Fahrerseite eingedrückt. Das Übungsszenario ist klar: Ein VW Golf hat einen Opel Omega gerammt, der Golf hat sich überschlagen, drei Personen sind in den Wagen eingeklemmt. Sie müssen schnellstens befreit, versorgt und ins Krankenhaus gebracht werden.

Übungen finden jede Woche statt

Feuerwehrsprecher Michael Duckheim klärt auf. Einmal in der Woche finden solche Übungen bei der Feuerwehr statt. „Und es kann auch mal sein, dass es nicht funktioniert. Aber genau darum geht es ja, herauszufinden, was nicht klappt, um sich zu verbessern.“ Auch die Übung vor den Lesern sei entsprechend aufgebaut und diene eben nicht dazu zu zeigen, was für eine tolle Truppe die Feuerwehr sei. Mit anderen Worten: Es kann auch sein, dass die Feuerwehrmänner an dem Szenario scheitern, das hier aufgebaut ist. Aber soviel sei verraten: Sie schaffen es.

Mit Stützen haben die Feuerwehrmänner den umgestürzten Golf stabilisiert, nun arbeiten sie daran, den Fahrer zu befreien.
Mit Stützen haben die Feuerwehrmänner den umgestürzten Golf stabilisiert, nun arbeiten sie daran, den Fahrer zu befreien. © Thomas Gödde

Wie im Ernstfall rückt auch bei der Übung der komplette Löschzug an. Doch es gibt minimale Änderungen, wie Duckheim verrät. Bei einem Brandeinsatz fahre der Rettungswagen am Schluss des Konvois, geht es um Hilfeleistungen, rückt der Rettungswagen weiter nach vorn. „Je nachdem wie so ein Unfallort aussieht, steht der Wagen dann vorne, wir können den Verletzten versorgen und ihn dann auch schnell ins Krankenhaus bringen.“

Einsatzleiter macht sich ein Bild

Bei dem Einsatz auf dem Hof schaut der Einsatzleiter, was Sache ist. Dann gibt er die Kommandos. Wer im Ernstfall entscheide, wem zuerst geholfen werde, wollen die Leser wissen. „Der Notarzt, er begutachtet die Patienten und entscheidet“, erklärt Duckheim.

Feuerwehrsprecher Michael Duckheim erläutert den WAZ-Lesern was die Kollegen gerade machen.
Feuerwehrsprecher Michael Duckheim erläutert den WAZ-Lesern was die Kollegen gerade machen. © Thomas Gödde

Derweil haben die Einsatzkräfte Stützen ausgepackt und stabilisieren den umgestürzten Golf, damit er nicht umkippt und Retter verletzt. Ein beherzter Ruck – hier bewegt sich nichts mehr. Die Scheiben werden eingeschlagen, ein Helfer kriecht durch die Heckklappe ins Auto, um den Patienten zu beruhigen. Dann werden die Türen abgetrennt und der Fahrer wird nach oben aus dem Wagen herausgehoben. Zehn Minuten nach Eintreffen des Löschzugs ist ein Patient gerettet.

Die „große Seitenöffnung“

Bleiben die Opel-Insassen. Auch sie werden vom Rettungsdienst betreut, der schirmt sie auch ab vor Scherben, wenn die Kollegen die Scheiben entfernen, damit sie später nicht unkontrolliert splittern.

Die Feuerwehrmänner transportieren den Verletzten ab.
Die Feuerwehrmänner transportieren den Verletzten ab. © Thomas Gödde

Der Einsatzleiter entscheidet sich für die „große Seitenöffnung“. Fragende Gesichter bei den Besuchern, die Einsatzkräfte dagegen machen sich sofort ans Werk. Duckheim: „Das ist ein feststehender Begriff. Das bedeutet dass wir die Türen abtrennen und die B-Säule entfernen.“ Bis zu 700 bar Druck können die Hydraulikwerkzeuge Schere und Spreizer aufbauen.

Ein Tablet hilft am Unfallort

Die Retter wissen genau, wo sie ansetzen können, dabei hilft ihnen die moderne Technik. Das Kennzeichen wird in ein Tablet eingegeben, das mit dem Kraftfahrtbundesamt verbunden ist. Das wirft sofort aus, um welches Modell und welchen Typen es sich bei dem Unfallwagen handelt und wo die Karosserie möglicherweise verstärkt ist oder wo Seitenairbags sitzen.

Die Verletzten werden versorgt.
Die Verletzten werden versorgt. © Thomas Gödde

Türen und B-Säule sind entfernt, sie werden auf den Schrotthaufen geworfen, der sich neben der aufgebauten Unfallstelle so langsam entwickelt. Doch so richtig kommen die Retter an den Fahrer noch nicht ran. Sie klappen das Dach hoch und entscheiden sich, den Vorderwagen wegzudrücken. Dafür setzen sie einen Hydraulikstempel an, der drückt den gesamten Motorraum hoch und so können die Feuerwehrleute besser im Fußraum arbeiten, wo die Pedale im Weg sind.

Spezialwerkzeug, um Pedale abzuschneiden

Dafür hätten sie noch ein besonderes Werkzeug, sagt Duckheim und präsentiert eine kleine Rettungsschere. Mit der können die Einsatzkräfte im Fußraum arbeiten und etwa die Pedale abschneiden. Auch dafür brauche es viel Kraft, erklärt der Feuerwehrsprecher. Die Aufhängung des Bremspedals ist verstärkt, sie darf ja bei einer Vollbremsung nicht abbrechen.

Nach 45 Minuten sind alle Insassen gerettet, die Männer beginnen aufzuräumen. Zugführer Jörg Neuhaus ist zufrieden mit der Übung. Einziger Kritikpunkt: Die Ordnung des Raums könne besser sein. Heißt: Er wünscht sich eine übersichtlichere Anordnung des Materials, das parat gelegt wird. Wachabteilungsleiter Christoph Binder verlangt klare Kommandos, etwa beim Einsatz von Schere und Spreizer, ansonsten ist auch er zufrieden – und die Besucher sind beeindruckt.