Bottrop / Essen. . Wenn der Bergbau geht, hinterlässt er in Bottrop große Flächen, die aufgearbeitet werden müssen. Darum kümmert sich die RAG Montan-Immobilien.

Wenn sich der Bergbau Ende 2018 zurückzieht, werden große Flächen in Bottrop frei. Die gilt es dann zu sanieren und aufzubereiten, damit sie neu genutzt werden können. Ein Beispiel dafür ist das große Projekt „Freiheit Emscher“, bei dem ein insgesamt 1700 Hektar großes Gebiet gemeinsam von den Städten Bottrop und Essen entwickelt wird. Mit im Boot ist das Unternehmen RAG Montan Immobilien (RMI), das die Bergbauflächen übernimmt und auch für die Vermarktung zuständig ist. Im Gespräch mit den WAZ-Redakteuren Matthias Düngelhoff und Kai Süselbeck erläutert Markus Masuth, Vorsitzender der Geschäftsführung von RMI, das Vorgehen, spricht über Zeitpläne und nicht immer einfache Planungen.

Welche Bedeutung hat das Projekt Freiheit Emscher für die RAG Montan Immobilien?

Markus Masuth, Vorsitzender der Geschäftsführung der RAG Montan-Immobilien
Markus Masuth, Vorsitzender der Geschäftsführung der RAG Montan-Immobilien © André Hirtz

Masuth: Die Dimensionen bei diesem Projekt sind deutlich größer als bei anderen, die wir haben. Wir reden über 150 Hektar eigener Flächen an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet von Bottrop und Essen. Hinzu kommt die Ausstrahlung, die dieses Projekt auf das gesamte Umfeld haben wird. Neben den zwei Städten sind ja mit Münster für Bottrop und Düsseldorf für Essen auch noch zwei Bezirksregierungen beteiligt. Inhaltlich allerdings, was den Grundcharakter angeht, ist es dasselbe wie auch bei anderen Entwicklungen, für die wir verantwortlich sind.

Wie muss man sich das vorstellen, wenn RMI und zwei Städte am Tisch sitzen. Herrscht da immer Einigkeit?

Grundsätzlich verfolgen wir ja dieselben Ziele. Die Städte wollen eine Entwicklung auf den Flächen und eine Aufwertung der Flächen und des Umfelds. Das wollen wir auch und dafür stehen wir auch nach 150 Jahren Bergbau, die die Region geprägt haben. Aber am Ende muss es alles auch wirtschaftlich tragbar sein. Wir als Unternehmen leben vom Verkauf dieser Flächen. Wir lassen es auf uns zukommen und wir werden uns verständigen – auch bei möglichen, unterschiedlichen Interessen bei der Ansiedlung von Unternehmen. Das Projekt benötigt öffentliche Mittel und am Ende bringt jeder etwas mit ein. Deshalb haben wir diese Kooperation vereinbart. Und was die Frage nach dem Projektmanagement angeht, auch das Vorgehen bei Interessenkonflikten, das werden wir gemeinsam als nächstes besprechen.

Wie weit sind Sie denn bei der Suche nach öffentlichen Geldern für das Projekt? Da sind Sie doch auch auf Land, Bund und EU angewiesen.

Was das angeht, sind sozusagen die drei Hausspitzen, also die Oberbürgermeister von Bottrop, Essen und ich unterwegs, um Verbündete zu suchen. Das betrifft aber nicht nur das Finanzielle, sondern auch die Planung. Da geht es zum Beispiel um den Autobahnanschluss Lichtenhorst in Ebel. Das Thema ist nicht neu, aber jetzt können wir den Verantwortlichen zeigen, welche Auswirkungen es auf das neue Gebiet hat, wenn der Anschluss kommt. Da sind wir nun dabei, die Unterstützung von Bund und Land zu organisieren. Mit gutem Willen, den ich bisher überall festgestellt habe, wird es funktionieren. Doch im Moment laufen die ersten vorbereitenden Gespräche, wir bereiten sozusagen das Feld vor, damit wir nachher nicht bei Null anfangen müssen

Das Kohlenlager an der A 42 im Stadthafen Essen – es gehört mit anderen Flächen in Bottrop und Essen zum großen Projekt Freiheit Emscher. Dort arbeiten die Städte Bottrop und Essen mit der RAG Montan-Immobilien zusammen
Das Kohlenlager an der A 42 im Stadthafen Essen – es gehört mit anderen Flächen in Bottrop und Essen zum großen Projekt Freiheit Emscher. Dort arbeiten die Städte Bottrop und Essen mit der RAG Montan-Immobilien zusammen © Thomas Gödde

Die Projektplanerin des Landesbetriebs Straßen NRW plant gerade den Neubau der beiden A-42-Brücken über Kanal und Emscher. Sie sagt: Wenn der Anschluss Lichtenhorst noch in die Ausbauplanungen aufgenommen werden soll, müssen vier Jahre Vorlauf aufgeholt werden.

Genau solche Themen sprechen wir an in unseren Vorgesprächen. Am Ende wird es darum gehen, die Planungen zu synchronisieren. Wir werden versuchen, in die laufende Überplanung hineinzukommen. Ich wiederhole: Mit gutem Willen wird es eine Lösung geben.

Gerade bei EU-Mitteln dürfte Ihnen zugute kommen, dass Sie über Stadtgrenzen hinweg planen. Das Zauberwort für den Zugang zu Fördermitteln aus dem Strukturfonds der EU heißt derzeit Interkommunalität.

Das ist richtig, doch das gilt nicht nur auf dieser Ebene. Es kommt uns überall zugute, dass wir bei der Freiheit Emscher interkommunal arbeiten und die Region als Ganzes voranbringen.

Gibt es schon Interessenten für die Flächen? Immerhin könnte mit „Emil Emscher“ auf Essener Gebiet ein erstes Teilstück dann ab 2020 in die Vermarktung gehen.

Es gibt tatsächlich immer mal wieder Anfragen bei den beteiligten Städten und auch bei uns, etwa aus dem Logistikbereich. Da ist dann immer die Frage, für welchen Zeitraum die Firmen etwas suchen. Ansonsten bin ich fest davon überzeugt, dass, wenn die Anbindung an die Straße da ist, es viele Interessenten geben wird.

Fast schon künstlerisch mutet dieses Bild von der Decke der Zechenkaue in Grafenwald an. Lange wird es diese Ansicht nicht mehr geben, die Kaue in Grafenwald hat das Bergwerk inzwischen aufgegeben.
Fast schon künstlerisch mutet dieses Bild von der Decke der Zechenkaue in Grafenwald an. Lange wird es diese Ansicht nicht mehr geben, die Kaue in Grafenwald hat das Bergwerk inzwischen aufgegeben. © Thomas Gödde

Stichwort Straße. Entscheidend für eine Vermarktung der Flächen in der „Freiheit Emscher“ ist die Erschließung in Form von neuen Trassen zwischen Norden und Süden. Die sind bisher aber erst sehr unscharf eingezeichnet in den Plänen.Gibt es schon Klarheit darüber, welche Trassen wo verlaufen werden?

So weit sind die Planungen jetzt noch nicht. Doch sie werden immer konkreter. Es gibt zum Beispiel bereits Vorstellungen, wie eine Straßenbahnlinie von Essen aus nach Norden verlängert werden könnte. Beim nächsten Mal, wenn wir gemeinsam den Stand der Planungen vorstellen, werden die Trassen mit einem deutlich dünneren Strich gezeichnet sein.

RMI wünscht sich so wenig Denkmäler wie möglich

Neben dem Projekt Freiheit Emscher gibt es ja noch weitere Bergbauflächen in Bottrop, die sie vermarkten. Wie ist da eigentlich der Stand?

Masuth: Wir reden da ja in erster Linie über Franz Haniel im Fuhlenbrock und Schacht 9 in Grafenwald. Für beide Standorte gilt: Dort ist noch laufender Bergwerksbetrieb. Erst wenn die Flächen an uns übergeben werden, können wir mit der Arbeit anfangen. Am Ende dann werden sie aus der Bergaufsicht entlassen und stehen für neue Nutzungen zur Verfügung.

Gibt es da einen Zeitplan?

Das ist schwierig zu sagen, weil wir ja noch gar nicht wissen, was uns erwartet. Es gibt den besten und den schlechtesten Fall. Tritt der schlechteste ein, dauert es rund vier Jahre länger als im besten Fall. Doch wir tun selbstverständlich alles, um den Weg so kurz wie möglich zu gestalten. In Grafenwald rechnen wir damit, dass unsere historische Recherche im Jahr 2020 abgeschlossen ist und es uns gelingt, die Fläche Ende des Jahres 2021 aus dem Bergrecht zu holen. Wenn es klappt, im Vorfeld schon die entsprechende Erschließung und auch das Baurecht herzustellen, könnten wir schon 2020 mit der Vermarktung beginnen. Im schlechtesten Fall dauert es hier bis 2026. Die Fläche Franz Haniel bekommen wir Anfang 2020 übertragen und im besten Fall können wir da Ende 2022 mit der Vermarktung beginnen, im schlimmsten Fall dauert es bis 2028.

Was bedeutet historische Recherche in dem Fall?

Es gibt ein ganz klar vorgegebenes Prozedere für Bergbauflächen. Das ist festgelegt im Bergbaugesetz und wird auch von der Bezirksregierung überwacht. Das unterscheidet die Sanierung von Bergbauflächen auch von der anderer Industriebrachen. Die historische Recherche ermittelt die komplette Geschichte einer Fläche. Wie wurde sie genutzt, welche Gebäude standen da oder liegen dort zum Beispiel Blindgänger. All das wird aufwändig recherchiert und dafür arbeiten die Mitarbeiter tatsächlich auch in Archiven. Denn wir müssen solche Flächen quasi besenrein hinterlassen, damit sie ohne Gefährdung neu genutzt werden können.

Politiker in Bottrop haben immer wieder geklagt, dass es so lange dauert, bis die Flächen freigegeben werden. Was sagen Sie denen?

Die Ungeduld ist da, das ist auch verständlich, doch davon können wir uns nicht leiten lassen. Wir brauchen unsere Zeit. Dass es daneben parallel berechtigte Interessen an Gewerbeflächen gibt, etwa auch von der IHK, ist ebenfalls klar. Es ist ein Trugschluss zu glauben, wir müssten nur abreißen und schon sind die Flächen wieder verfügbar. Das Verfahren ist wesentlich aufwändiger. Wenn ich das im persönlichen Gespräch erkläre, habe ich den Eindruck, dass da niemand ist, der das nicht versteht.

Welche neue Nutzung ist denn im Fuhlenbrock denkbar?

Auch wenn es noch dauert, bis die Fläche tatsächlich neu nutzbar ist, gibt es bereits Interessenten. Aber da ist noch nichts spruchreif. Wir reden hier ja über 34 Hektar, gut gelegen auch an der Grenze zu Oberhausen. Denkbar sind vielleicht zwei bis drei große Nutzer. Doch es gibt noch Unwägbarkeiten, etwa das Grubenwasserkonzept der RAG. Darin spielt der Standort bisher keine Rolle, aber noch ist das Konzept nicht genehmigt. Dazu gab es ja die Machbarkeitsstudie zum Pumpspeicherkraftwerk. Doch das scheitert ja an der Finanzierung und wird nun nicht weiter verfolgt und das hätte natürlich auch Platz gekostet.

Wird denn noch ein Denkmal vom Bergwerk übrig bleiben? Was passiert etwa mit dem DoppelbockFördergerüst von Franz Haniel?

Es ist ja so, dass an vielen ehemaligen Bergwerkstandorten einzelne Gebäude unter Denkmalschutz gestellt sind. Das sind aber Verfahren, die beginnen, wenn die Gebäude verfügbar sind. Mit den entsprechenden Behörden wird am Ende ein Denkmalkonzept erarbeitet. Denkmale sind wichtig für die Identität. Aber ich gebe ganz offen zu dass unser Interesse darin besteht, so wenig wie möglich stehen zu lassen, weil Denkmäler zum Teil auch neue Ansiedlungen behindern können. Andererseits gibt es auch junge Unternehmen, die gerade solche Gebäude suchen. Nur: Es kann nicht jedes Schachtgerüst und jede Lohnhalle unter Denkmalschutz gestellt werden. Ich verstehe jedoch, dass man die Bergbau-Identität wahren möchte. Ich bin selbst Mitglied im Vorstand der Stiftung Industriedenkmalpflege. Da überlegen wir, welchen Denkmal-Schwerpunkt wir in welchem Teil der Region legen. Und am Ende muss es aber auch für die Stiftung tragbar sein. Doch für Bottrop ist klar, dass auch etwas bleiben wird.

RMI will künftig Flächen kaufen und sanieren

Wie geht es eigentlich mit RAG Montan-Immobilien weiter, wenn die Bergbauflächen alle entwickelt und vermarktet sind?

Masuth: Wir haben ja mit den Bergbauflächen in NRW, aber auch im Saarland, viel zu tun, doch es ist schon richtig, dass diese Flächen, die wir übernehmen, weniger werden. Das berücksichtigen wir auch bei der Fortführung unseres Unternehmens. Wir wollen nun verstärkt Drittflächen ankaufen, also Flächen, die vorher nicht vom Bergbau sondern anderweitig industriell genutzt wurden. Ziel ist es, unser Know-how und unsere Kernkompetenzen dann auch auf diese Flächen zu übertragen. In dem Bereich wollen wir künftig als Unternehmen durchstarten, um dann auch andere Industrieflächen zu revitalisieren.

Und was wird aus den Halden? In Bottrop wüssten viele Menschen sehr gerne, ob die Stadt auch künftig die Bergarena wird nutzen können - und mit welchem Besitzer sie darüber verhandeln kann.

Derzeit sind noch 23 Halden im RAG-Besitz, darunter die von Ihnen angesprochene Halde Haniel mit der Bergarena. Derzeit laufen bekanntlich Verhandlungen mit dem Regionalverband Ruhr, der sie wie die anderen Halden im Ruhrgebiet auch künftig für kulturelle und Freizeitzwecke entwickeln will.

Haldenübernahme darf den RVR nichts kosten

Aber der Regionalverband hat dazu eine klare Vorgabe aus der Politik: Die Übernahme soll möglichst nichts kosten.

Ich will den Verhandlungen nicht vorgreifen. Derzeit werden verschiedene Varianten diskutiert, etwa die Übernahme in Paketen oder in einem Gesamtkomplex. Voraussichtlich zum Jahresende werden wir eine Einigung haben.

Die Zentralwerkstatt wird ja schon seit drei Jahren geräumt. Zum Jahresende sollen die letzten Maschinen und Menschen umziehen auf das Carolinenglück-Gelände in Bochum. Bleibt es dabei, dass diese Fläche an Arcelor-Mittal geht?

Arcelor Mittal wird das Gelände der Zentralwerkstatt ebenso übernehmen wie die Flächen, über die noch die Zechenbahn-Trasse an der Prosperstraße führt. Diese Bahnstrecke wird dann mit dem Auslaufen des Bergwerkes stillgelegt.